Handbuch E-Learning. Patricia Arnold

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Название Handbuch E-Learning
Автор произведения Patricia Arnold
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783846349656



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der Nutzung von Cloud-Systemen zu beachten gilt:

1. Werden öffentliche Cloud-Anbieter im Sinne der Web-2.0-Technologien genutzt, entstehen für größere Datenspeichervolumen oder andere Premiumdienste oft zusätzliche Kosten, die im gesamten Bildungsangebot und dem didaktischen Konzept berücksichtigt werden müssen.
2. Zudem liegen die Daten, multimedialen Lernressourcen und Texte, erstellt von den Lehrenden, Fachexperten und Lernenden, auf fremden Servern außerhalb der eigenen Bildungsinstitution und häufig auch außerhalb der eigenen Ländergrenzen. Urheberrechtlich geschützte Texte, die geschlossenen Lerngruppen in virtuellen Lernräumen legal in Auszügen zur Verfügung gestellt werden können (siehe Kap. 11.2), können in öffentlich genutzten Cloud-Systemen nicht ohne Weiteres genutzt werden. Auch der Schutz personenbezogener Daten ist nicht im gleichen Maße gegeben bzw. zu regulieren, wie in einem Learning Management System, das auf eigenen Servern installiert ist (Kap. 3.7).

      Mit der Verbreitung von Cloud-Systemen variieren auch die Nutzungs­szenarien von virtuellen Bildungsräumen: Zum Teil werden Cloud-Systeme als Alternative zu herkömmlichen, von der Bildungsinstitution bereitgestellten virtuellen Bildungsräumen genutzt (Kemsies/Strasser 2014), zum Teil werden Learning Management Systeme selbst in der Cloud bereitgestellt, oder ein klassisches Learning Management System wird mit Schnittstellen zu Datenspeichern in der Cloud versehen (Rachbauer 2014b). Häufig nutzen Lernende wie Lehrende Cloud-Anwendungen auch bereits innerhalb einer eigenen Lern- und Arbeitsumgebung im Sinne einer Persönlichen Lernumgebung (Kap. 3.5.2), z. B. für den Austausch großer Dateien oder das Zusammenarbeiten an Texten oder Präsentationen ortsverteilt in Echtzeit (Kemsies/Strasser 2014). Bildungsinstitutionen reagieren auf diese Entwicklung u. a., in dem sie ihren Angehörigen eigene, interne Cloud-Systeme (z. B. WebDAV, Web-based Distributed Authoring and Versioning) zur Verfügung stellen. Mit Letzteren entfallen die genannten Nachteile, weil alle Daten wieder im Hoheitsbereich der eigenen Einrichtung liegen; oftmals sind diese Anwendungen aber nicht so benutzerfreundlich, leistungsfähig und plattformunabhängig wie die frei verfügbaren Web-2.0-Cloud-Anwendungen oder die Clouds kommerzieller Anbieter, die auf Cloud-Systeme spezialisiert sind. Wieder andere Nutzungsszenarien sind communityorientierte Massive Open Online Courses (cMOOCs) (Kap. 4.3.3; Kap. 5.5), die das gesamte Kursgeschehen für alle zugänglich in die Cloud verlagern (Pscheida u. a. 2014).

      Ähnliche Funktionen der angebotenen Komplettlösungen

      Jede der am Markt angebotenen Komplettlösungen für Lernplattformen weist spezifische Funktionalitäten zur Unterstützung der erläuterten Aktivitätsklassen der Lernenden auf. Jedoch verfügen fast alle Lernplattformen inzwischen über folgende Komponenten (Arnold 2001, 38, in Anlehnung an Britain/Liber 1999):

Ankündigungen/AktuellesKursbeschreibungE-Mail-BereichDiskussionsgruppenTeilnehmerverzeichnisMetadatenTerminverwaltungAufgabenbereich Werkzeuge für synchrone Zusammen­arbeitMultimediale RessourcenStudentischer ArbeitsbereichSuchmöglichkeitenLesezeichen setzenNavigationsmodellAnnotationenLernkontrollen

      Lernplattformen als Bildungsräume

      Die virtuelle Welt außerhalb der Lernplattform ist für Lernende und Lehrende nur einen Mausklick entfernt. Sie ist durch das Internet selbst als Darstellungsraum (der Inhalte präsentiert), Ereignisraum (in dem Interaktionen stattfinden und Zugänge zu Daten und Informationen geboten werden) und Bedeutungsraum (in dem die Informationen durch Kommunikation Bedeutung erhalten) gegeben, bietet Chancen und Potenziale für das E-Learning und ist damit auch Teil des Bildungsraums (Schulmeister 2007, 19). Die virtuelle Welt des Internets sollte daher durch Verweise, Aufgaben, Recherchen, Einbindung externer (Experten-)Meinungen usw. unbedingt in die Gestaltung der Lehr- und Lernszenarien einbezogen werden.

      Zugleich ist bei der Gestaltung von Szenarien zu bedenken, dass Lehrende und Lernende jeweils auch an einem eigenen realen Lernort sitzen; anders als in Präsenz­seminaren wird dieser Lernort nicht geteilt; und es hat sich als sinnvoll erwiesen, in synchronen Kommunikationssituationen die je konkreten Gegebenheiten zumindest in der Einstiegsphase kurz zu thematisieren (Kap. 6.6; Kap. 6.7).

      Was machen die – in ihren Funktionalitäten teilweise unterschiedlichen – Lernplattformen zu Bildungsräumen, d. h. zu virtuellen, das Lernen unterstützenden Räumen? Aus pädagogischer Perspektive reicht dabei ein Vergleich der jeweils angebo­tenen Funktionen oder Instrumente nicht aus. Deshalb sollten solche Kriterien herangezogen werden, die den mit dem Potenzial virtuellen Lernens verbundenen möglichen Wandel der Lernkultur unterstützen (Arnold 2001, 39 f.; Arnold/Schüssler 1998, 4 ff.; Griesehop/Bauer 2017), also Interaktivität, Abbau der traditionellen Dominanz der Lehrenden, erleichterter Zugriff auf das weltweit verfügbare Wissen, Kommunikation mit anderen Lernenden sowie Fachexperten (Kap. 2; Kap. 6). Daraus lassen sich in Anlehnung an den Evaluationsansatz von Britain/Liber (1999) folgende Beurteilungsfragen für Lernplattformen als Bildungsräume ableiten:

       Unterstützen sie die Aushandlung von Lernressourcen, z. B. durch Einflussnahme der Lernenden auf Lerninhalte, die Möglichkeit, eigene Arbeitsergebnisse für alle sichtbar einzustellen, auf Informationen zu verweisen?

       Unterstützen sie die Koordinationsprozesse bei der Zusammenarbeit von Lernenden, z. B. durch Werkzeuge zur Gruppenwahrnehmung, Gruppenarbeitsräume, gemeinsame Terminkalenderverwaltung?

       Welche Möglichkeiten bieten sie Lehrenden und Lernenden, Lernprozesse und Lernfortschritte mitzuverfolgen (Monitoring), z. B. durch individuelle Abfrage des Lernstands, Möglichkeiten der Rückmeldung, tutorielle Betreuung?

       Gibt es Möglichkeiten der individuellen Anpassung der Lernplattform, z. B. durch die Wahl individueller Lernwege oder Repräsentation der Lernmaterialien, die Möglichkeit, Annotationen zu machen, Bookmarks zu setzen, die Oberfläche individuell anzupassen?

       Welche Hilfen werden für selbst organisiertes Lernen von Einzelnen oder kooperatives Lernen von Lerngruppen bereitgestellt, z. B. durch Werkzeuge zur Zeitplanung, durch das Einrichten von Webseiten, Diskussionsforen, Mailinglisten?

       Ermöglicht die Lernplattform Adaptivität, d. h. Änderungen am Konzept und an den Lernressourcen, z. B. durch Kommentar- und Bewertungsfunktionen?

      Nicht alle Merkmale sind auch in allen Lernzusammenhängen gleich wichtig. Ein solcher Fragenkatalog kann aus didaktischer Perspektive zur Bestimmung von Kriterien für die eigene Arbeit beitragen. So benötigt eine einfache Informationsveranstaltung oder das Abprüfen deklarierter Wissensbestände nicht zwangsläufig die Möglichkeiten der Kooperation der Lernenden, ein gruppendynamischer Prozess mit hohen Anteilen reflexiven Lernens hingegen benötigt diese zwingend. In Abhängigkeit von den zu erreichenden Zielen und den eingesetzten Methoden kann bereits im Vorfeld entschieden werden, welche Funktionen eine Lernplattform für eine erfolgreiche Unterstützung des Lernprozesses mitbringen sollte.

      3.5.2 Persönliche Lernumgebung

      Der virtuelle Bildungsraum 2.0

      Eine Persönliche Lernumgebung (Personal Learning Environment, PLE) ist „konzeptionell nichts anderes als die persönliche Wissens- und Lernumgebung […] Technisch läuft eine PLE auf (Web-)Applikationen hinaus, die für eine individuelle und dezentrale Zusammenstellung vieler verschiedener (Web-2.0-)Werkzeuge (versus einer fremdorganisierten Umgebung wie klassische Learning Management Systeme) offen ist und dem Lernenden im Idealfall lebenslang und unabhängig von bestimmten Bildungsinstitutionen zur Verfügung steht“ (Reinmann 2008a, 55). Es wurde schon angesprochen, dass aufgrund der neuen Internettechnologien und der dadurch veränderten Internetnutzung auch Lernplattformen einer größeren Offenheit und Adaptierbarkeit für die jeweiligen Nutzer bedürfen. Lernen findet nicht mehr nur in geschlossenen LCMS statt, sondern vorzugsweise auch im Internet, ohne dass eine Bildungsinstitution dahintersteht – und es ist denkbar, dass mehrere virtuelle Bildungsangebote von Lernenden parallel genutzt werden. Dabei finden