Название | Soziale Netzwerke |
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Автор произведения | Jan Arendt Fuhse |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846345634 |
So stimmen nicht immer die beiden Beteiligten in ihren Angaben darüber überein, ob sie eine Freundschaft haben. Wie wir im nächsten Abschnitt sehen, werden fast 40 Prozent der angegebenen Freundschaften nicht erwidert. Freundschaften stellen wir uns aber prinzipiell als beidseitig vor. Wie[52] können wir die vielen einseitigen Freundschaftswahlen interpretieren und in den Analysen behandeln? Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, alle mit Vor- und Nachteilen:
(1) | Wir können hinter einseitigen Freundschaften unterschiedliche Verständnisse von Freundschaft und unterschiedliche Einschätzungen der Beziehung vermuten. Dann wäre der logische Schritt, Freundschaften zu symmetrisieren. Dafür können wir entweder nur erwiderte Freundschaften zählen (und einseitige Nennungen entfernen). Oder wir behandeln jede Beziehung, in der einer der beiden Akteure eine Freundschaft sieht, als Freundschaft. Im ersten Fall unterschätzen wir die Anzahl der Freundschaften tendenziell, im zweiten Fall überschätzen wir sie eher. |
Eine solche Symmetrisierung können wir unter UCINET durchführen mit:
UCINET: Transform ➔ Symmetrize [Symmetrizing Method/Maximize oder Minimize]
[Maximize] zählt einseitige Freundschaften als wechselseitig, [Minimize] eliminiert sie.
(2) | Wir können ie dann kurz in Zusametrische, aber schwächere Form der Freundschaft interpretieren, also als eine andere Art der Beziehung (Friedkin 1980: 413). |
(3) | Oder wir behandeln einseitige Freundschaften als asymmetrische Beziehungen und sehen dahinter unterschiedliche Dispositionen für die Freundschaft: Der eine Akteur wäre gerne befreundet, der andere nicht. Damit werden aber die Antworten der Beteiligten erheblich uminterpretiert. Denn der erste Akteur gibt ja an, in einer symmetrischen Beziehung (Freundschaft) zum anderen zu stehen – und nicht, dass er gerne mit ihm befreundet wäre. |
Weiterhin müssen wir nicht nur bei der Messung, sondern auch bei den Analyseverfahren auf die Bedeutung der untersuchten Sozialbeziehungen achten. Nehmen wir an, ein Akteur ist sehr freimütig und gibt sehr viel mehr Freunde an als andere.7 Dann sorgt dieses Antwortverhalten bei einer Reihe [53] von Auswertungsmethoden dafür, dass dieser Akteur als wichtiger im Netzwerk erscheint als bei einem weniger großzügigen Antwortverhalten.
Außerdem sind Analyseverfahren je nach Art der Sozialbeziehung unterschiedlich sinnvoll. Viele Verfahren zielen etwa auf längere ➔Pfade im Netzwerk ab – in wie vielen Schritten kommt man von einem Akteur zu einem anderen (siehe 4.1)? Dies erscheint etwa bei der Ratsuche sinnvoll. Denn über Ratsuche können Informationen über mehrere Schritte wandern.
Im Freundschaftsnetzwerk sieht das etwas anders aus: Etwa zu einer Geburtstagsfeier werden üblicherweise die direkten Freundinnen und Freunden eingeladen. Wer zwei oder drei Freundschaftsschritte entfernt ist, bleibt außen vor. Insofern sind längere Pfade im Ratsuchenetzwerk vermutlich aussagekräftiger als im Freundschaftsnetzwerk.
Wir können sowohl die Ratsuche als auch die Freundschaften als Indikatoren für informale Kommunikation im Unternehmen interpretieren. Dabei werden durchaus unterschiedliche Aspekte kommuniziert:
Bei der Ratsuche geht es um Informationen.
Innerhalb von Freundschaften werden auch Informationen kommuniziert. Vor allem aber tauschen sich Freunde über Bewertungen aus: Wie fanden sie das Verhalten des Chefs? Wie stehen sie zu den Präsidentschaftsbewerbern? Bewertungen wandern nicht einfach und schnell über mehrere Schritte – auch wenn sich Freunde direkt beeinflussen.
Krackhardts Studie analysiert unter anderem einen Konflikt, in dem sich die Mitarbeiter für oder gegen eine mögliche gewerkschaftliche Organisation entscheiden mussten (1992: 225ff; siehe 4.2). Hierfür sind weniger Informationen relevant als Bewertungen, und deswegen zeigte sich das Freundschaftsnetzwerk als wichtiger für den Ausgang des Konflikts.
Allgemein lässt sich an dieser Stelle als Ratschlag formulieren: Sozialbeziehungen sollten möglichst genau mit Blick auf die Fragestellung und auf die dahinter liegende Theorie, sowie vor dem Hintergrund einer guten Kenntnis des Feldes erhoben werden. Insbesondere sollte man schwammige Begriffe wie »Freund« möglichst vermeiden, weil alle etwas (leicht) anderes darunter verstehen.
Optimal sind deswegen non-reaktive Verfahren der Beziehungsmessung (s. o.). Sind solche non-reaktiven Messungen nicht möglich, sollte man die Akteure eher nach vergangenem Verhalten befragen als nach schwammigen Begriffen (»Freundschaft«) oder nach hypothetischen Situationen (»Wen würden Sie um Rat fragen?«). Zudem sollten wir bei der Auswertung stärker auf robuste Verfahren setzen, die weniger auf die Positionierung einzelner Akteure (siehe Kapitel 4) und mehr auf die Rekonstruktion systematische Beziehungsmuster[54] zielen (Kapitel 5 und 6). Diese systematischen Beziehungsmuster dürften relativ unsensibel für das Antwortverhalten einzelner Akteure sein.
3.4 Dichte und Reziprozität
Als einfachste Maße können wir für ein Netzwerk dessen Dichte und die Reziprozität der Beziehungen bestimmen.
(a) Dichte
Die Dichte wird berechnet als Anteil der bestehenden an den möglichen Beziehungen, oder auch als Anteil der Einsen in der ➔Matrix eines Netzwerks an der Gesamtzahl der Zellen.
Definition: Die Dichte eines Netzwerks steht für den Anteil der realisierten von den insgesamt möglichen Beziehungen.
Die Beziehungen von Akteuren zu sich selbst, also die Diagonale, werden dabei meist ignoriert. Die Anzahl der möglichen Beziehungen berechnet sich aus:
Anzahl möglicher Beziehungen = Anzahl der Akteure x (Anzahl der Akteure – 1)
Von jedem Akteur kann eine gerichtete Beziehung zu jedem anderen Akteur laufen. Bei Silicon Systems gab es 36 Mitarbeiter, also konnten diese 36 x 35 = 1260 Mal eine Freundschaft oder eine Ratgeberin nennen. Sowohl bei der Ratsuche wie auch bei den Freundschaften wurden jeweils 147 Beziehungen genannt. Die Dichte des Freundschafts- wie auch des Ratsuchenetzwerks beträgt also jeweils 147/1260 = 0,117, also zwischen einem Neuntel und einem Achtel. Das lässt sich auch schnell in UCINET berechnen:
UCINET: Network ➔ Cohesion ➔ Density ➔ Density Overall
Dabei sollte man keinen Haken bei [Utilize Diagonal] setzen. Sonst werden die Selbstbeziehungen als mögliche Beziehungen mitberechnet, was hier nicht sinnvoll ist.
Ist eine Dichte von 0,117 viel oder wenig? Das lässt sich nicht ohne weiteres sagen. Die Dichte eines Netzwerks hängt sehr stark von dessen Größe, von der Art der Beziehung und von deren Messung ab:
[55](1) | Wenn Silicon Systems deutlich kleiner wäre, läge der Anteil von Freundschaften vermutlich höher. |
(2) | Wenn Krackhardt gefragt hätte, mit wem die Mitarbeiter in den letzten zwei Wochen freie Zeit verbracht haben (auch das eine mögliche Messung von Freundschaft), wäre die Dichte vermutlich gesunken. |
(3) | Durch eine Symmetrisierung sinkt die Dichte, wenn man nicht erwiderte Nennungen eliminiert; oder sie steigt, wenn man einseitige Nennungen als Indikatoren für eine Beziehung sieht. |
Am ehesten lassen sich Dichtemessungen für verschiedene Beziehungen innerhalb eines Netzwerks vergleichen (hier die Ratsuche