Eine Alte Dame Ging Hering. Rich Schwab

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Название Eine Alte Dame Ging Hering
Автор произведения Rich Schwab
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862871889



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von Fühlen unterscheiden kann.« Dass sie trotzdem schon so lange so eng mit mir befreundet war, nahm ich als Kompliment – und als Balsam für den gekränkten, eitlen männlichen Schweinehund in mir; ansonsten nahm ich auch das, wie so vieles in meinem Leben, wie’s halt kam. Und die meiste Zeit mit großem Vergnügen.

      Nicht zuletzt, weil Antula, ihre üppige griechische Freundin seit ein paar Monaten, ähnlich undogmatisch drauf war und Vera deswegen keinen Stress machte. Und außerdem gab’s da schließlich noch Anna, Veras mittlerweile achtjährige Tochter, die mich, wenn schon nicht als Ersatzvater, dann doch wenigstens als Spielkameraden, Frotzelgegner und Kölner Stadtführer ins Herz geschlossen hatte. Und ich war immerhin ihr Schlagzeuglehrer.

      Und dann gab’s natürlich noch Kathrinchen, die mich in ihre luxuriöse Bude am Decksteiner Weiher entführte, wenn ihr mal danach war, sprich: wenn ihr sonstiger Umgang ihr auf die Nerven ging.

      »Is’ doch wunderbar, Büb – jeder von uns hat sein eigenes Leben, und zusammen ha’m wir unseren Spaß; wenn du nich’ meinst, dich wieder in mich verlieben zu müssen, werden wir noch uralt zusammen. Ein richtig schnuckeliges Bratkartoffelpärchen.«

      Also lebten wir jeder unser eigenes Leben, hatten ab und zu unseren Spaß zusammen, und ich meinte nicht, mich in sie verlieben zu müssen. Und wer weiß schon, wie alt er wird? Oder was überhaupt der nächste Tag, das nächste Jahr, die nächste Minute bringt? Erst recht, wenn Heroin im Spiel ist. Es tat mir weh zu sehen, dass sie ihr Quantum nicht mehr ein-, zweimal die Woche, sondern fast täglich brauchte. Und ihr Umgang, ein paar gelackte Loddels aus Wien und Salzburg, die sich im Friesenviertel durch ausgesuchte Gemeinheiten schnell einen fiesen Ruf erworben hatten, gefiel mir auch überhaupt nicht.

      »Alles im Griff, Büb. Halt dich da raus, und wir werden nie ein Problem haben, mein Schatz.«

      Also hatten wir nie ein Problem.

      ***

      Na ja, ein Problem gab’s dann doch: Ich war Kanaldeckel’s Büb. Ich griff mit links einen Akkord, langte mit rechts zwei-, dreimal in die sechs Saiten – da waren’s nur noch fünf oder sogar nur vier. Die hohen, dünnen wollten einfach nicht halten. Mit der Zeit schaffte ich es, mich so weit zurückzuhalten, dass die H-Saite überlebte, aber die hohen E-Saiten machten immer nur zinnngg! zschäck!, und weg waren sie. Nach der fünfundzwanzigsten Ersatzsaite kapitulierte mein Lehrer.

      »Komm, Büb, ehe du eines Tages einem von uns ein Auge ausschießt – wir lassen das E weg. Klingt außerdem geiler, so wie du spielst.«

      »Was heißt das: So wie ich spiele?«

      »Na ja, du spielst, als wär’ dat Ding Schlagzeug, Bass und Rhythmusgitarre in einem. Aber mach ruhig weiter so – wir spielen die Franzmänner an die Erde! Machen die Côte klar! Wie wär et mit Rock Steady Woman?« Und ab ging die Post …

       5

       Isaak I

      »Es geht doch nichts über ein Glas Champagner und eine gute Monte Cristo, wenn man etwas zu feiern hat«, schnurrte Isaak Eimermacher und blickte hinter dem schwarzen Dienstmädchen her, das ihm den Eiskübel gebracht und ein Glas Krug-Sekt eingeschenkt hatte. Fettsteiß schön und gut, dachte er, aber die wird auch immer fetter. Vielleicht bezahle ich die zu großzügig?

      Aber das war jetzt nicht so wichtig. Genüsslich und in aller Ruhe beschäftigte er sich mit der Zeremonie, die das korrekte Anzünden seiner langen, hellbraunen Zigarre erforderte. Auf der Prinsengracht glitt ein Aussichtsboot voller knipsender Touristen durch die stinkende Brühe. Nicht dass sie ihn fotografieren könnten, hier hinter den gold-getönten Scheiben des Wintergartens im dritten Stock seines denkmalgeschützten Hauses, erbaut 1722. Kurz überschlug er ihre Zahl und registrierte, was drei Prozent ihres Ticketpreises in seine Taschen bringen würden. Dann lachte er – ein kurzes, quietschendes Wiehern, wie ein verwirrter, übermütiger Esel. Das war doch nun wirklich kleine Maus, das Kleingeld für seine Zigarren vielleicht, oder zumindest die Bestechungsgelder, die nötig waren, diese handgedrehten Kostbarkeiten aus Havanna in seinen Humidor zu schaffen.

      »Aber die Steinchen«, murmelte er liebevoll die Glut seiner Especiales No.1 an, »die heiligen Ringe, sechzehn für jeden Finger, ach was, jeder von euch Schätzchen könnte ich einen davon an Stelle eurer papiernen Bauchbinden anziehen …! Sie kommen nach Hause, wohin sie gehören! Womit wir endlich – endlich! – die weltweit größte Sammlung antiker Ringe beisammen hätten! Das muss doch gefeiert werden!« Wieder das Wiehern. Dann lehnte er sich in dem mit orientalischen Kissen gepolsterten Korbstuhl zurück, trank sein Glas leer und warf es hinter sich, wo es an dem goldfarbenen Panzerglas zerschellte. »Prosit! Auch wenn die Sammlung Eimermacher dann – spätestens dann«, grinste er, »eine geheime bleiben muss – dreimal Prosit!« Er nahm sich ein neues Glas vom Tablett.

      Eine Million Deutsche Mark – für einen Fußballer! Und nicht mal irgendein Fußballer, sondern sein tumber Schwiegersohn, den ihm seine dumme, missratene Tochter in den Pelz gesetzt hatte wie eine Laus. Aber vielleicht war sie doch gar nicht so blöde? Vielleicht hatte sie doch ein bisschen was von der Familienschläue geerbt, die er mitsamt seinem Imperium so gerne dem Sohn vermacht hätte, der ihm verwehrt geblieben war? Immerhin zeichnete sich ab, dass die Laus dabei war, eine goldene Laus zu werden. Eine Million! Und dieser alte Trottel von Bauunternehmer, dieser Emporkömmling aus Köln-Worringen, war bereit, das für diesen krummbeinigen Holzkopf hinzublättern! Was für ein Holzkopf das war, sah man ja schon daran, dass er sich wand und was faselte von »bei dem Verein sehe ich keine Zukunft für mich«! Gottverdomme! Er würde dem Blödmann Beine machen – wieder wieherte Eimermacher sein Kichern, als er an die krummen, dicken Beine seines Schwiegersohnes dachte, dann wurde er wieder ernst – immerhin waren diese Stampfer mit vier Millionen Pfund versichert. Er würde das geschickt einfädeln müssen. Erst seine Tochter überzeugen, aber das würde nicht so schwer sein – kriegte sie eben noch einen von diesen blöden schwarzen Gäulen aus dem Stall einer seiner Partner in den arabischen Ländern. Eine Investition, die sich lohnen würde. Denn dass sie, wenn sie überzeugt war, keine Mühe hätte, ihren O-Beiner zu überzeugen, das war so sicher wie sein nächstes Glas Champagner. Vier Jahre verheiratet, und der sabberte immer noch, wenn er in die Nähe seiner Frau kam, und überschlug sich bis zur Lächerlichkeit, ihr alles recht zu machen. Wieder kam ihm der Gedanke, dass Edna doch mehr auf dem Kasten hatte, als er ihr zugetraut hatte – zuzutrauen bereit gewesen war, wo sie doch bloß eine Tochter war. Er seufzte – die Zeiten änderten sich – jetzt hing schon das Geschick seines Erbes von einem Mädchen ab …!

       6

       Ron

      … und irgendwann – Mädchen hin, Rock Steady her – war das Frühjahr rum. Und dann, Anfang Mai, wir hatten gerade angefangen, richtig zu planen, uns von Stevie mit Karten, Reiseführern und dem schönen Buch 1.000 Dinge sagen in sieben Sprachen, die du nicht kennst ausstatten lassen, von Fischers Jupp zwei Luftmatratzen, ein Federballspiel, ein Reiseschach und zwei kleine Armeesets mit Campinggeschirr und -besteck organisiert bekommen, da passierte uns dieser Frühschoppen.

      Wir sitzen fröhlich bei Tante Thekla und machen zwischen Kölsch und Gespritztem Listen mit Sachen, die wir noch versilbern (»Die Märchensammlung!« »Nix da, die nehm’ ich mit – die werd’ ich diesen Sommer alle lesen!«), Stücken, die wir noch einüben (»Everybody Needs Somebody?« »Everybody Loves Somebody Sometimes?« »Ha ha – Thekla, noch zwei Jedecke!«), Leuten, die wir noch anpumpen (»Den Klautze, den kenn’ ich jut!« »Besser nit – nachher fällt dem ein, datt ich noch die alte Gibson von ihm hab’!«), und