Название | Pfarrerinnen und Pfarrer der evangelisch-reformierten Landeskirche beider Appenzell |
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Автор произведения | Mark Hampton |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783858826695 |
Eine kürzlich veröffentlichte Nationalfonds-Studie zur «Religiosität der Christen in der Schweiz» zeigt, dass sich die Bevölkerung bezüglich ihres Verhältnisses zur Religion in vier Grundtypen unterteilen lässt: Die Distanzierten bilden mit 64 Prozent die grosse Mehrheit. Sie haben sehr wohl religiöse Vorstellungen und praktizieren diese auch gelegentlich. Religion spielt aber im Alltag der Distanzierten keine übergeordnete Rolle. Die zweitgrösste Gruppe bilden die Institutionellen mit 17 Prozent. Sie sind aktive Mitglieder ihrer Kirche und messen ihrem Glauben eine hohe Bedeutung in der Lebensgestaltung zu. Die Alternativen sind mit 9 Prozent in der Bevölkerung vertreten. Sie sprechen eher von Spiritualität als von Religion und fühlen sich besonders von esoterischen und holistischen Vorstellungen und Praktiken angesprochen. Die letzte Gruppe, die Säkularen, sind nicht religiös. Sie werden wiederum in zwei Gruppen unterteilt: die Indifferenten und die Religionsgegner. Zusammen bilden sie 10 Prozent der Bevölkerung.35
Nach Konfession und Geschlecht setzen sich die Religionsprofile wie folgt zusammen:
Eine grosse Mehrheit der Reformierten, Frauen wie Männer, pflegt demnach ein distanziertes Verhältnis zur Kirche. Gleichzeitig werden die Kasualien als der wichtigste Kontakt der (Volks-)Kirchen zu den Distanzierten, «nicht gemeinschaftsorientierten Mitgliedern»36 erlebt, denn die Kasualien bilden für viele Menschen einen wichtigen Meilenstein in der eigenen Biographie und werden als «unverzichtbare»37 Aufgaben der Kirche wahrgenommen. Die Inanspruchnahme dieser kirchlichen Handlungen stellt eine wichtige Schnittstelle dar. In einem Vergleich zwischen den letzten beiden Jahrzehnten ist auch hier eine rückläufige Tendenz bei den Reformierten des Appenzellerlandes festzustellen: Taufen (–27 %), Konfirmationen (–3 %), Hochzeiten (–34 %) sowie Bestattungen (–15 %).
Strategien und Massnahmen
Ein Blick in die neuere Geschichte zeigt, dass diverse Landeskirchen gegenüber den Veränderungen in der Glaubenslandschaft nicht passiv geblieben sind.38 Auch im Appenzellerland gab es Weichenstellungen, welche die Kirche für die Zukunft fit machen wollen. Ein Schwerpunkt war die Schaffung einer neuen Kirchenverfassung, die am 1. Januar 2001 in Kraft trat.39 Dabei stand eine Frage im Mittelpunkt: «Wie soll die Kirche von Morgen aussehen?»40
Eine Teilantwort auf diese Frage ist in der Präambel zu finden, die als Vision für die Zukunft dient. Die Landeskirche soll als Weggemeinschaft verstanden werden. Unter diesem Begriff «Weggemeinschaft» wird eine Vielzahl verschiedener Gemeinschaften, Gruppen, Gruppierungen, Organisationen und Zusammenkünfte verstanden, die es in den Ortsgemeinden und in der Landeskirche gibt. Der Sonntagsgottesdienst bildet eine Weggemeinschaft unter anderen gleichwertigen Gemeinschaften. Nach dieser Betrachtungsweise wird die Kirche von ihrer Basis, von den Gruppen her definiert, in denen das kirchliche Leben stattfindet.
Offenere Kirchgemeindegrenzen sind in diesem Zusammenhang die logische Folgerung. Kirchgemeinden sind primär Personengemeinden und können in unserer mobilen Gesellschaft nicht in geographischen Grenzen festgehalten werden. Entsprechend sollen einzelne Gemeindemitglieder die Möglichkeit haben, sich einer anderen Kirchgemeinde anzuschliessen. Mit der Einführung der freien Wahl der Kirchgemeinde in der neuen Kirchenverfassung wurde das Territorialprinzip aufgehoben.41 Seit dem Jahr 2002 haben 123 Mitglieder von der Möglichkeit eines Wechsels Gebrauch gemacht.
Ein weiteres Anliegen war die Schaffung von klareren (Macht-)Verhältnissen zwischen der Kirchenvorsteherschaft (KIVO) und den Pfarrpersonen. Wie es damals hiess: «Das Verhältnis zwischen KIVO und Pfarrerinnen oder Pfarrern soll unter Beachtung der Gewaltentrennung jenes eines Arbeitgebers und eines Arbeitnehmers sein.»42 Dieses Anliegen wurde im neuen Kirchengesetz berücksichtigt. Dabei wurde die KIVO deutlich gestärkt, aber auf Kosten des Mitspracherechtes der Kirchgemeinde. Die Kirchgemeinde bestimmt zwar – gemäss der heutigen Kirchenverfassung – die Anstellung der Pfarrpersonen, hingegen hat sie gemäss Kirchenordnung bei einer allfälligen Kündigung einer gewählten Pfarrperson keine Einflussmöglichkeiten mehr. Diese Sachlage ist nach demokratischem Verständnis zumindest als problematisch einzustufen.43
Mit einer Anstellung der Pfarrpersonen durch die KIVO mit einem Dienstvertrag, der beiderseitig kündbar ist, sollten unangenehme Entlassungsverfahren vermieden und eine Gleichstellung aller Angestellten erzielt werden. Die Einrichtung einer Ombudsstelle, um Differenzen zu bereinigen, sowie einer Rekurskommission, um gegen Entscheide verschiedener kirchlicher Gremien Rekurs einzulegen, sollte die Kirche befähigen, konfliktfähiger zu werden, um schliesslich auch versöhnungsfähiger zu sein. Dabei ist aber eine wichtige Errungenschaft und Eigenheit der reformierten Leitungskultur in den lokalen Gemeinden geopfert worden: die Kooperation zwischen Theologen und Nicht-Theologen, die völlig gleichberechtigt sind.44
Auf anderen Ebenen des kirchlichen Lebens ist die typisch presbyterianisch-synodale Kirchenstruktur noch intakt. Im fünfköpfigen Kirchenrat wirken zwei Pfarrpersonen mit. Und in der Synode sind die Theologinnen und Theologen nach wie vor gut vertreten. Gemäss Hirzel war die Synode 1990 durch folgende Berufsgattungen vertreten: «17 Pfarrer, 10 Hausfrauen, 9 Lehrer, 7 Beamte, 6 Vertreter technischer Berufe, 3 Kaufleute, 2 Handwerker, 2 Sekretärinnen, sowie je 1 Arzt, Buchhalter, Landwirt, Sozialarbeiter, Textilkaufmann und Wirt.»45 Heute setzt sich die Synode wie folgt zusammen: 12 Pfarrpersonen, 5 Ingenieure, 5 Kaufleute, 4 Hausfrauen, 4 Lehrpersonen, 4 Pflegefachfrauen, 2 Fachpersonen Religionsunterricht, 2 Heimleiter, 2 Sekretärinnen, sowie je 1 Atemtherapeutin, Bäuerin, Heilpädagogin, Hotelfachfrau, Kindergärtnerin, Messmerin, Supervisorin und je 1 Augenarzt, Detailshandelsangestellter, Finanzberater, Postbeamter, Sozialarbeiter und Qualitätsmanager.
Die Orientierung der appenzellischen Landeskirche an Modellen und Methoden des modernen Managements46 hat auch weitere Veränderungen mit sich gebracht. Auf der Homepage der Landeskirche47 ist eine Reihe wichtiger Unterlagen zum Herunterladen bereit, die zur Professionalisierung der Kirchgemeindeleitung beitragen sollen: Beispielsweise ist neben einem Dokument für die Bemessung von Pfarrstellen, einer Mustervorlage für Anstellungsverträge oder einem Formular für Mitarbeitergespräche auch das landeskirchliche Leitbild zu finden, welches Ende 2003 entstanden ist. Darin werden Vision, Auftrag und Werte der Landeskirche kurz und prägnant umschrieben. Seither sind da und dort einzelne Kirchgemeinden gefolgt. Sie haben eigene Leitbilder entworfen, in denen sie ihre eigene Identität und Ausrichtung verdeutlichen.
Der allgemeine gesellschaftliche Trend zur Professionalisierung ist auch in der appenzellischen Kirche angekommen. Es gibt eine Reihe von Fachstellen, die unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen. Speziell im Unterrichtswesen hat die Professionalisierung deutliche Spuren hinterlassen. Mit dem Lehrplan für den kirchlichen Unterricht aus dem Jahr 2006 wird lediglich ein Minimum an Religionsunterricht für Kinder festgelegt und den Kirchgemeinden vorgeschrieben. Offen ist, wie die Kirchgemeinden den Unterricht gestalten, ob konfessionell getrennt oder ökumenisch. In einzelnen Kirchgemeinden