Название | Mitten im Steinschlag |
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Автор произведения | Britta Kiehl |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991077152 |
Bei Daniel war das etwas völlig anderes. Er wohnte seit Jahren bei Philip, als dessen Freund und gleichzeitig als dessen Angestellter in der Tischlerei.
Ihn lernte sie als einfachen Möbeltischler mit all seinen Vorzügen und Schwächen kennen, als Philip sie damals ins Haus brachte. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, dass Daniel irgendetwas anderes in seinem Leben war als ein einfacher Mensch aus ihrer Gesellschaftsschicht. Einfach, normal, angepasst und unauffällig. Erst nach der Hochzeit mit Philip offenbarte dieser ihr irgendwann ganz beiläufig, welchen Status Daniel eigentlich besaß. Sicher war sie schockiert gewesen und dachte an einen schlechten Witz von Seiten ihres Gatten. Philip beteuerte, ihr die Wahrheit gesagt zu haben und klärte sie über die Gefahren, die dieses Wissen mit sich brachte, auf.
Kurze Zeit gab sie sich Daniel gegenüber verhalten. Respekt und Ehrfurcht hemmten sie daran, Daniel natürlich gegenüber zu treten. Daniel merkte und ahnte nichts davon, was ihr sehr gelegen kam. Da aber das Leben im Haus völlig normal weiterging, konnte Susan schnell die enormen Standesunterschiede, die zwischen ihr, Philip und Daniel bestanden, ignorieren und irgendwann vergessen.
Obwohl Susan eine starke Frau war, so fiel es ihr oft schwer zu akzeptieren, dass Philip Rebellenführer war und so manche Nacht nicht im Haus war. Wenn sie allein im Bett lag, von Ängsten um ihren Mann geplagt, sehnte sie sich nach einem gewöhnlichen, friedlichen und liebenswerten Alltagstrott. War der Alltag da, dann fühlte sie wiederum ein seltsames Kribbeln auf der Haut, welches ihr unumstößlich anzeigte, dass sie die Gefahr irgendwie auch liebte, die das scheinbar eintönige Leben mit Philip interessant und aufregend machte.
Die Tatsache, dass sie in den Nächten, in denen Philip nicht im Haus war, nicht schutzlos war, beruhigte sie indes auch wieder. Daniel schlief zwar oben im Dachgeschoß, doch wusste sie, dass er wachsam genug blieb, um das Haus jederzeit vor Eindringlingen verteidigen zu können.
Bei Lizzy aber vermochte Susan die Hemmschwelle einfach nicht übertreten zu können. Die Prinzessin war eine Fremde, die in einem für sie fremdem Leben lebte.
3. Kapitel
Sarah kam vor Wut schäumend ins Schloss gestürmt. Lauthals schrie sie nach ihrem Ehemann. Vom Lärm aufgescheucht, erschienen zwei fragend dreinblickende Hausmädchen.
„Marie. Wo ist mein Vater?“
„Das weiß ich nicht“, antwortete die Angesprochene kleinlaut.
„Aber ich!“, sagte die andere scheu. „Seine Majestät befindet sich in der Bibliothek.“ „Danke. Sucht Sir Liam. Er soll umgehend in die Bibliothek kommen!“
„Jawohl, Mylady.“ Die Mädchen entfernten sich hastig.
Mit großen Schritten steuerte Sarah die Bibliothek an. König William befand sich in ein angenehmes Gespräch mit Dr. Gregory vertieft, als sie ohne anzuklopfen ins Zimmer stürmte. Ohne Begrüßung platzte sie damit heraus, dass Lizzy verschwunden war.
„Was soll das heißen Sarah?“ König William starrte sie entgeistert an.
„Was an dem Wort ‚verschwunden‘ verstehst du denn nicht, Dad. Sie ist weg, verschwunden, nicht auffindbar.“
„Zügle dich in deiner Wortwahl Sarah und berichte bitte in chronologischer Reihenfolge. Kein Mensch versteht hier, was geschehen ist.“ Dr. Gregory wies Sarah ruhig an, sich zu setzen, tief durchzuatmen und sich zu sammeln. Sarah gehorchte unwillig.
„Trink das!“, sagte er und reichte ihr ein Glas Whisky.
„Und nun erzähle.“
Sarah stöhnte betroffen. In knappen Sätzen berichtete sie, was sich zugetragen hatte.
„Was um Himmels Willen hat euch bewogen, die Landesgrenzen allein abzureiten? Hatte ich nicht ausdrücklich befohlen, wenigstens zwei Männer als Geleitschutz mitzunehmen?“, fragte der Vater zornig seine Tochter.
„Meine Güte Dad! Bisher konnten wir uns immer bestens verteidigen. Die Kerle waren keine Häscher von Corlens Castle, sondern einfach nur mieses Pack, das uns für verlockende, leicht zu erbeutende Leckerbissen hielt. Ich habe zwei von ihnen locker erledigt. Der Letze ist panisch davon gehüpft wie ein Kaninchen. Dass Lizzys Pferd durchgeht, ist doch etwas völlig anderes.“
König William billigte diese Rechtfertigung in keinster Weise. Bevor er jedoch eine Tirade zum Thema Gehorsamsverweigerung an den Tag legen konnte, brachte ein Diener ein Schreiben. Unwirsch nahm er den Brief entgegen. Störungen dieser Art hasste er, wenn er doch gerade so schön in Fahrt war. Da das Schreiben den Vermerk „eilt“ enthielt, unterbrach er die verbale Zurechtweisung seiner Tochter, um hastig den Brief zu öffnen.
Sarah und Dr. Gregory sahen William fragend an, als er seufzend den Brief auf den Schreibtisch warf und sich bequem in seinen Sessel zurückfallen ließ.
„Es wird keine Suchaktion stattfinden. Lizzy wird von einer Familie, deren Name im Schreiben nicht genannt wird, aufopferungsvoll gepflegt. Man hatte sie verletzt gefunden und in Sicherheit gebracht. In etwa drei Tagen wird sie mit Geleitschutz hierher zurückgebracht. Es gehe ihr den Umständen entsprechend gut. Der Verfasser des Briefes weist darauf hin, dass der Aufenthaltsort der Prinzessin nicht genannt wird, da er sich auf den Ländereien von Corlens Castle befindet. Man möge bitte den Wunsch der Familie, die Prinzessin nicht zu suchen respektieren, da man das Leben der Prinzessin, als auch dass der unbescholtenen Familie nicht gefährden will.“
„Du willst allen Ernstes abwarten, Dad? Was ist, wenn das eine Falle ist? Man wird Lösegeld fordern!“
„Lies selbst den Brief und urteile neu. Den Brief hat niemand geschrieben, der böses im Sinn hat. Er hatte einen Anflug von Besorgnis. Außerdem ist der Schreiber gebildet und mit Sicherheit kein dahergelaufener Lump, der das schnelle Geld wittert.“
Es klopfte und Liam trat ins Zimmer.
Mit einem Handzeichen gab ihm Dr. Gregory zu verstehen, dass er Platz nehmen sollte.
„Wir werden die vorgegebenen drei Tage abwarten. Nach Ablauf des Ultimatums können wir immer noch handeln“, entschied König William unwiderruflich.
Sarah war mit dieser Entscheidung keineswegs einverstanden, wagte aber nicht zu widersprechen.
Unwillig las sie den Brief Wort für Wort nun schon das zweite Mal. Auch musste sie sich eingestehen, dass ein unüberlegtes Eingreifen vermutlich eher Schaden als Nutzen bringen würde. So beschränkte sie sich darauf Liam zu instruieren, einen Notfallplan aufzustellen, damit gegebenenfalls eine sofortige, systematisch geführte Suchaktion erfolgen konnte.
Dem hatten weder König William, noch Dr. Gregory etwas entgegenzusetzen.
Sarahs aufgewühltes Gemüt hatte sich zwischenzeitlich abgekühlt. Von Selbstvorwürfen zerfressen, suchte sie ihre privaten Räumlichkeiten auf. Die Zimmer im Schloss waren freundlich, luftig und hell eingerichtet, ganz entgegen Sarahs Geschmack. Sie bevorzugte wuchtiges, solides und dunkles Mobiliar. Von einem ihrer Fenster aus hatte sie freien Blick auf das riesige, düstere Gemäuer von Corlens Castle. Das alte Schloss, mit seiner Architektur und seiner komplizierten Bauweise faszinierte sie. In Gedanken stellte sie sich oft vor, wie sie die dunklen, verschlungenen Gänge entlangging, die großen, schweren Eichentüren öffnete und die mit dunklem Holz vertäfelten Zimmer betrat. Die Möbel stellte sie sich rustikal und schwer vor. Welche, die jeden zartbesaiteten Betrachter einschüchtern oder gar erdrücken würden.
Ihre Phantasie regten überlieferte Erzählungen an, welche sich ausschließlich mit Corlens Castle befassten.
Schnell fasste sie sich wieder und machte der Realität Platz. Grausame Szenarien sollten sich hinter den riesigen Schlossmauern abspielen. Szenarien, wie man sie nur aus dem Mittelalter kannte.
„Könnte ich doch nur diese Mörderbrut ausräuchern“, schoss es Sarah durch den Kopf. Doch das Land der Corlens war riesig, die Armee König