Volles Rohr. Wolfgang Breuer

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Название Volles Rohr
Автор произведения Wolfgang Breuer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961360376



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Allerdings ohne Notiz von ihm zu nehmen. Sie bahnten sich einen Weg in Richtung Sanatorium. Wobei das längst eine andere Funktion hatte und in ein Seniorenheim umfunktioniert worden war. ‚Die armen Alten hier oben’, dachte sich Monkey, ‚die haben in solchen Wintermonaten nicht die Spur einer Chance, mal an die frische Luft zu kommen.’

      Versonnen schaute er dem abfahrenden Bus nach, als ihm plötzlich eine Idee kam. Er wollte noch den nächsten Bus abwarten. Wenn der aber wieder nichts und niemanden für ihn dabei hatte, würde er die nächste Gelegenheit wahrnehmen und runter nach Berleburg fahren. Und diese Gelegenheit wäre, er schaute auf den Fahrplan, um 15:12 Uhr. ‚Diese Scheißwarterei bei der Kälte hier. Wo bleibt dieses dämliche Weib nur?’

      Ob die Frau sich wohl mit ihrem Kuriergut durch die Äste gemacht hatte? ‚Dann gnade ihr Gott. Das lässt sich Klaf auch von einer Frau nicht gefallen’, überlegte Monkey, der diesen Spitznamen seinen etwas zu groß geratenen Ohren zu verdanken hatte. ‚Du musst versuchen rauszubekommen, was da schiefgelaufen ist.’

      Insgeheim bewunderte er die beiden Typen, die gerade mit ihrem Mondeo eingebogen und in Richtung Seniorenheim gefahren waren. ‚Die haben´s wenigstens warm in der Karre.’

      Auch der nächste Bus kam auf die Minute pünktlich. ‚Unten im Tal haben sie offenbar keine schneebedeckten Fahrbahnen’, dachte Monkey, als das Fahrzeug der „Busverkehr Ruhr-Sieg“ haltmachte. Diesmal stiegen hinten zwei Männer aus. Die einzigen Fahrgäste. Und der Fahrer stand auf und öffnete die Vordertür. „Sind sie Herr Monkey?“, fragte er von der oberen Stufe aus, als der Angesprochene zu ihm rüberschaute.

      Er erschrak. „Ääääh …, ja. Wieso fragen Sie?“

      „Weil ich was für Sie habe.“ Mit einem Griff in seine große schwarze Arbeitstasche beförderte der Fahrer ein großes, etwas schwereres Kuvert zutage und reichte es zur Tür heraus. „Müssen Sie mir aber quittieren“, merkte er an. „Kleinen Moment, ich hole den Block.“

      Monkey dachte gar nicht daran, seine Unterschrift unter den Lieferschein für ein Päckchen Gras zu setzen und drehte ab. Aber da standen ihm die beiden Männer im Weg, die gerade erst aus dem Bus ausgestiegen waren.

      „Kripo Bad Berleburg, Born mein Name. Und das ist mein Kollege Lukas. Geben Sie das Päckchen ruhig wieder her, Monkey.“

      Dem Drogenkurier fiel die Kinnlade herunter. Und eine Art Schockstarre schien ihn befallen zu haben. Er stand wie angefroren vor den Kripo-Männern. Hinter ihm schloss sich die Bustür. Der Chauffeur wollte offenbar seinen Fahrplan einhalten und fuhr an.

      ‚Was für eine Riesenchance’, dachte Monkey, der in dem Moment, als sein Rücken frei war, kehrtmachte und losrennen wollte. Aber da standen weitere vier Männer. Und zwei Streifenwagen. Einer bergwärts und einer talwärts. „Scheiße!“, brüllte Monkey und hob die Hände – samt Päckchen.

      „Das können Sie getrost wegwerfen. Da ist eh nichts drin, was Ihnen Freude bereiten könnte“, meinte Sven Lukas, während er ihm bereits an der linken Hand eine Handschelle anlegte. „Es sei denn, Sie rauchen Rosshaar aus einer alten Matratze. Muss aber dann das sein, was man ‚hard stuff’ nennt“, feixte der junge Beamte.

      „Okay, Euer Mann“, sagte einer der beiden bergwärts stehenden Beamten in Zivil. Es war Jörg Beuter, der Kripo-Chef von Winterberg, der jetzt auf Klaus Klaiser zuging und ihm die Hand drückte. „Hat ja prima geklappt. Solche Operationen sollten uns häufiger mal zusammenführen. Da würden die Großen im Ruhrgebiet oder sonstwo mal so richtig ins Staunen kommen.“

      „Da sagste was“, antwortete Klaiser lachend. „Ich bin ja schon froh, wenn die uns überhaupt zur Kenntnis nehmen. Ich danke Euch auf jeden Fall heftig für Eure Hilfe. Übrigens …?“, fragte er im Abdrehen, „wie machen wir das jetzt mit den Protokollen?“

      „Lassen wir uns am besten gegenseitig per Mail zukommen.“

      „Okay. Aber das ist ja verdammt knapp hier mit dem Grenzverlauf zwischen Siegen-Wittgenstein und Hochsauerlandkreis.“

      „Verbuch´s unter ‚Nacheile’ in unser Gebiet. Da gibt´s keine Probleme. Im Übrigen war das mal Euer Beritt. Kannst Du aber nicht wissen. War lange vor Deiner Zeit. Bis Januar 1975 gehörte Hoheleye noch zum Landkreis Wittgenstein.“

      „Wow. Also Wildern auf einst eigenem Territorium“, grinste Klaus und verabschiedete sich, wie auch die anderen, von den Kollegen aus Winterberg. „Macht´s gütt!“, rief ihnen Beuter gut gelaunt zu. Er stammte aus Langewiese. Auch der Ort hatte einmal zu Wittgenstein gehört.

      „Das war ja mal ‘ne absolut geile Nummer, wie wir den abgegriffen haben.“ Pattrick Born, hinten im Mondeo, kriegte sich vor Begeisterung kaum ein. „Besser hätten wir den Zugriff ja kaum planen können.“

      „Da hast Du völlig recht“, antwortete Klaus Klaiser. „Alles stand und fiel allerdings mit dem Busfahrer. Wenn der nicht bereit gewesen wäre mitzuspielen, hätten wir arg dumm ausgesehen und womöglich Jagdszenen im Tiefschnee veranstalten können.“

      „Aber er war ja durch uns geschützt.“ Zufrieden lächelnd steuerte der ‚Freak’ den Wagen bergab und bog an der Schmelzhütte rechts ab, in Richtung Girkhausen.

      „Wie geht´s eigentlich Corinna? Von der hab´ ich schon ewig nichts mehr gehört“, brachte er Klaus auf dem Beifahrersitz gewaltig in Schwulitäten. „Die wohnt doch noch immer da vorne in Girkhausen, oder?“

      Für Klaiser war das Thema „Corinna“ zu einem echten Wackerstein geworden. Der Name der Kollegin, die sich nach offizieller Lesart im Sommer vergangenen Jahres in einer ‚psychischen Ausnahmesituation’ befunden hatte, bewirkte bei Klaus Schweißausbrüche. Kollegin und beste Freundin seiner Frau. Das war eine tolle Kombination. War, leider. Doch Corinna hatte sich durch mehrere Ausraster und dienstliche Entgleisungen derart ins Abseits geschossen, dass es im gesamten Kommissariat als allgemeine Erleichterung angesehen wurde, als sie plötzlich nicht mehr zum Dienst erschienen war.

      Einzig Klaus hatte es die Kollegin aus Girkhausen zu verdanken, dass sie keinerlei disziplinarische Konsequenzen hatte ertragen müssen. Dafür musste sie sich im Gegenzug verpflichten, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Seither war sie im Krankenstand. Genauer: jetzt müsste sie eigentlich im Mutterschutz sein und vor gut fünf, sechs Wochen ihr Baby geboren haben. Aber darüber gab es null Information.

      „Ich kann Dir nicht sagen, wie es ihr geht“, antwortete Klaiser schließlich. „Sie war ja ziemlich krank. Aber über den Verlauf ihrer Genesung habe ich keine Infos. Schade drum. Unser Kontakt ist bedauerlicherweise total zusammengebrochen.“

      „Soweit ich weiß, ist Corinna vor einiger Zeit Mutter geworden. Sie hat ´nen kleinen Jungen bekommen. Der ist wohl ´n properes Kerlchen und die Mama topfit“, verkündete Jürgen Winter, der sich die ganze Zeit aus der Unterhaltung herausgehalten hatte. „Wundert mich schon, dass Ihr alle nichts davon mitbekommen habt.“

      „Oh, das ist ja klasse. Schön, dass sie jetzt auch ihr Baby hat.“ Klaiser wirkte irgendwie erleichtert. Natürlich war ihm sehr an dieser guten Nachricht gelegen. Denn Corinna war eigentlich nicht nur eine gute Kriminalistin, sondern auch ein prima Kumpel. Allerdings musste nach all den Vorkommnissen im vergangenen Jahr mal ein vorläufiger Schlussstrich gezogen werden.

      Als er sich zu Winter herumdrehte und ihm seine Freude mit einem Lächeln quittieren wollte, fragte er eher beiläufig: „Woher weißt Du das, wenn ich fragen darf? Habt Ihr engeren Kontakt?“

      „Nee, enger nicht. Aber ich hab´ vor ein paar Wochen mal bei ihr angerufen, weil ich nicht begreifen konnte, warum sie mich bei der Stünzel-Geschichte so unheimlich attackiert hat. Ich kannte sie so ja nun wirklich nicht. Und das hat mir richtig wehgetan. Daher wollte ich endlich mal Klarheit. Seitdem sind wir in lockerem Kontakt.“

      „Aha. Und was sagt sie so?“

      „Du willst mich doch jetzt nicht wirklich über ein privates Telefonat ausfragen. Oder?“

      „Naja, so ganz privat kann´s ja nicht gewesen sein. Denn immerhin war ja ein dienstlicher Disput die Ursache.