Mitten im Steinschlag. Britta Kiehl

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Название Mitten im Steinschlag
Автор произведения Britta Kiehl
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991077152



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zu widerstehen. Er hatte alles versucht, sie von der Sinnlosigkeit ihrer verbotenen Liebe zu überzeugen, doch sie blieb ungerührt und fest in ihren Absichten.

      Irgendwann würde einer von beiden dafür bezahlen müssen. Da war sich Daniel sicher. Die Sorge um Lizzy schwächte sich auch nicht ab, als er erfuhr, dass sie von zwei bewaffneten Wachen begleitet wurde, welche sich in gebührendem Abstand zu ihnen aufhielten.

      Die kleine Ruine des alten Fischerhäuschens am Green Lake bot einigermaßen Schutz vor neugierigen Blicken. Kaum einer wagte sich hierher, da die Sage umging, dass ein furchtbar armer Fischer, der hier aus Verzweiflung Frau und Kinder ermordete und sich selbst erschoss, als blutrünstiges Gespenst umherging. Stunden lang saßen Lizzy und Daniel dicht nebeneinander gedrängt, verborgen in der von Efeu eingewachsenen Ruine, fernab von der Außenwelt, gehüllt in Glück und Seligkeit.

      Seit einiger Zeit forderte Lizzy Daniel immer wieder auf, mit auf das Schloss zu kommen, um der Heimlichtuerei ein Ende setzen zu können. Bisher hatte er es geschafft, ihr diese eingehende Bitte unter fadenscheinigen Ausreden abzuschlagen. Doch Lizzy drängte ihn immer mehr in die Enge.

      „Dad interessiert es nicht, ob du adlig bist oder vom einfachen Volk abstammst. Er will nur das Beste für mich und das sind nach seiner Meinung Liebe, Vertrauen, Treue und Respekt. Konventionen sind für ihn unwichtig.“ Sie sah ihm tief in die Augen.

      „Sieh mal, Sarah hat auch einen Mann von weit unter unserem Stand geheiratet. Liam stammt zwar vom Adel ab, aber seine Familie ist völlig verarmt. Mache dir doch nicht solche Sorgen, Dad lädt dich herzlich ein, soll ich dir sagen.“ Lizzys Gesicht strahlte vor Offenheit.

      Daniel schluckte, bevor er in sachlichem Ton antwortete.

      „Der Stand interessiert mich auch nicht Lizzy, dem entspreche ich leider voll und ganz. Es ist eher meine Herkunft, die mich zwingt, die Einladung deines Vaters rigoros abzulehnen.“

      Lizzy sah ihn verblüfft an.

      „Was für einen Stand? Earl, Peer, Duke?“ Sie lachte unbekümmert. Daniel lachte mit, doch es war kein herzliches Lachen, es war Bitterkeit. Lizzy sah ihn irritiert an.

      „Es ist viel schlimmer“, erwiderte er leise, mehr zu sich selbst.

      „Wie viel schlimmer geht es denn noch?“, scherzte sie mit klopfendem Herzen.

      Daniel stöhnte gequält.

      „Lizzy, dein Vater würde mich vierteilen, nachdem er mich ertränkt und erschossen hat, meine Einzelteile fest verschnüren und triumphierend nach Corlens Castle schicken.“

      „Verdammt Daniel. So schlimm kann es doch wohl nicht sein. Dad ist der liebste und verständnisvollste Mensch, den ich kenne. Er wäre zu so etwas niemals fähig. Außerdem gibt es doch gar keinen Grund dafür.“

      Sanft nahm sie seine Hand, doch er entzog sie Lizzy gröber, als er eigentlich gewollt hatte.

      „Es geht hier nicht nur um mich. Ich verrate auch die Hendersons.“

      Lizzy standen die Tränen in den Augen. Nach kurzem Schweigen entschied er sich, ihr die Wahrheit zu sagen. Es würde ein schmerzliches, aber schnelles Ende ihrer Beziehung sein. Hatte er sich in Lizzy getäuscht, so bestand nur ein minimales Risiko bei einem Verrat. Die Tischlerei würde sie nicht wiederfinden, dazu waren Philip und er mit Lizzy zu viele Umwege geritten. Mit todernster Miene wand er sich ihr zu und sah in ihr tränennasses, trauriges Gesicht.

      „Ich bin Kronprinz Daniel Alexander“, kam es leise und gepresst aus seinem Mund.

      Lizzy blickte ungläubig auf, doch er hatte sein Gesicht betreten abgewendet.

      „Das ist ein Scherz, oder?“

      „Siehst du mich lachen?“, antwortete er forsch und sah ihr fest in die Augen.

      „Die Schergen des Königs suchen mich wegen Hochverrats. Man jagt mich, versucht mich zu erpressen und man tötet jeden, der auch nur in meiner Nähe gesichtet wird.“

      Kalt und abweisend fügte er hinzu:

      „Jetzt kennst du mein grässliches Geheimnis und hast mich in der Hand. Steig auf dein Pferd und reite nach Haus. Es war falsch von mir, dich und andere in unnötige Gefahr zu bringen.“ Er stockte kurz.

      „Und rufe nicht nach den Wachen, du müsstest sonst ohne sie zurückreiten.“

      Lizzy hatte ihn noch nie so voller Bitterkeit erlebt. Die Kälte in seiner Stimme drang bis in ihre Knochen und sie begann zu frösteln. Ihr war beklommen ums Herz. Enttäuschung und Fassungslosigkeit nahmen von ihr Besitz. Hilfesuchend sah sie ihn an. Er ignorierte ihre verständnislosen Blicke, auch wenn ihm selbst das Herz immer schwerer wurde. Lizzy musste einsehen, dass es im Moment besser war, zu schweigen und sich vorerst zu fügen. Von Kummer geplagt, bestieg sie ihr Pferd. Als er keine Anstalten machte, sie zurückzuhalten, gab sie dem Pferd die Sporen und ritt davon.

      Die Heimreise gab ihr die Gelegenheit, über das Gesagte nachzudenken. Ausgerechnet in den Sohn ihres ärgsten Feindes hatte sie sich verliebt. Hatte Sarah am Ende doch Recht? War sie so naiv? War sie so eine dumme Gans? Wie konnte sie sich nur so getäuscht haben? Daniel schien so normal, er hatte sich dem einfachen Leben in dieser wunderbaren Familie perfekt angepasst. Er arbeitete, hatte sich einen respektablen Beruf zugelegt, den er beherrschte und den er liebte. Abrupt fiel ihr die Familienchronik der Corlens ein.

      Wie sie Geschichtsunterricht gehasst hatte. Nun rief sie in ihrem Kopf alles auf, was ihr ihr alter, längst verstorbener Lehrer über die Corlens beigebracht hatte. Unwillkürlich musste sie schmunzeln, als sie daran dachte, dass Daniel es überhaupt nicht nötig hatte, zu arbeiten, dass er mit hoher Intelligenz beschenkt war, eine Eliteausbildung besaß und eigentlich Dank seines perfekten Aussehens jede Frau hätte haben können.

      Trotzdem hatte er das Leben unter einfachen Menschen gewählt. Hatte sie sich nicht ursprünglich in den Tischlerangestellten Daniel verliebt?

      Je mehr Lizzy grübelte, desto entschlossener wurde sie.

      „Ich habe keine Angst, ich liebe dich und das werde ich dir beweisen, egal was für Konsequenzen für mich damit verbunden sind“, dachte sie entschlossen und zufrieden mit sich selbst.

      Daniel war in den folgenden Tagen recht schweigsam. Susan runzelte jedes Mal mitleidig die Stirn, wenn sie seinen starren Gesichtsausdruck sah. Insgeheim ahnte sie, dass er die seltsame Verbindung mit Lizzy beendet hatte und nun still vor sich hin litt.

      Es waren keine drei Tage vergangen, als Lily in die Tischlerei gewuselt kam mit einer neuen, hübschen Puppe auf dem Arm. Stolz wollte sie ihrem konzentriert arbeitenden Vater das neue Spielzeug präsentieren.

      Der hatte nur einen kurzen, beiläufigen Blick für das Püppchen. Enttäuscht drückte sie die Puppe fest an sich. Energisch stellte sie sich zu Daniel, um ihm das Geschenk unter die Nase zu halten. Auch hier hatte sie wenig Erfolg, da dieser eine Zeichnung mit dazugehörigen Berechnungen für einen Schreibtisch eines exzentrischen Kunden anfertigte.

      Lily sah schmollend zu Boden.

      „Dann gehe ich eben wieder zu Mum und Tante Lisi in die Küche. Ihr seid alle beide blöd, so!“

      Lizzy saß in der Tat bei Susan in der Küche. Bei einer Tasse Tee erfuhr Susan, was zwischen den beiden vorgefallen war und dass Lizzy keinesfalls gewillt war, sich durch Daniels Aussagen abschrecken zu lassen. Die Frauen redeten eine ganze Weile vertrauter als sonst miteinander, wobei Susan ihre anfängliche Scheu gegenüber der treuherzigen Lizzy nun ganz und gar verlor. Nach diesem Gespräch waren sie nicht nur Verbündete, sondern wurden zu Freundinnen.

      „Wie hast du uns eigentlich gefunden?“

      „Ach weißt du, als die beiden mich damals zurück zum Schloss brachten, haben sie hübsche kleine Umwege gemacht. Aber ich besitze einen ausgeprägten Orientierungssinn. Außerdem waren die Menschen hier in der Gegend recht auskunftsfreudig auf meine Frage, nach einer Möbeltischlerei hier in der Nähe.“

      Lily kam hereingesaust, um sich freudestrahlend neben Lizzy zu setzen. Die beiden Frauen