Название | Natürlich waschen! |
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Автор произведения | James Hamblin |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783956144783 |
Schönheit kann auch Selbstzweck sein. Eigentlich haben mir viele vertrauenswürdige Menschen aus dem Literaturbetrieb davon abgeraten, in diesem Buch Charles Darwin zu erwähnen, das sei ein peinliches Klischee. Also spreche ich wohl besser von einem nebulösen Finkenliebhaber des 19. Jahrhunderts. Obwohl der Mann tugendhaft und häuslich war und in einem Zeitalter der sexuellen Unterdrückung lebte, war seine Ästhetik der sexuellen Auslese radikal. Schönheit sei evolutionär bedingt, sie bereite dem Menschen Lust, und Lust sei ein Selbstzweck. Es gehe bei Schönheit nicht nur darum, Fortpflanzungspartner anzulocken. Wir Tiere würden nämlich alles lieben, was uns ein gutes Gefühl gebe, selbst wenn das unserem langfristigen Überleben entgegenstehe – wie etwa die Paarung mit schönen Tieren, die uns nicht guttun, sich als schlechte Versorger herausstellen oder selbst nicht überleben.
Der deutlich biederere Alfred Russel Wallace, »Mitentdecker« der Evolutionstheorie, widersprach Darwin in diesem Punkt: Schönheit sei das Ergebnis von Anpassung und diene dem Überleben der Art. Seine Ansicht setzte sich über Generationen in den Lehrbüchern durch. Viele Theorien zur natürlichen Selektion bezogen sich fast ausschließlich darauf, wie Männer eine paarungswillige Frau gewinnen und Frauen eine attraktive Partnerin sein können. Dass Frauen autonome Wesen mit eigenständiger sexueller Lust und Absicht sind, kam nicht einmal theoretisch als Möglichkeit vor.
Der Evolutionsornithologe Richard Prum von der Yale University widmet schon sein ganzes Berufsleben der Wiederbelebung der verschütteten Theorie von Schönheit als intrinsischem Gut. »Schönheit passiert«, so seine Theorie, und habe sich wie jeder andere evolutionäre Prozess zufällig entwickelt. Demnach setzten sich Farben, Gesänge, die Größe, Form oder Textur eines Körpers durch, weil sie Lust erzeugen und sich als soziale und genetische Präferenz verbreiten konnten. Männliche Tiere seien nicht größer und aggressiver als weibliche, weil sie paarungswillige Konkurrenten körperlich ausstechen müssten, sondern weil Weibchen größere, kräftigere Männchen bevorzugten. Einfach weil sie sie schöner fanden.
Prum zeigt am Beispiel des Orgasmus, dass die Fähigkeit, Lust zu schenken, auch beim Überleben von Vorteil sein kann: Weibchen, die mehr Spaß am Paarungsvorgang haben, bekommen vermutlich mehr Nachwuchs. Und Männchen, die ihnen diese Lust besser verschaffen können, wahrscheinlich öfter Gelegenheit dazu. Wissenschaftliche Zeitschriften lehnten Prums Artikel zunächst ab, doch langsam freundet sich die Wissenschaftswelt mit der Vorstellung an, dass Schönheit ein Wert an sich ist, auch wenn sie nicht unbedingt stärker, gesünder oder zeugungsfähiger macht.
Auch wenn die Biologie eine Weile gebraucht hat, bis sie damit warm wurde, die Schriftstellerin Toni Morrison hat es schon immer gewusst. In einem Interview von 1993 für den Paris Review sagte sie: »Man kann die Schönheit nicht ausblenden. Sie ist kein Privileg oder ein Luxus. Eigentlich muss man sich nicht einmal darum bemühen. Man kann sie fast mit dem menschlichen Streben nach Wissen vergleichen, der Mensch ist dafür gemacht.«
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Die längste Zeit der Menschheitsgeschichte hatte Körperpflege eher mit Spiritualität und Ritus zu tun als mit heutigen Gesundheits- oder Schönheitsvorstellungen. So schlugen die Azteken im 15. Jahrhundert riesige Wasserbecken für Reinigungsriten in den Bergfels. Wenn die Babys von den Hebammen gewaschen wurden, riefen sie die Wassergottheit Chalchiuhtlicue an:
Komme zu deiner Mutter Chalchiuhtlicue … Möge sie dich empfangen! Möge sie dich waschen! Möge sie allen Schmutz, der von deiner Mutter, deinem Vater auf dich gekommen ist, von dir nehmen und fortwerfen! Möge sie dein Herz reinigen! Möge sie es edel und gut machen! Möge sie dein Verhalten edel und gut machen!
Bei den Azteken wurden selbst die Sklav*innen, die man zur Opferung vorbereitete, mit heiligem Wasser gereinigt. Im alten Ägypten kleidete man die Toten wie Gottheiten und wusch sie nach einem bestimmten Ritual, damit sie leichter ins Jenseits gelangten.
Für den griechischen Arzt Hippokrates, auf den die Ärzte und Ärztinnen noch heute ihren Eid ablegen, war das Bad schon eher eine gesundheitsfördernde Maßnahme. Aber nie hätte er daran gedacht, Bakterien abzuwaschen. Bei der Vorstellung wäre er wie vom Blitz getroffen umgefallen. Er dachte eher an einen Wechsel aus kalten und heißen Bädern, um die Stimmungen auszugleichen. Bei Erkrankungen wie Kopfschmerzen und Harnverhalt hielt man damals warme Bäder für hilfreich, bei Gelenkschmerzen verschrieb man lieber kalte. Bäder waren in erster Linie dazu da, sich den Elementen auszusetzen, nicht so sehr, um bestimmte Krankheitserreger auszumerzen.
Ihren Höhepunkt fanden solche Vorstellungen in den berühmten Bädern des antiken Rom. In den öffentlichen Thermen trafen sich Bürger*innen aller Klassen zum Baden und geselligen Zeitvertreib. Oft befanden sich dort Sportanlagen unter freiem Himmel, umgeben von Räumen mit heißen (caldarium), lauwarmen (tepidarium) und kalten Bädern (frigidarium). In manchen Thermen gab es zudem Spieleräume, Bibliotheken, Speisen- und Getränkeverkäufer*innen und Prostituierte.
Manchmal rieben sich die alten Römer*innen mit Öl ein oder schabten Schmutz und Dreck mit einer Art Sichel ab. Doch wenn die Bäder einen hygienischen Nutzen hatten, dann höchstens zufällig. Die Wasserbecken waren alles andere als keimfrei. Wie zeitgenössische Berichte vermuten lassen, kam das Wasser aus öffentlichen Tiertränken. Gesunde und Kranke badeten zudem dicht an dicht. So empfahl der Philosoph Celsus bei unzähligen Beschwerden, etwa Darmentzündungen, kleinen Pusteln oder Durchfall, ein Bad zu nehmen. Da es keine Chloranlagen oder Umwälzpumpen gab, muss man davon ausgehen, dass auf dem Wasser ein schaumiger Schlier aus Dreck, Schweiß und Fett trieb.
Die Kombination aus Müßiggang und Nacktheit machte die Thermen zur Zielscheibe damaliger Kulturkämpfe. Dass sich die dekadenten Anlagen in seiner Heimatstadt verbreiteten, hielt der Philosoph Seneca für ein Zeichen des moralischen Niedergangs. Die christliche Frühkirche riet ebenso vom Baden ab.
Im Gegensatz dazu unterstrich die jüdische Gesetzgebung um die Zeit Jesu die Bedeutung körperlicher Reinheit durch den Erlass von Ernährungs- und Hygienevorschriften. Gemäß der Vorschriften musste man sich vor und nach dem Essen die Hände und vor dem Betreten des Tempels Hände und Füße waschen. Das Sprichwort »Cleanliness is next to godliness« (Reinlichkeit kommt gleich nach Frömmigkeit) leitet sich angeblich von einem Rabbinerausspruch ab, nach dem körperliche Reinheit die Voraussetzung spiritueller Reinheit sei.
Doch die Frühchrist*innen wandten sich gegen eine Moral aus Vorschriften und Verboten und ließen von den strengen jüdischen Regeln zu Lebensmitteln, Beschneidung und Sabbatgebot ab. Ihr Messias war in puncto ritueller Reinigung eher ein Minimalist. Die Maler*innen befreiten Jesus später von Schmutz und Filz, er selbst aber machte sich wie viele, die eine treue Gefolgschaft haben, ausdrücklich keine Gedanken um seine Schönheit. Laut Matthäus schalt er, wem religiöse Rituale wichtiger waren als innere Reinheit. »Reinige zum Ersten, was inwendig im Becher ist, auf dass auch das Auswendige rein werde!« Und an anderer Stelle im Neuen Testament heißt es, die Pharisäer seien schockiert gewesen, weil Jesus und seine Jünger Brot aßen, ohne sich zuvor die Hände zu waschen. Im 4. Jahrhundert schrieb schließlich Hieronymus, wer in Christus gebadet sei, müsse sich nicht waschen.
Unter den Weltreligionen ist das Christentum, das außer der symbolischen Taufe keine Wasch- oder Körperpflegevorschriften kennt, eher ein Außenseiter. Der Islam schreibt fünfmal täglich rituelle Waschungen vor dem Gebet vor. Wegen des hohen Wasserbedarfs an den Moscheen entwickelten die arabischen Städte daher im Gegensatz zu Europa raffinierte Wasserversorgungssysteme. Ein Muslim, der in den 920er-Jahren die Wolga bereiste, schrieb über die Wikinger: »Es sind die verdrecktesten Geschöpfe Allahs, sie waschen sich nicht nach dem Kacken und Pinkeln, nicht nach dem Geschlechtsverkehr oder dem Essen. Sie verhalten sich wie ungeratene Affen.«
Der Hinduismus kennt ebenfalls verbindliche Körperpflegerituale. Schon Jahrhunderte vor der westlichen Keimtheorie mahnte er, nach dem Toilettengang die Hände zu waschen. Nur die linke Hand war dafür erlaubt, die rechte ausschließlich fürs Essen. Als der Italiener Marco Polo im 13. Jahrhundert Indien bereiste, war er überrascht, wie pingelig die Leute beim Trinken