Название | Volles Rohr |
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Автор произведения | Wolfgang Breuer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961360376 |
„Ach du dickes Ei. Und der sitzt jetzt vor meinem Schreibtisch. Halleluja, Herr Pastor.“
Winter überlegte einen Moment, während er sich an einem leeren Kaffeebecher festhielt. „Wie lange hat der Junge denn gesessen?“
„Dreieinhalb Jahre insgesamt.“
„Wie bitte? Schon allein für den Kokshandel hätte er mindestens acht Jahre einfahren müssen. Ich glaub´ sogar, noch länger. Das ist doch nicht zu fassen.“
„Er hat wohl einen Haufen Straferlass bekommen, weil er einen ganzen Drogenring hat auffliegen lassen. Musst Du damals eigentlich mitgekriegt haben. Eine ganze Gang von Drogenproduzenten in Medellin in Kolumbien wurde in Ketten gelegt. Und mit ihr die Logistiker, die in Westafrika, Spanien und auf kleinen Flugplätzen in Deutschland für den Weitertransport per Luft gesorgt hatten. Wie ein Staffellauf war das organisiert. Schneider hat das quasi im Alleingang aufgeschmissen.“
Jürgen Winter war geplättet. Was für eine Karriere und was für ein Absturz! Aber dieser Blödmann hatte offenbar nichts aus seinem Desaster gelernt. Er hing schon wieder in Drogengeschäften. Und musste sich, nach all dem internationalen Aufruhr, den er veranstaltet hatte, nun vor einem Provinzganoven fürchten. Die Zeiten ändern sich.
Plötzlich schoss ihm eine Frage durch´s Hirn, deren Beantwortung keinerlei Aufschub duldete. „Komm bitte mit rein“, bat er Sven Lukas und schob ihn einfach vor sich her in sein Büro.
„Sie kennen sich ja mittlerweile“, stellte er trocken fest. „Da muss ich Sie nicht extra vorstellen.“ Monkey nickte und zeigte seine gefesselten Hände vor.
„Klar, ich mache Sie jetzt los. Ich hoffe, es war nicht zu unbequem mit den Handschellen, dort an der Heizung.“
„Nee, das ging. Hab´ schon schlimmeres erlebt.“
„Das kann ich mir lebhaft vorstellen, Herr Schneider“, antwortete Winter mit gespielter Selbstverständlichkeit. Als habe er den Verdächtigen schon immer bei seinem Namen genannt. Noch immer hatte er nur den Schlüssel in der Hand. Noch hing Monkey Schneider am Heizungsrohr. Und das war gut so. Denn bei der Nennung seines Namens schoss er von seinem Stuhl hoch und wollte am liebsten davon rennen. Allein, sein Bewegungsradius war nur endlich.
„Herr Cornelius Schneider, der Kollege Lukas hat Ihre Identität und Ihre Daten ausgegraben. Wir wissen Bescheid über Ihre Karriere. Und wir werden Sie mit Sicherheit heute nicht mehr mit der Vergangenheit konfrontieren.
Morgen, das verspreche ich Ihnen, werden wir mit unserem Chef und der Staatsanwaltschaft darüber nachdenken, wie wir Sie schützen können. Aber ich habe heute eine ganz dringende Bitte an Sie. Erzählen Sie uns bitte, wann und wo Sie das Kuvert mit dem Adressaten ‚Klaf’ übergeben sollten. Und an wen.“
Schneider machte große Augen. „Ich glaube nicht, dass ich Ihnen das heute sagen werde. Erst wird geklärt, ob ich von Ihnen Schutz bekomme.“
„Meine Fresse, Herr Schneider. Wenn wir heute Abend an der Kontaktstelle eingreifen und diesen ominösen Mann dingfest machen können, dann müssen Sie sich für die Zukunft nicht mehr sorgen, dass er Sie umbringen will.“
„Das ist aber´n ziemlich wackeliger Deal, den Sie mir da vorschlagen. Ich sage NEIN!“
„Und das ist Ihr letztes Wort?“
Schneider sabberte schon wieder. Hastig wischte er sich mit einem Papiertuch ab und sagte mit Bestimmtheit: „Jawohl, das ist mein letztes Wort.“
„Gut. Sven, Du hast es mitbekommen. Der Herr Schneider weigert sich, wichtige Infos weiterzugeben, die wir zu seinem eigenen Schutz bräuchten. Stimmt das soweit?“
„Das ist korrekt“, bestätigte der ‚Freak’.
„Dann packen Sie jetzt Ihre Habseligkeiten zusammen, Herr Schneider. Sie können gehen.“
„Was, wie gehen?“
„Ja, Sie sind ein freier Mann. Außer der Mutmaßung, dass Sie womöglich in Hoheleye eine Drogenkurierin getroffen hätten, haben wir ja nichts gegen Sie in der Hand.“
„Haben Sie wohl.“
„Ach ja. Was denn?“
„Mein Geständnis, dass ich dem Dealer den Haschischkuchen überbringen sollte. Wenn ich ihn denn gehabt hätte.“
„Geständnis? Dass ich nicht lache. Nix Konkretes, dafür aber jede Menge Konjunktive, verehrter Herr. Sollte, wollte, hätte. Damit kann ich nichts anfangen.“ Winter wurde jetzt richtig fuchtig. „Dieses angebliche Geständnis haut mir jeder Staatsanwalt um die Ohren. Und wissen Sie mit was? Mit Recht! Mit so was trete ich gar nicht erst an. Und jetzt Adieu. Raus hier!“
„Das können Sie nicht machen“, jaulte Schneider richtiggehend auf. „Der macht mich kalt, sobald er mich gefunden hat. Oder einer seiner Helfershelfer. Ich hab´ ein Recht darauf, dass Sie mich schützen.“
Jetzt war Sven Lukas an der Reihe. „Hören Sie mal, Herr Schneider. Haben Sie damals die vielen Tausend Drogenkonsumenten geschützt, die von Ihnen teilweise den übelsten Drogen-Dreck bekommen haben? Schämen Sie sich nicht manchmal vor sich selbst, wenn Sie darüber nachdenken, wie viele Menschen, vor allem Kinder, durch diesen Scheiß süchtig geworden oder gar daran elendig verreckt sind?“
„Dafür hab´ ich gesessen und gebüßt“, bellte der Angeschissene zurück.
„Und andere dafür drangehängt. Was Ihnen jede Menge Straferlass eingebracht hat. Wissen wir. Wissen wir. Aber wir wissen auch, dass Sie wieder gerne dick ins Geschäft wollen. Wieder Leute süchtig machen. Wieder den dicken Reibach machen mit der Abhängigkeit anderer.
Ist aber leider schiefgegangen, Ihr Plan. Das System schießt zurück. Und Sie stecken bis Oberkante Unterlippe in der Scheiße. Kommt Ihnen das eigentlich nicht selbst komplett bescheuert vor, dass Sie jetzt wie ein Jammerlappen ausgerechnet die Polizei um Schutz für Leib und Leben bitten?“
Das war zu schnell und zu viel für ‚Monkey’ Schneider. Sabbernd suchte er Halt und eine Sitzgelegenheit. Denn ihm schlotterten die Knie wie Espenlaub. Stehen ging in dem Moment gar nicht. Außerdem brauchte er dringend die Papiertücher, die vor seinem Stuhl auf dem Tisch standen. Gierig griff er zu.
‚Oh mein Gott’ hielt Winter nun doch in Gedanken Zwiesprache mit seinem Herrn im Himmel, ‚nur Du allein weißt, wo der Mann die ganze Flüssigkeit gebunkert hat, die da aus ihm herausfließt. Hoffentlich sind die Speicher bald leer. Das ist so widerlich. Und Du weißt sicherlich auch, ob er sich diesen Schaden beim Kiffen oder Koksen geholt hat. Wenn ja, dann geschieht´s ihm recht’.
„So, was ist jetzt? Raus hier. Aber sofort. Ich habe nicht die geringste Lust, mir wegen Ihnen noch den kompletten Abend zu verderben. Also Tschüss!“ Der Kommissar wies auf die Tür. Doch Cornelius Schneider blieb sitzen. Mit glasigem Blick und vorgehaltenem Papiertuch.
„Ich glaube, Sie brauchen Hilfe beim Abmarsch.“ Sven Lukas steuerte auf den leichenblassen Mann zu und griff unter seinen rechten Arm, um ihm aufzuhelfen. Doch der schüttelte den ‚Freak’ ab. „Lassen Sie das.“
„Wie bitte? Ich glaube, Sie sind der einzige hier, der nichts zu befehlen hat. Also los jetzt, sonst wenden wir körperliche Gewalt an.“ Beide Polizisten wussten, dass sie hier mit relativen Unmöglichkeiten operierten. Doch bis auf Gewaltanwendung war ihnen so gut wie jedes Mittel recht, um endlich zu erfahren, wer wann und wo das Drogenpäckchen in Empfang nehmen wollte.
„Okay, scheiß was drauf.