Handbuch E-Learning. Patricia Arnold

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Название Handbuch E-Learning
Автор произведения Patricia Arnold
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783846349656



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und teilen Informationen. Statt des einzelnen Konsumenten von Informationen im Internet entwickeln sich soziale Netzwerke, die über beliebige Themen und Interessen kommunizieren. Der Internetnutzer wird vom Konsumenten auch zum Produzenten, kurz gesagt zum Prosumenten.

      Pädagogische Implikationen

      In der Gestaltung der pädagogischen Infrastruktur im Internet findet ebenfalls ein Rollenwechsel statt. Nicht nur können Lernende immer wieder Neues von anderen Nutzern lernen, vielmehr können die aktiv und produktiv Lernenden auch zu Lehrenden werden. Die Einbindung von Web-2.0-Anwendungen lässt die Lernenden zu Gestaltern von Inhalten werden. Natürlich bedeutet das nicht, dass diese Inhalte didaktisch professionell aufbereitet sein müssen. Die Kompetenzen über die didaktische Aufbereitung von Lerngegenständen oder die Gestaltung einer pädagogischen Infrastruktur für gelungenes Lernen müssen vor allem und auch weiterhin Pädagogen besitzen. Jedoch werden Lernende durch die Eigenproduktion von Inhalten aus der passiven Konsumentenrolle geholt, was große Vorteile für einen handlungs- und kompetenzorientierten Lehr- und Lernprozess hat (Kilian 2017). Darüber hinaus gewinnen die generierten Inhalte durch die kollektive Zusammenarbeit in der Regel eine hohe Qualität (Giles 2005), die von einer Einzelperson in dieser Form selten erbracht werden kann.

      Diesem durch die Web-2.0-Entwicklungen ausgelösten Paradigmenwechsel in den pädagogischen Verhältnissen muss im E-Learning Rechnung getragen werden. Es bedarf bei der Gestaltung moderner E-Learning-Szenarien der Berücksichtigung der geänderten Nutzergewohnheiten beim Umgang mit Online-Bildungsressourcen. Insbesondere die Lernplattform als technische Infrastruktur muss für diese neuen Anforderungen gerüstet sein. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nun auch alle Lernenden diese neuen Formen des Interagierens bevorzugen. Lerngewohnheiten können nur langsam um die neuen Möglichkeiten ergänzt werden, die gewohnten und bewährten Muster von Lernhandlungen und Lernbiografien müssen berücksichtigt werden. Jedoch bieten sich bei den neuen Formen digitaler Kommunikation und Kooperation Möglichkeiten, den lange geforderten Lernkulturwandel (Arnold/Schüssler 1998) zu verwirklichen. Dieser drückt sich u. a. darin aus, dass Lernende die Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen, der Lehrende sich hingegen eher als Begleiter oder Ermöglicher von Lernen sieht, der den Lernenden bei Fragen und mit Anregungen und Hilfen zur Seite steht.

      Neue Input-, Prozess- und Outcome-Qualitäten durch Web 2.0

      Interessant ist, dass durch die aktive Einbeziehung der Lernenden in die Lehr- und Lernprozesse sowohl die Qualität der Prozesse selbst als auch der Inhalte (Input) und der Ergebnisse (Learning Outcome) gesteigert werden kann. Dabei liegt es auf der Hand, dass die Lernenden einen Kurs durch ihre aktive Mitarbeit – allein oder in Gruppen – in der Prozessqualität steigern. Und bei den Inhalten kann festgestellt werden, dass Lernende als ernst genommene Partner im Lehr-Lern-Prozess mit hohem Engagement versuchen, die Qualität eines Bildungsangebots zu stützen, wie Praxiserfahrungen (Kilian 2010) und Forschungsergebnisse (Giesecke/Stahl/Früh 2010) zeigen. Dies kann durch komplexe Anforderungen wie die Gestaltung von Podcasts oder Wikis unterstützt werden oder auch durch niederschwellige Einbindung und Verwendung leicht zu bedienender Werkzeuge (z. B. Social Book­marks, Social Tags oder Blogs), die es den Einzelnen ermöglichen, ihre Ergebnisse mit anderen zu teilen und zu besprechen. Hervorzuheben ist weiterhin die Möglichkeit, die Qualität des Outcomes zu steigern. So können Bewertungssysteme, wie sie im Internet häufig Anwendung finden, auf Kurse übertragen werden. Bereits jetzt bieten Lernplattformen Bewertungssysteme für Diskussionsbeiträge oder Lernmaterialien an, die von Nutzern für Nutzer generiert werden. Auch die Prüfungsformen wandeln sich in einem solchen Szenario. Wechselseitige Beurteilungen stellen bspw. eine Möglichkeit dar, Ergebnisse ressourcenschonend und lerner- sowie kompetenzorientiert zu bewerten (Kap. 7). Andere Formen wie elektronische Lerntage­bücher, die Aufzeichnung und Analyse von Lernprozessen in der Lernplattform (User-Tracking, Learning Analytics) oder E-Portfolios finden bereits in der Praxis Anwendung und gehen meist über die Anerkennung und Bewertung der angeeigneten Inhalte eines Kurses hinaus (zu allen Aspekten der Nutzung von Web-2.0-Anwendungen im E-Learning siehe Kap. 5.4; Kap. 6; Kap. 7).

      3.5 Infrastruktur für E-Learning

      Die Fülle didaktischer, organisatorischer und technischer Anforderungen macht die Entwicklung und den Aufbau komplexer Systeme und einer umfassenden Infrastruktur für das Lehren und Lernen im E-Learning notwendig.

      Gestaltung einer Lernumgebung

      Solange nur einzelne Lehrende virtuelle Lernangebote bei einem Bildungsanbieter planen und selbst durchführen, ist es relativ leicht möglich, eine Kursumgebung für die Zwecke der eigenen Veranstaltung zu entwickeln (Reinmann-Rothmeier 2003). Eine Kursumgebung kann auf der Basis allgemein verfügbarer Internettechnologien und mit Standardwerkzeugen (Internetseiten, E-Mail und Clouddienste, Blogs etc.) zusammengestellt werden; auch lassen sich Groupware-Plattformen integrieren, oder als virtueller Bildungsraum nutzen (Arnold 2001; Arnold/Putz 2000). Mittlerweile ist das Angebot an Inhalten sowie Werkzeugen im Internet so groß, dass es sich empfiehlt, diese Ressourcen auf ihre inhaltliche und didaktische Eignung für das Bildungsangebot zu prüfen und – unter Beachtung der Urheber- und Nutzungsrechte (Kap. 11.2) – ggf. auf diese zurückzugreifen. Dies gilt insbesondere für verfügbare Open Educational Resources (OER; Kap. 5.5; Kap. 2.1; Kap. 2.5.2) auf der Inhaltsseite und für Freeware (freie Software) auf der Instrumentenseite.

      Sobald jedoch von einer Bildungseinrichtung viele virtuelle Veranstaltungen angeboten werden, ist es sinnvoll, über die Gestaltung und Nutzung der erforderlichen virtuellen Bildungsräume resp. der Lernplattform gemeinsame Abstimmungen zu treffen. Der Einsatz einer einheitlichen Lernumgebung erscheint allein schon deshalb notwendig, da durch die Nutzung einer gemeinsamen Lernplattform die Lernenden entlastet werden und sich nicht jedes Mal in einer neuen Kursumgebung zurechtfinden müssen. Für die Lehrenden, Kursentwickler und Tutoren kann dies zunächst mehr Arbeit, Abstimmung oder auch Einschränkung der eigenen Präferenzen bedeuten. Allerdings stellen Lernplattformen und ihre Einbindung in den virtuellen Bildungsraum den Rahmen für E-Learning zur Verfügung, der nach Auswahl und Implementation nicht stets aufs Neue definiert werden muss, wodurch auch aufseiten der Lehrenden, Kursentwickler und Tutoren mit einer Entlastung zu rechnen ist.

      3.5.1 Lernplattformen

      Wie eingangs dargestellt, wird der Begriff Lernplattform hier für die informations- und kommunikationstechnische Basis bzw. für die Software verwendet, die entwickelt wurde, um Lehr- und Lernprozesse im E-Learning zu unterstützen und auch Lernmaterialien und Nutzerdaten zu verwalten. Hier gibt es eine Vielzahl von Entwicklungen (Baumgartner u. a. 2004; Schulmeister 2005a) sowohl von kom­merziellen Anbietern als auch auf der Basis von Open Source Software. Die in den Katalogen aufgeführten Kriterien (ebd.) sind eine hilfreiche Grundlage für die Entscheidung, welche Funktionalitäten eine Lernplattform besitzen soll.

      Content Management Systeme

      Content Management Systeme (CMS) waren „ursprünglich für die Organisation und das Management von Inhalten konzipiert“ (Baumgartner/Häfele/Maier-Häfele 2002, 34). Inzwischen haben sie sich „zu komplexen Redaktionssystemen entwickelt, die sowohl die Abläufe eines kooperativen webbasierten Arbeitsprozesses koordinieren als auch bei der Online-Erstellung der Inhalte […] helfen“ (ebd.). CMS können zum Erstellen, Verwalten, Recherchieren und Wiederverwenden von digitalen Inhalten genutzt werden und vereinfachen dem Anwender den Umgang mit diesen. Sie sind durch drei Merkmale gekennzeichnet (ebd., 34 f.):


1. die Trennung von Layout und Inhalt (das Layout von Online-Inhalten wird automatisch vom CMS erstellt),
2. das Komponenten-Management (Inhalte werden mit Metadaten in einer Datenbank abgelegt und bei Bedarf wieder abgerufen und zu neuen Inhalten zusammengesetzt, siehe Kap. 10),
3. das Workflow-Management (Steuerung der Arbeitsabläufe).