Einführung in die Psychomotorik. Klaus Fischer

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Название Einführung in die Psychomotorik
Автор произведения Klaus Fischer
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783846348024



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Entwicklung einer verbindlichen Minimalqualifikation in der Psychomotorik

      ■ Fachglossar der Psychomotorik

      ■ Liste von Fachschulen mit einer Grundausbildung sowie von Hochschulen mit einer Masterqualifikation in Psychomotorik

      Kommission Berufe:

      ■ Internetauftritt aller EFP-Mitgliedsländer mit Auflistung der jeweiligen Aus-, Fort- und Weiterbildungssituation sowie der gesetzlichen Anerkennung der Berufssituation:

      ■ Kompetenzprofil für Fachleute in Wissenschaft und Praxis (2017)

      Kommission Wissenschaft und Forschung:

      ■ Leitlinien für Themenfindung und Projektorganisation der EFP-Forschungsstrategien

      ■ Taxonomien des Forschungs- und Anwendungsfeldes

      ■ Listen mit Zeitschriften und ausgewählten Publikationen in der Psychomotorik

      ■ Methodologische Zugänge der Erforschung von Wirkfaktoren in der Psychomotorik

      Kongresse

      Seit 1996 findet in der Regel alle vier Jahre ein großer internationaler Kongress statt (s. nachstehende Auflistung). Darüber hinaus findet seit 1998 jedes Jahr turnusmäßig in den Mitgliedsländern eine dreitägige Studentenakademie statt, auf der neben kulturellen Angeboten der fachliche Austausch der Studierenden der Psychomotorik in Workshops, Fachseminaren und Hospitationen erfolgt.

      Internationale Psychomotorikkongresse:

      ■ 19.–21.9.1996 in Marburg (D):

      Thema: Psychomotorik in der Entwicklung

      ■ 19.–21.5.2000 in Strassburg (F): Thema: Psychomotorik im Wandel der Gesellschaft auf der Schwelle in das 3. Jahrtausend

      ■ 31.3.–2.4.2004 in Lissabon (P): Thema: Psychomotorische Identität – Besonderheit und Verschiedenartigkeit:

      ■ 21.–23.5.2008 in Amsterdam (NL): Thema: Crossing Borders

      ■ 9.–11.5.2013 in Barcelona (SP): Thema: Different Faces in Psychomotricity

      ■ 5.–7.5.2016 in Luzern (CH): Thema: Movement and Lifelong Development

      Inhaltlich hat sich die Psychomotorik in den Ländern Europas relativ eigenständig entwickelt. In Erweiterung früherer Auflagen der Einführung in die Psychomotorik werden die landesspezifischen Quellen der psychomotorischen Fachdiskussion hier differenzierter rezipiert, nicht zuletzt um historische und vergleichende Bearbeitungen und Forschungen in zukünftigen Bachelor- und Masterarbeiten anzuregen.

      Dänemark

      Dänemark hat im europäischen Vergleich die längste Tradition. Schon in den 1940er-Jahren gründen Gerda Alexander und Morrussia Bergh die ersten Ausbildungsinstitute zum „Entspannungspädagogen“, dessen berufliche Qualifikation im Spannungsfeld zwischen Kunst, Ballet,Rhythmik, Theater und der Gesundheitspädagogik angesiedelt ist. Die seit 1978 existierende Berufsvereinigung entwickelt eine dreijährige Ausbildung an sieben Ausbildungsstätten und erreicht eine staatliche Anerkennung des Berufsbildes durch konzeptionelle Abgrenzung und Absprache mit dem Berufsbild der Physiotherapeuten. Im Jahre 2002 kann der Berufsverband mit dem Erziehungsministerium das Curriculum für eine akademische BA-Ausbildung von dreieinhalb Jahren (210 ECTS) vereinbaren, die seither an den Universitäts-Colleges von Kopenhagen und Randers angeboten wird. Die dänische Psychomotorik untersucht die Beziehung von muskulärem Tonus und der Psyche (Persönlichkeit) des Menschen. Als Teil der Gesundheitslehre beschäftigt sie sich mit der Bewegungsqualität insbesondere über die Entspannungsfähigkeit des Klienten. Schwerpunkte liegen sowohl in der Praxis als auch der Beratungstätigkeit. Es werden Fragen gestellt, gemeinsam Entscheidungen, Antworten und Lösungen gesucht und die passenden Realisierungsmöglichkeiten erörtert. Im Vordergrund steht das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe im Kontext der Gruppe und der Familienarbeit. Hat die klassische Arbeit sich stärker auf Erwachsene konzentriert,erreicht heute die Arbeit mit Kindern zwischen sechs und zehn Jahren annähernd den gleichen Anteil. Bei den Erwachsenen konzentriert sich die Arbeit auf Stress- und Beziehungsthematiken mit den damit verbundenen Haltungsproblemen und Körperspannungen; entsprechend verfügt die Psychomotorikerin über ein reichhaltiges Repertoire an Entspannungsmethoden (Frimodt 2003; Akasha 2004).

      Finnland und Schweden

      Die beiden anderen skandinavischen Länder haben erst in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts eigene Psychomotorikorganisationen gegründet (Finnland 1994 und Schweden 1996). Seit den 1970er-Jahren bestehen intensive Fortbildungskontakte zu Personen und Einrichtungen vor allem in Deutschland; in der Folge werden psychomotorische Inhalte in zahlreiche Ausbildungsgänge der vor-, grund- und sonderschulischen Lehrerbildung und der Physiotherapie integriert(z.B. an den Universitäten Helsinki und Jyväskylä). Seit der Gründung des Europäischen Forums gehen Schweden und Finnland verstärkt eigene Wege. In Schweden weisen die Universität Växjö, das Falun College und das Karolinska Institut (Stockholm) psychomotorische Teilcurricula für ihre Lehrer- bzw. Physiotherapeutenausbildungen aus.

      Frankreich

      Die weitestgehende Anerkennung im gesellschaftlich-staatlichen Sinne hat die Psychomotorik in Frankreich mit einer Tradition von mehr als einem halben Jahrhundert. Durch die Arbeiten des Psychiaters de Ajuriaguerra und der Beschäftigungstherapeutin Soubiran etabliert sich die psychomotorische Arbeit zuerst im klinischen Bereich mit eher funktionellen Methoden, die im Laufe der Zeit zu einer ganzheitlichen Methode der Körperarbeit mit Unterstützung von Entspannungstechniken weiterentwickelt werden. Heute existieren in Frankreich elf staatlich anerkannte Ausbildungsinstitute zum „Psychmotricien“ verteilt über ganz Frankreich. Das Berufsbild des Psychomotorikers (BA und MA) ist gesetzlich geschützt. Parallel dazu hat sich eine erzieherische Strömung der Psychomotorik im Kindergarten und im Grundschulbereich etabliert.

      Das Feld der Psychomotorik in Frankreich speist sich aus mehreren Disziplinen: Kinderpsychiatrie, Neurologie, Sportpädagogik, Psychologie. Beeinflusst wurde sie von unterschiedlichen Entwicklungstheorien (Wallon, Piaget), Entspannungstechniken (Schultz, Jacobson), die Leibeserziehung (Demeny, Hebert etc.) und von der rhythmischen und gestuellen Erziehung (Duncan, Popard, Dalcroze) (Guillarmé 1990).Trotz verschiedener Einflussquellen verfolgen die verschiedenen Konzepte ein gemeinsames Ziel: die Erziehung des Menschen durch seinen Körper (Eggert 1994/2008). Heute existieren im Wesentlichen vier Ansätze: der kinderpsychiatrische, der psychopädagogische, der sportpädagogische und der tiefenpsychologische Ansatz (Übersicht nach Bathke 2007).

      Der kinderpsychiatrische Ansatz nach Ajuriaguerra

      Die Kinderpsychiatrie beschäftigte sich schon in den 1950er- und 1960er-Jahren mit den Zusammenhängen von Verhaltensstörungen,Schulschwierigkeiten und Störungen der psychomotorischen Entwicklung. Der Neuropsychiater Ajuriaguerra interessierte sich für die Zusammenhänge von Störungen der Psychomotorik und der Sprache und erforschte das Fundament des Körpers für die Entwicklung des Kindes.Das Kind entwickelt zunächst über die motorische Funktion eine Vorstellung seines Körpers und der Körperteile; in der Folge entsteht ein innerer Plan seines Körperaufbaus und letztlich werden die erworbenen Körperbewegungen automatisiert. Eine besondere Rolle für Ajuriaguerra spielen die „tonischen und motorischen Funktionen in der Aktivität und der Organisation von Beziehungen“ (Heintz 1983, 105). Diese ermöglichen eine aktive Kontaktaufnahme zur Umwelt, so wird der Körper zum Kommunikationsmittel. Ihre ersten Erfahrungen machen Kinder durch ihren Körper und ihre Handlungen. Eine psychomotorische Störung tritt nach Ajuriaguerra nicht isoliert auf, sondern hängt mit weiteren Problemen des Kindes zusammen. Deswegen richtet sich seine Therapie auf die Gesamtpersönlichkeit des Patienten und vermeidet eine reine symptomorientierte Vorgehensweise. Das Ziel der Therapie richtet sich auf die indirekte Behebung der Störungssymptome und die Kontrolle des Tonus. Grundlegend für Ajuriaguerra ist die Sichtweise der „tonisch-affektiven Dialektik“, das Verständnis, dass „jede Gemütsbewegung auch eine tonische Veränderung zur Folge“ hat (Heintz 1983, 248). Mittel der Intervention sind für Ajuriaguerra vor allem Entspannungsmethoden. Interessant sind hier Parallelen zur deutschen Psychomotorik. Diese liegen im ganzheitlichen Zugang zum Kind mit einer Betonung der Bedeutung des Körpers.