Название | Pfarrerinnen und Pfarrer der evangelisch-reformierten Landeskirche beider Appenzell |
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Автор произведения | Mark Hampton |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783858826695 |
Seit langem ist die Ökumene in den beiden appenzellischen Halbkantonen ein wichtiges Anliegen. Im Sommer 2002 fand der erstmals durchgeführte ökumenische Appenzeller Kirchentag statt, und zwar im innerrhodischen Hauptort: «Insgesamt nahmen 2000 bis 3000 Personen an den insgesamt über 80 Veranstaltungen teil. Diese standen unter dem Motto ‹Mer machet uuf› und machten den Kirchentag zu einem Fest der Begegnung, der Besinnung und der Spiritualität.»48
Eine deutliche Stärkung der ökumenischen Beziehungen erfolgte am 19. Januar 2008, als eine Vertretung der Evangelisch-reformierten Landeskirche beider Appenzell zusammen mit neun weiteren Kirchen und Gemeinschaften im St. Galler Dom die Charta Oecumenica (CO) unterzeichnete. Die CO ist ein europäisches Grundlagenpapier, das eine verbindliche Zusammenarbeit vorsieht, und kann als wichtiges Dokument der europäischen Kirchen im Hinblick auf ihr Selbstverständnis sowie ihre Aufgaben und Ziele gelesen werden.49 Sie beinhaltet eine Reihe konkreter Selbstverpflichtungen in der Zusammenarbeit. Ausgehend von der gemeinsamen Berufung zur Einheit, fordert sie speziell zum beharrlichen Bemühen um das gemeinsame Verständnis der Heilsbotschaft Jesu Christi im Evangelium auf, zum gemeinsamen Bekenntnis und Handeln sowie zur interkulturellen Versöhnungsarbeit. Die CO spricht damit Kernaufgaben der lokalen Kirchgemeinden an. Sie ist eine Einladung für die Christinnen und Christen vor Ort, aufeinander zuzugehen, füreinander zu beten und miteinander zum Segen für das gemeinsame Leben zu werden.
Mit einer kürzlich veröffentlichten Studie der Fachhochschule St. Gallen haben die beiden Landeskirchen im Appenzellerland ihre gesellschaftlich-sozialen Leistungen erhoben. Im Schlussbericht wird festgehalten, dass die Landeskirchen einen wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft erbringen. «Der Gegenwert der gesellschaftlich-sozialen Leistungen wird auf rund vier Millionen Franken geschätzt. Das Angebot kann in Zukunft nur durch ein noch grösseres ehrenamtliches Engagement aller Beteiligten aufrechterhalten werden»,50 heisst es in einer Pressemitteilung. Die Palette der angebotenen Dienstleistungen wird als vielfältig und zielgruppenorientiert eingestuft. Es lassen sich auch klare Schwerpunkte erkennen: «Bei den kirchlich-sozialen Angeboten werden die meisten Dienstleistungen in den Bereichen Kinder und Jugendliche, Seniorinnen und Senioren sowie Frauen, Männer, Familien und Ehe angeboten.»51 Und es wird gleichzeitig auf die Herausforderungen der Zukunft hingewiesen, was die Neupositionierung der Kirche als Volkskirche und die Wahrnehmung als Dialogpartnerin in der Öffentlichkeit betrifft.
In den letzten Jahren sind Stimmen laut geworden, die eine Verdeutlichung des reformierten Profils verlangen. Gerade im Zusammenhang mit den guten ökumenischen Beziehungen wird es als wichtig erachtet, die eigene Identität zu schärfen. Das neue «Reformierte Gesangbuch» (RG), welches seit 1998 in allen evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz verwendet wird, ist ein reformatorisches Werk mit klar ökumenischen Zügen. Sind es doch nicht weniger als 238 Lieder, Kanons und Rufe aus der römisch-katholischen Tradition, die aufgenommen wurden.52 Das RG ist aber gleichzeitig ein reformiertes Buch, welches als «Begleiter für das ganze geistliche Leben»53 genutzt werden kann. Neben den vielen Anregungen für den Gottesdienst eignet sich das RG durch die vielen Bibeltexte, Bekenntnisse, Gebete und weitere Hinweise auch für den privaten, häuslichen Gebrauch und ist somit ein Ausdruck reformierter Spiritualität.
Mit dem Werkbuch «Reformierte Bekenntnisse»54 ist eine interkantonale Initiativgruppe in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK) aktiv geworden, die eine Vernehmlassung zum reformierten Bekennen in der Schweiz 2009 lanciert hat. «Unsere gegenwärtige Bedrängnis ist das Schweigen über den Glauben, die Privatisierung des Christseins, die Unleserlichkeit dessen, wofür wir als Christinnen und Christen eintreten.»55 Mit der Vernehmlassung wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der das Profil des Reformiertseins schärfen und dem Protestantismus in der Schweiz ein Gesicht geben soll. Folgende Fragen standen zur Diskussion: Welche Funktionen können Bekenntnisse in Gegenwart und Zukunft erfüllen? Soll ein gemeinsam gesprochenes Glaubensbekenntnis in der Schweiz zur Ordnung des Gemeindegottesdienstes gehören? Welche Reaktionen löst das «Credo von Kappel» aus? Die appenzellische Kirche hat sich an der Vernehmlassung mit zwei unterschiedlichen offiziellen Stellungnahmen beteiligt. Der Kirchenrat sprach sich für die Beibehaltung der aktuellen Bekenntnisfreiheit aus. Eine Mehrheit des landeskirchlichen Pfarrkonventes unterstützte hingegen den Vorstoss des SEK, einen neuen Bekenntnistext zu entwickeln. Aus Sicht des SEK ist es deutlich, dass die Vernehmlassung die Diskussion um das Bekennen nicht abschliesst, sondern eröffnet.
Entwicklung bei den Pfarrpersonen: Jünger, internationaler und weiblicher
Die Pfarrschaft der appenzellischen Kirche ist in den letzten Jahren ein bisschen jünger, etwas internationaler und deutlich weiblicher geworden. Ein Vergleich der Jahre 1991 und 2012 zeigt, dass die Pfarrpersonen im Durchschnitt 46 Jahre alt sind. In den nächsten fünfzehn Jahren werden zwölf Pfarrpersonen, die heute in zehn Kirchgemeinden tätig sind, in Pension gehen.
Dank einer Zunahme von Pfarrerinnen und Pfarrern ausländischer Herkunft konnten die Kirchen ihre Stellen mit geeigneten Personen besetzen. Unsere Landeskirche ist somit etwas internationaler geworden:
Die Anzahl der Teilzeitpfarrstellen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Diese Entwicklung ist eine Konsequenz aus den sinkenden Mitgliederzahlen und der damit verbundenen rückläufigen Finanzen. Alle Spezialpfarrstellen der Landeskirche sind Teilzeitpfarrstellen: z. B. die Spitalseelsorge in Heiden oder die Klinik- und Spitalseelsorge in Herisau. In den Kirchgemeinden hat ebenfalls eine Mehrheit der Pfarrpersonen eine Teilzeitanstellung:
Die Evangelisch-reformierte Landeskirche beider Appenzell ist eine offene, vielfältige Glaubensgemeinschaft. Bestimmte Werte sind essentiell: Toleranz und Solidarität, aber auch Eigenverantwortung und Freiheit. Basisdemokratie und Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen sowie auch die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann sind wichtige Merkmale. Die erste Frauenordination fand 1918 in Zürich statt, lange bevor das Frauenstimmrecht in der Schweiz durch eine eidgenössische Abstimmung am 7. Februar 1971 beschlossen wurde. In den Jahren 1956 bis
1969 fand die Einführung des vollen Frauenpfarramtes in den evangelisch-reformierten Landeskirchen der Schweiz statt.56 Die erste Pfarrerin einer appenzellischen Kirchgemeinde nahm ihre Tätigkeit 1972 in Wald auf.57 In den letzten Jahren ist die Zahl der Pfarrerinnen gegenüber jener der männlichen Kollegen stetig gestiegen.
Ausblick: Ab in die Zukunft
In den letzten Jahrzehnten gab es viele Veränderungen: Einige Entwicklungen zeugen von einer unbändigen Lebendigkeit, andere scheuchen auf und stellen existenzielle Fragen zur Zukunftstauglichkeit der evangelisch-reformierten Kirche, wie sie sich heute präsentiert. Im Hinblick auf die konstruktiven ökumenischen Beziehungen könnte die Frage gestellt werden, ob das Ziel der Reformation nicht schon erreicht und die Zeit gekommen ist, über ein konkreteres Zusammengehen der Landeskirchen nachzudenken. Wenn nicht, dann drängt sich die Frage auf, was das Reformiertsein in Zukunft kenn- und auszeichnen soll.
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