Mia und die Schattenwölfe. Corina Sawatzky

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Название Mia und die Schattenwölfe
Автор произведения Corina Sawatzky
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991076933



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gerichtet. „Ich hätte dich warnen sollen. Das war Charlie, ein sehr ungezogener Stuhl. Er erlaubt sich immer wieder Scherze auf Kosten anderer. Wir haben ihn noch nicht allzu lange und er muss erst richtig erzogen werden. Setz dich einfach auf einen der anderen Stühle – die sind alle ganz folgsam.“

      Mia rieb sich ihren schmerzenden Po. Gleich darauf bemerkte sie, dass sich bereits einer der anderen Stühle hinter sie geschoben hatte und darauf zu warten schien, dass Mia sich auf ihm niederließ. Er erweckte den Eindruck, als wolle er das ungezogene Verhalten Charlies wiedergutmachen.

      Vorsichtig nahm Mia auf der Sitzfläche Platz. Erfreulicherweise erwartete sie keine neuerliche böse Überraschung. Der Stuhl blieb brav an Ort und Stelle stehen. Trotzdem war Mia weiterhin skeptisch – auf einem lebendigen Stuhl zu sitzen, war ihr nicht ganz geheuer. Sie wusste nicht, ob ihr die Fantasie einen Streich spielte oder nicht, jedenfalls kam es ihr vor, als spüre sie, wie das Möbelstück unter ihr langsam ein- und ausatme.

      Erleichtert stellte sie fest, dass wenigstens das Abendessen ganz normal zu sein schien. Es gab Brot, Wurst und Käse, wie auch bei ihren Eltern zu Hause, und Mia langte ordentlich zu.

      Während der Mahlzeit erzählte Sophie, die ein Internat außerhalb des Magischen Waldes besuchte, was sie im letzten Schuljahr alles erlebt hatte. Mia berichtete im Gegenzug von den Neuigkeiten bei sich und ihren Eltern.

      Auch wenn es eine lustige Runde war und Mia sich sehr wohlfühlte, bedauerte sie doch ein bisschen, dass Onkel Norbert, Sophies Vater, nicht dabei sein konnte. Ihn hatte sie nämlich auch schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.

      Doch auch zu dritt versprachen die kommenden sechs Wochen, eine äußerst aufregende Zeit zu werden.

      Heute war Mia allerdings von der langen Fahrt und den vielen neuen Eindrücken sehr müde. Deshalb verabschiedeten die beiden Mädchen sich bald nach dem Abendessen von Tante Anna und gingen zusammen nach oben. Nachdem sie sich die Zähne geputzt und umgezogen hatten, schlüpften sie in ihr gemeinsames Bett. Zufrieden kuschelte Mia sich neben Sophie in die Decke. Jetzt endlich traute sie sich, eine Frage zu stellen, die ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte: „Sag mal, Sophie, hast du eigentlich einen Besen, auf dem du fliegen kannst?“

      Sophie musste kichern. „Nein, leider nicht. Ich habe mir schon oft gewünscht, diese weit verbreitete Vorstellung würde stimmen. Aber das tut sie bedauerlicherweise nicht. Also muss ich meistens stinknormal zu Fuß gehen, so wie jeder andere auch.“

      Mia war ein wenig enttäuscht, weil sie insgeheim gehofft hatte, mit Sophie durch die Lüfte fliegen zu können. Das war schon immer ein großer Traum von ihr gewesen. Andererseits war sie sich aber sicher, dass sie andere, genauso schöne Dinge gemeinsam erleben würden.

      Dann fiel Mia noch etwas ein, über das sie schon nachgrübelte, seit sie realisiert hatte, was ihre Mutter gestern über magische Fähigkeiten gesagt hatte: „Kannst du eigentlich auch zaubern?“

      Sophie seufzte tief und antwortete dann: „Das weiß ich im Moment noch nicht und auch sonst niemand. Magische Fähigkeiten zeigen sich erst im Alter von etwa 16 Jahren. Es kann sein, dass sie sich bei mir entwickeln. Es kann aber genauso gut sein, dass ich niemals werde zaubern können. Übrigens ist es genauso gut möglich, dass du mit 16 entdeckst, magisch zu sein! Schließlich kommst du, genau wie ich, aus einer Familie, in der diese Eigenschaft veranlagt ist.“

      Sofort schlug Mias Herz schneller. Diese Aussicht war einfach zu schön, um wahr zu sein! Was würde sie dafür geben, später einmal zaubern zu können! Allein die bloße Vorstellung verzückte Mia.

      Während sie noch über magische Fähigkeiten, Feen, sprechende Bäume, schnüffelnde Türen und laufende Stühle nachdachte, fiel sie schließlich in einen tiefen Schlaf.

      Besuch bei Lindara

      Am nächsten Morgen erwachte Mia herrlich ausgeruht. Sie drehte sich zu ihrer Cousine um und sah, dass diese noch schlief. Es war zwar sehr gemütlich im Bett und Mia hätte sich gerne noch ein Weilchen in die Decke gekuschelt. Gleichzeitig musste sie aber unheimlich dringend auf die Toilette und so stand sie schließlich auf.

      Leise, um Sophie nicht zu wecken, schlich sie aus dem Zimmer hinaus und ging ins Bad.

      Dort angekommen, klappte sie den Klodeckel hoch und wollte sich gerade auf die Toilettenbrille setzen, als sie eine forsche, gurgelnde Stimme hörte, die laut sagte: „Endlich kommt jemand! Ich dachte schon, ich müsste elendiglich verdursten!“

      Erschrocken machte Mia einen Satz vorwärts. Fantasierte sie oder hatte eben wirklich die Toilette mit ihr gesprochen? Mia starrte das Klo an und war sich unschlüssig, was sie nun tun sollte.

      Da ertönte die Stimme erneut: „Na, was ist nun? Erst Hoffnung auf einen Morgentrunk machen und dann verschwinden, oder wie? Das haben wir gern! Mach schon – setz dich endlich und stille meinen Durst!“

      Mia blieb wie angewurzelt stehen. War denn jeder Gegenstand in diesem Haus lebendig? Konnte man noch nicht einmal in Ruhe auf die Toilette gehen? Sie konnte doch nicht Pipi in ein sprechendes Klo machen! Wer weiß, was passieren würde, wenn sie sich darauf setzte! Am Ende biss die Toilette, verschluckte Mia oder dergleichen.

      „Sag mal, willst du Wurzeln schlagen, oder was? Hast du noch nie eine Toilette gesehen oder was ist los mit dir?“

      Langsam wurde das Klo richtig sauer.

      Mia gab sich einen Ruck – schließlich musste sie wirklich dringend ihre Blase entleeren. Sie zog die Hose herunter und setzte sich zögernd auf die Toilettenbrille. Dann ließ sie ihrem Drang freien Lauf. Ein zweistimmiges erleichtertes Seufzen war zu hören – eins von Mia, bei der endlich der furchtbare Druck auf die Blase nachließ, und eins von der Toilette, die schließlich doch etwas zu trinken bekam. Ein zufriedenes Schlürfen und gieriges Schlucken ertönten, dann sagte das Klo mit versöhnlicher Stimme: „Na also, geht doch!“

      Mia blieb keinen Augenblick länger sitzen als unbedingt nötig. Ihr war das alles immer noch ziemlich suspekt und so stand sie schnell wieder auf, als sie fertig war. Erleichtert, dass nichts weiter passiert war, drehte Mia sich um und wollte auf die Spülung drücken. Aber sie suchte vergebens nach dem dafür vorgesehenen Knopf. Dann fiel ihr ein, dass es sowieso keinen Sinn machen würde, etwas wegspülen zu wollen, das schon getrunken worden war. Also wusch sie sich die Hände – das Waschbecken funktionierte zu ihrer Erleichterung komplikationslos und sprach sie auch nicht an – und ging zurück ins Schlafzimmer.

      Sophie war in der Zwischenzeit ebenfalls aufgewacht und erwartete Mia mit einem breiten Schmunzeln.

      „Du hast wohl eben Bekanntschaft mit unserer überaus höflichen Toilette gemacht, hm? Ich habe ihre Stimme bis hierher gehört!“

      Im Nachhinein konnte auch Mia sich über die Szene im Badezimmer amüsieren und grinste fröhlich zurück. „Was macht sie nur, wenn ihr ein paar Tage nicht hier seid?“, fragte sie ihre Cousine.

      „Och, dann stellen wir einen Eimer Wasser mit einem langen Strohhalm darin für sie bereit“, antwortete Sophie.

      Während die Mädchen so plauderten, zogen sie sich rasch an und gingen anschließend hinunter in die Küche.

      Tante Anna bereitete gerade das Frühstück vor und begrüßte die beiden gut gelaunt. „Guten Morgen, ihr zwei Hübschen! Habt ihr gut geschlafen?“

      „Wie ein Murmeltier“, antworteten Mia und Sophie wie aus einem Munde.

      „Das freut mich“, meinte Tante Anna. „Und jetzt seid ihr bestimmt hungrig. Ich dachte, bei diesem herrlichen Wetter können wir draußen im Garten frühstücken.“

      Sie zeigte auf die Stühle und den Tisch, der bereits gedeckt war, und sagte an diese gewandt: „In den Garten, bitte.“

      Sofort setzten sich die angesprochenen Gegenstände in Bewegung und trippelten auf die Terrassentür zu.

      Dieses Mal wunderte Mia sich schon gar nicht mehr und folgte Sophie, Tante Anna und den Möbelstücken hinaus in den Garten.

      Der