Название | Natürlich waschen! |
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Автор произведения | James Hamblin |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783956144783 |
Wir wissen noch nicht genau, wieso eine gute Hautpflege vor Lebensmittelallergien schützt, doch laut neuerer Expertenempfehlungen kann ein früher Kontakt mit Erdnüssen, und nicht etwa das Vermeiden derselben, die Wahrscheinlichkeit verringern, eine schwere Erdnussallergie zu entwickeln. So wie das Immunsystem durch Impfungen lernt, Infektionskrankheiten zu bekämpfen, so könnte es durch kleine Erdnussmengen lernen, Erdnüsse zu tolerieren. Doch bis heute entscheidet man sich bei allergenen Hautreaktionen genau für die gegenteilige Strategie. Häufig werden sie mit Medikamenten behandelt, die die Immunreaktion unterdrücken, mit Antibiotika und natürlich mit regelmäßigen, aggressiven reinigenden und feuchtigkeitsspendenden Anwendungen.
Neurodermitis ist so weit verbreitet, dass sie gern als kleines Ärgernis betrachtet wird, was sie häufig auch ist. Doch manchen kann es dadurch richtig elend gehen. Eine Neurodermitis kann den Schlaf beeinträchtigen (nachts ist das Jucken am schlimmsten) und, wenn man sich stets kratzen muss, sogar die Existenz bedrohen. Hier kommt offenbar alles zusammen, was schlecht für die Haut ist: eine gestörte Schutzschicht, ein mikrobisches Ungleichgewicht und eine Vermehrung der Immunzellen. Wird die Schutzschicht der Haut durch Waschen oder Kratzen beeinträchtigt, kann sich die mikrobielle Besiedelung verändern und das Immunsystem dadurch hochgefahren werden. Den Hautzellen wird dann signalisiert, sich rasch zu vermehren und mit Entzündungseiweißen anzureichern. So entsteht ein sich selbst erhaltender Kreislauf aus Entzündung, Jucken, Zusammenbruch der Schutzschicht und mikrobiellem Ungleichgewicht. »Könnte es nicht sein«, spekuliert Skotnicki, »dass die Neurodermitis überhaupt erst durch das häufige Waschen in unserer Gesellschaft ausgelöst wird?«
Jedenfalls hat beides zur gleichen Zeit zugenommen, und es gibt Hinweise darauf, dass ein Zusammenhang besteht. Doch anstatt die Haut wieder mehr Umgebungsreizen auszusetzen, verleiten uns Allergien und Überempfindlichkeiten dazu, uns noch intensiver zu säubern und unsere Umgebung noch steriler zu halten. Patient*innen, die zu Skotnicki kommen, leiden häufig seit Wochen oder Monaten unter Ausschlag, und sie würden sich am liebsten noch mehr schrubben und einseifen. Sie hoffen auf ein neues Produkt, das die bisher verwendeten ungeschehen machen oder wenigstens ausgleichen kann. Etwas »Mildes, Natürliches«. Etwas, was, na ja, eigentlich eher nichts sein soll.
Doch für Ärzt*innen ist es schwer, nichts zu verschreiben. Häufig wünschen sich die Patient*innen eine Behandlung, wenn schon kein Rezept, so doch zumindest etwas, was sie regelmäßig tun können. Skotnicki hat einen Weg gefunden, aus dem Nichts etwas zu machen. Sie empfiehlt eine radikale Produkt-»Diät« oder -»Bereinigung«, das heißt, mit allem aufzuhören. Oder mit möglichst allem. Selbst wenn die Probleme nicht durch bestimmte Produkte ausgelöst wurden, vertreten Dermatolog*innen zunehmend diesen Ansatz.
Es kann psychologisch hilfreich sein, zu erkennen, wie wenig wir eigentlich brauchen, und erst dann behutsam nur noch das zu verwenden, was wir wirklich wollen. Denn im Grunde ist unsere Haut sehr widerstandsfähig. Wir können versuchen, sie mit den aktuellsten Produkten zu regulieren oder zu kaschieren, aber auf die beständigen inneren und äußeren Signale reagiert sie so, wie sie es in Jahrmillionen gelernt hat. Sie will ihr Gleichgewicht wahren.
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Die Haut ist das größte Organ des Menschen. Würde man sie ausbreiten, wäre sie fast zwei Quadratmeter groß. Sie ist in alle Richtungen beweglich, dehnbar und registriert selbst winzigste Temperatur-, Druck- und Feuchtigkeitsschwankungen. Die Signale werden von Nervenenden in der Haut an unser Gehirn weitergeleitet, dank derer wir alles zwischen furchtbaren Schmerzen und ekstatischen Freuden empfinden können. Die Haut verrät es auch der Welt, wenn wir krank, müde, ängstlich oder erregt sind. Wenn sie aufreißt, kann sie in wenigen Tagen wieder verheilen. Sie schützt uns vor tödlicher Überhitzung, indem sie sich selbst in Flüssigkeit badet und so dafür sorgt, dass wir die Wärme schneller an die Umgebungsluft abgeben. Die Haut ist so lebenswichtig wie unser Herz, Rückgrat oder Gehirn. Ohne sie würde alles Flüssige, aus dem wir bestehen, verdunsten, die Außenwelt in uns eindringen, uns infizieren, und schon bald wären wir tot.
Die Haut ist also extrem wichtig. Doch Hautpflege heißt weit mehr, als sich mit irgendetwas einzuschmieren.
Zieht man die Lehrbücher zurate, erfährt man – wie auch ich an der medizinischen Hochschule –, dass die Haut aus drei anatomischen Schichten besteht. Die untere Schicht, die Unterhaut, setzt sich hauptsächlich aus Fett und Bindegewebe zusammen. Die beiden anderen Schichten sind allerdings interessanter. Die obere heißt Epidermis oder Oberhaut. Mit einem Millimeter ist sie ungefähr so dick wie ein Blatt Papier, aber in diesem Millimeter passiert überraschend viel. Die wichtigste Epidermiszelle heißt Keratinozyt und produziert das Faserprotein Keratin, aus dem unsere Haut überwiegend besteht, unsere Fingernägel und Haare sogar vollständig. Dazwischen sind zudem Immunzellen, winzige Nervenfasern sowie die Melanin produzierenden Zellen eingelagert, die der Haut ihre Farbe geben. Alle Hautzellen reagieren hochsensibel auf die Umgebung und können sich daran anpassen.
Die Epidermis regeneriert sich fortlaufend und so häufig wie kaum ein anderer Teil unseres Körpers. Obwohl sie nur einen Millimeter dünn ist, besteht sie aus mehreren Zellschichten unterschiedlichen Alters. Die Basalzellschicht enthält die Stammzellen, die sich fortlaufend teilen und neue Zellen hervorbringen, besonders in der Jugend. Doch neue Zellen bilden sich ein Leben lang und schieben die älteren in Richtung Hautoberfläche. Dort angekommen, sind sie meist bereits verhornt, das heißt abgestorben, abgeplattet, ausgetrocknet und so miteinander verklebt, dass sie mit bloßem Auge zu erkennen sind. Von diesen älteren Zellen sollen die Peeling-Produkte unsere Haut befreien und frische Zellen zutage fördern. Doch eigentlich fallen die Zellen von ganz allein ab. Der gesamte Zyklus dauert ungefähr einen Monat, die Hautoberfläche bildet sich also laufend neu.
Unter der Epidermis liegt die Dermis oder Lederhaut, die hauptsächlich aus zwei Proteinen besteht: Kollagen und Elastin. Ineinander verwoben, machen sie die Haut elastisch und robust. Leder, daher Lederhaut, besteht ausschließlich aus Dermis. Die Menschheit jagt Tiere denn auch trotz enormer Kosten und ethischer Bedenken unverdrossen wegen ihrer Haut. Schon als die Werkzeuge noch nicht erfunden waren, schützten wir uns mit der einzigartigen, zugleich elastischen und widerstandsfähigen Tierhaut vor der Witterung, um zu überleben.
Epidermis und Dermis sind von einem Nervennetz durchzogen, das geringste Umgebungsveränderungen wahrnimmt, etwa das Gewicht einer Mücke oder den Temperaturunterschied zwischen 20 und 22 Grad im Büro. Bei körperlicher Anstrengung oder Stress dehnen sich mit dem Netz verflochtene winzige Äderchen aus, um unseren Körper herunterzukühlen, lassen uns erröten und verraten unsere Emotionen.
Außerdem besitzt unsere Haut recht große Follikel, die Haar und Härchen wachsen lassen. Vormenschliche Arten konnten sich dank ihrer einst in klimatisch kältere Zonen begeben. Heute gibt es dank ihrer einen gigantischen Markt, der es ermöglicht, durch Haarentfernung, Schneiden, Frisuren und Färben gemäß wechselnden Normen zu zeigen, wo in der sozialen Hierarchie man steht oder stehen möchte.
In unserer Haut befinden sich zudem drei verschiedene Drüsen, die Sekrete absondern. Die ekkrinen Schweißdrüsen geben Wasser zur Kühlung des Körpers ab. Die Talgdrüsen schützen die Haut durch eine fettige Talgschicht vor Trockenheit und Rissen, das heißt vor Beschädigungen der Schutzschicht, die todbringende Mikroben von unserem Körper fernhält.
Der Sinn der apokrinen Schweiß- oder Duftdrüsen, die sich während der Pubertät vor allem in den Achseln und im Genitalbereich entwickeln, ist weniger offensichtlich. Dass sie zusätzliche fettige Sekrete absondern, empfinden viele als übertrieben oder geradezu unbarmherzig. Mit Deos wollen wir genau diesen Drüsen zu Leibe rücken, und manch einer verbringt in seinem Leben viel Zeit mit diesem Kampf. Aber die apokrinen Drüsen spielen, wie wir heute wissen, auch eine wichtige Rolle für den Teil unserer Haut, den man als ihre vierte Schicht bezeichnen könnte: die Billiarden von Mikroben in und auf uns. Die Bakterien, die vor allem Achseln und Genitalbereich besiedeln, ernähren sich von unseren Hautfetten und produzieren die chemischen Stoffe, die in Verbindung mit Luft für unseren Körpergeruch verantwortlich sind.
Die abgesonderten Hautfette