Volles Rohr. Wolfgang Breuer

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Название Volles Rohr
Автор произведения Wolfgang Breuer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961360376



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Schlaumeier raushängen lassen, dann seien Sie mal so schlau und nennen schleunigst Ihren Namen. Den kriegen wir zwar sowieso raus, aber das dauert immer Ewigkeiten. Und so lange sind Sie auf alle Fälle unser Gast. Klar?“

      Monkey schien diese Aussicht eher zu belustigen. Jürgen aber konnte dem gar nichts abgewinnen. Daher dreht er die virtuelle Daumenschraube noch ein wenig weiter an.

      „Um es Ihnen noch deutlicher zu sagen: bevor ich nicht Ihren Namen kenne, werde ich das Gespräch hier immer wieder mit derselben Frage fortsetzen. Und die lautet: ‚Wie heißen Sie?’ Das wird von manchen Beschuldigten als eine Art Psychofolter wahrgenommen. Kann ich gar nicht verstehen. Aber eines verspreche ich Ihnen. Vor einer befriedigenden Antwort gehen wir beide hier nicht raus. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“

      „Jetzt kommen Sie mir aber nicht mit so ‘nem fundamentalen Scheiß. Ich hab´ nichts am Hut mit dem ‚Amen in der Kirche’.“ „Das können Sie natürlich halten wie der berühmte Dachdecker. Es ändert nur nichts am Sachverhalt. Wir bleiben hier, bis ich Ihren Namen kenne. Und ich halte das aus. Ich hab´ nämlich im Gegensatz zu Ihnen schon zu Abend gegessen“, log er. „Einen herrlichen Wurstsalat mit Baguette-Brötchen. Ihrer steht übrigens in der Zelle und wartet auf Sie.“

      Monkey floss das Wasser im Mund zusammen. Außer einem armseligen Kaffee heute Morgen hatte er nichts in den Magen bekommen. Und das wirkte sich in jeder Beziehung nachteilig auf seinen Gesamtzustand aus.

      „Ich will meinen Anwalt sprechen“, polterte er plötzlich heraus. „Ohne meinen Anwalt sag´ ich gar nix.“ Natürlich steckte dahinter die große Hoffnung, dass damit eine Unterbrechung des Verhörs verbunden war.

      „Prima. Und wer ist Ihr Anwalt?“, wollte Winter wissen.

      „Ich hab´ keinen bestimmten. Aber ich hab´ ein Recht auf einen Anwalt. Das weiß ich ganz genau. Und den müssen Sie mir jetzt besorgen.“

      „Mach´ ich glatt“, lächelte der Kommissar. „Und wen darf ich bitte melden?“

      „Wie, melden? Mich natürlich.“

      „Ach so, ich soll also einen Anwalt anrufen und ihn zu einem Festgenommenen ohne Namen bestellen. Das können Sie knicken“, log Jürgen Winter. „Sie glauben doch nicht etwa, dass ein Rechtsanwalt Ihr Mandat als Pflichtanwalt übernimmt, was ohnehin schon miserabel bezahlt wird und dann noch nicht mal im Vorfeld Ihren Namen erfährt. Vergessen Sie´s!“

      Monkey verlor an äußerer Gelassenheit. Das konnte man deutlich sehen. Er sah plötzlich noch ausgemergelter aus als zuvor. Und der Spuckefluss nahm zu. Irgendein barmherziger Kollege von Winter hatte ihm eine ganze Schachtel Kosmetiktücher hingestellt. Der Papierkorb füllte sich zusehends.

      Das mit dem Pflichtanwalt und der unbedingt erforderlichen Namensnennung konnte er gar nicht glauben. Das Gegenteil aber auch nicht beweisen. ‚Was für ein Spiel spielt der Bulle da eigentlich mit mir? Was hat er vor? Solange er mich nicht kennt, solange kann er mir nichts anhängen. Die Bullen haben nichts als die reine Vermutung, dass ich als Drogenkurier unterwegs war. Wenn er aber meinen Namen kennt und Akteneinsicht bekommt, dann wird´s heftig.’

      Eine Reihe von Konflikten spielte sich vor seinem geistigen Auge ab. Natürlich auch der, der sich aus der drängendsten Frage ergab. ‚Was passiert, wenn ich hier rauskomme und Klaf kriegt Wind davon?’ Er wollte sich das gar nicht ausmalen.

      Plötzlich wurde es still um die beiden. ‚So still, dass man eine Stecknadel fallen hören kann’, dachte Jürgen.

      Und der Polizist stellte sich die unsinnige Frage, ob es wohl irgendwo im Kommissariat überhaupt Stecknadeln gäbe. ‚Widrigenfalls müsste man für die Beschreibung absoluter Stille mal eine andere Metapher finden.’ Denn was wäre denn, wenn plötzlich jemand auf die Idee käme, sich diesen Spruch beweisen zu lassen? Und dann keine Nadeln da? ‚Und überhaupt, es ist doch ziemlich bekloppt zu behaupten, dass man überhaupt den Fall einer Nadel hören kann. Wenn, dann wäre das eher deren Aufschlag.’

      Am liebsten hätte er sich das aufgeschrieben. Keineswegs mit ernsthaftem Hintergrund. Nur, damit er überhaupt etwas zu tun hatte. Denn dieses Geduldspiel hier ging ihm ganz gehörig auf den Zeiger.

      Monkey räusperte sich und übergab eine weitere Ladung Speichel einem Kosmetiktuch. Andere hätten jetzt einen Schweißausbruch. Er sabberte.

      „Passen Sie auf“, sagte er. „Ich bin bereit, meine Personalien zu nennen und eine für Sie sicher interessante Aussage zu einem bedeutenden Dealer zu machen. Aber ich habe eine Bedingung. Die müssen Sie mir erfüllen. Ich bitte Sie sogar herzlich darum, Herr Kommissar.“

      „Und was wäre diese Bedingung?“

      „Ich sprach eben von einem bedeutenden Dealer. Sie müssen mich bitte vor diesem Mann schützen. Er ist nämlich ein unglaublich brutaler Hund. Und ich bin sicher, dass er mich töten wird, sobald er mich erwischt.“

      „Wieso wird er Sie töten wollen?“ Jürgen widmete plötzlich all seine Sinne nur noch dieser Sache. Kein Geplänkel, keine dämlichen Wortklaubereien mehr. „Warum, glauben Sie, wird er Sie töten?“

      Monkey holte tief Luft und schaute an die Decke. Wieder musste er schlucken, begann dann aber mit zitternder Stimme:

      „Dieser Dealer ist der Mann, bei dem ich heute Abend eigentlich den Haschisch-Kuchen abliefern sollte. Ware im Wert von 10.000 Euro, die er nun nicht bekommen wird. Und ich bin dafür verantwortlich. Warum er sie nicht bekommt, ist für ihn zweitrangig. Selbst wenn er wüsste, dass Ihr Bullen mir den Stoff abgenommen habt, wäre ich dran. Denn ich war in seinen Augen zu blöde, sein Eigentum zu schützen. Außerdem braucht er immer einen Schuldigen, den er nach Gutdünken bestrafen kann.“

      „Oh mein Gott“, flüsterte Winter vor sich hin und hasste sich gleich wieder dafür. „Ami-Schäss“, hätte sein Vater auf Wittgensteiner Platt gesagt „Oh my God“ wurde schließlich in jedem US-Spielfilm gefühlte 100.000 mal gerufen, geflüstert oder gehechelt. Zum Kotzen.

      Erwartungsvoll schaute Monkey sein Gegenüber an. Würde Winter einen wie auch immer gearteten Schutzmantel für ihn schneidern oder schneidern lassen können? Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Das wusste er selbst. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

      Es klopfte kurz und heftig. Dann wurde die Tür sachte von draußen geöffnet und Sven Lukas streckte seinen Kopf durch den Spalt.

      „Haste 'n Moment?“

      „Wichtig?“

      „Sehr.“

      „Komme.“ Schnell stand Jürgen Winter auf, legte Monkey wieder Handschellen an und machte ihn am Heizungsrohr fest. „Sorry, geht nicht anders. Bin gleich wieder da.“

      Auf dem Flur empfing ihn der ‚Freak’ mit bedeutender Miene. „Weißt Du, wen wir da gefangen haben?“

      „Nee, weiß ich noch nicht. Aber er war, glaube ich, gerade auf gutem Weg, es mir zu erzählen. Und dann kommst Du, Mensch.“ Winter holte zu einer gespielten Ohrfeige aus.

      „Sachte, sachte, nicht hauen“, grinste Sven. „Denn ich komme als Weihnachtsmann. Ich weiß nämlich mittlerweile, wer uns da ins Netz gegangen ist. Die Mädels und Jungs vom Drogendezernat in Siegen haben ihn für uns ausgeguckt. Nur mit unserem Bild vom Empfangskomitee. Fingerabdrücke hat der Sack ja noch keine abgegeben.“

      „Ja, weiß ich. … Das mit den Fingerabdrücken. Toll, dass uns die Kollegen in Siegen geholfen haben. Aber jetzt wird es Zeit, dass Du mal Butter bei die Fische tust. Wer ist dieser Monkey?“

      „Kein Geringerer als Cornelius Schneider. Seines Zeichens Ex-Millionär, weil Ex-Chef einer der größten Discotheken in der BRD, Ex-Ehemann des Models Audrey Milton und Ex-Drogendealer im ganz großen Stil.“

      „Du willst mich doch auf den Arm nehmen, oder?! Dafür ist jetzt keine Zeit, Mann.“

      Jürgen drehte ab und wollte wieder in sein Büro. Doch der ‚Freak’ protestierte heftig. „Ich konnt´s auch erst nicht glauben.