Eine Alte Dame Ging Hering. Rich Schwab

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Название Eine Alte Dame Ging Hering
Автор произведения Rich Schwab
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862871889



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Korn, zwei Rum, einen Calvados, einen Cointreau, zwei Apfelsaft und ein leeres Weizenglas. Selbst ist der Mann. Apfelkorn war ja mittlerweile auch von gestern. Feelin’ good was easy, Lord

      ***

      … An’ feelin’ good is good enough for me*, hatte sich unser Veedelvüür gedacht, war in Hamburg gelandet, bei Smegma Pudding, einer Punkband, die allerdings in der Hauptsache mit Molotowcocktails und Eisensägen an Hochspannungsmasten rumspielte; mittlerweile saß er in Celle im Knast und studierte Akupunktur, Schreinerei und Bootstechnik, weil er plante, sich ein Hausboot zu bauen und an der Alster eine alternative Gemeinschaftspraxis aufzumachen, die keine Krankenscheine akzeptieren würde. Eiermann, unser Fels-in-der-Brandung-Bassist, hatte einen festen Job am Stadttheater Bad Godesberg, wo er den zweiten Verfolgerspot bei Warten auf Godot bediente. Und wo unser Organist Emerson gelandet war, wusste keiner so recht.

      Und ich, Kanaldeckel’s Büb, der mehr Schlagzeugknüppel geschafft hat als Gilbert Bécaud Gitanes? Nachdem mich Dubravka zum zweiten und wahrscheinlich letzten Mal verlassen hatte, weil sie es nicht ertragen konnte, dass Rock’n’Roll-Touren ohne Besäufnisse und Weibergeschichten für mich so spannend waren wie Fußballspielen mit ’nem Nylonball, war ich irgendwie – ja ja, Weibergeschichten und Besäufnisse! – in München gelandet, hatte Filmmusiken gemacht und Bier gezapft und Fleischpflanzerln gebraten und auf Flohmärkten rumgestanden und Resi’s Go-Go-Girls über die bayrischen Dörfer gekarrt und – aber das ist ’ne andere Geschichte …

      4

       E – A – D …

      Und dann war ich eben wieder in Köln. Da es den Schrebergarten nicht mehr gab, guckte ich mich ein bisschen um und kriegte einen Job im Come Up, wo ich dreimal die Woche, außer an diesem blöden Nichtrauchermontag natürlich, nachmittags putzte und abends von zehn bis eins Platten auflegte. Die Hälfte der Platten war so langweilig wie die Leute, die dort verkehrten (Supertramp! Barclay James Hänänä!!), aber solange Akim, der Geschäftsführer, nicht da war, konnte ich die mit der anderen Hälfte quälen; das Bier war okay, und wenn ich meine sieben Personalbons versoffen hatte und mir bei Benjamin, dem Zahnmedizin studierenden Barkeeper, Nachschub holen ging, zahlte ich meistens mit ’nem schmutzigen Zehner und kriegte von ihm Wechselgeld auf ’nen sauberen Zwanziger raus – schließlich war der Laden doch ’ne Geldwaschanlage. Dafür nahm ich ihm dann während meiner Putzschichten Mix-Kassetten auf, die er wiederum kopierte und in seiner Heimatstadt Münster teuer als das Neueste und Größte aus Der Großen Stadt vertickte. Damals gab’s noch so was wie Solidarität – zumindest unter Schwarzarbeitern.

      In Veedelnohs Rumpelkammer von Zweitzimmer, die er »Dat Schtudio« nannte, hatte ich mich ein bisschen häuslich eingerichtet, was heißt, dass ich eine der an den Wänden lehnenden schalldämmenden Matratzen bezog und auf den Boden legte, eine ausgeschlachtete Lautsprecherbox daneben, in die meine komplette Garderobe passte, obendrauf ein kleiner Spot, ein paar Bücher und ein großer Aschenbecher. An Büchernachschub herrschte kein Mangel – mein Freund Stevie arbeitete mittlerweile bei Föhler & Kalckmann, Kölns größtem Buchgroßhandel. Jeden Mittag trafen wir uns in der Kantine der Hauptpost, wo auch die F&K-Mitarbeiter ihr Stammessen kriegten, und nachdem er sein Mittagessen verputzt hatte, stellte ich mich mit seinem Ausweis an, um mein Frühstück abzuholen. Dann tranken wir noch ’ne Flasche Bier und rauchten eine, er ging wieder zurück zu seinem Job, und ich verließ ein paar Minuten später die Kantine mit der gut gefüllten Plastiktüte, mit der er hergekommen war. Chandler, Dostojewski und Loriot, Hammett, Kerouac und Sempé, Langenscheidt, Nietzsche und Gernhardt, Sartre, Anaïs Nin und Max Ernst, Tolkien, Spillane und Janosch, Hemingway, Dali und Luke Rhinehart, Böll, Highsmith und Dylan, Lennon, Beckett und -ky, Krishnamurti, Zane Grey und Henscheid, Wittgenstein, O’Donnell und Vian und wie sie alle heißen, die einem was über das Leben erzählen können (und wie es sein könnte) und über die Menschen (und wie sie sein könnten), und irgendwann hatten wir sogar die wunderschöne gebundene Sammlung Märchen aus aller Welt beisammen, alle vierundfünfzig Bände.

      Als kleine Gegenleistung kümmerte ich mich jeden Nachmittag ein, zwei Stunden um die Erziehung des jungen Rottweilers seiner neuen Freundin. Unter anderem brachte ich dem bei, sich in jeder Kneipe sofort unter den Flipper zu legen und von dort aus ein Auge auf alles zu haben, bis wir wieder gingen. Leider wollte er das eines Tages, bei einem Sonntagsausflug ohne mich, auch in einer Kneipe im Bergischen Land, wofür er aber dem alten Dackel des Wirts seinen Stammplatz streitig machen musste. Er war gerade dabei, den Dackel in Stücke zu reißen, als ihm der Wirt mit einem Barhocker den Schädel einschlug. Stevies Freundin also ohne Hund, Stevie mal wieder ohne Freundin, ich zwei Stunden mehr Zeit, Gitarre spielen zu lernen.

      Und langsam Zeit, ’ne eigene Gitarre zu haben. »Wä die Kääne nit probiert, weiß nit, wie die Prumme schmecke, Jung«*, hatte Opa Klütsch, der kölsche Konfuzius, mir schon frühzeitig mit auf den Weg gegeben. Also besorgten wir mir bei Fischer’s Jupp am Eigelstein* eine robuste Westernklampfe.

      »Dat beste, wat du em Moment kriejen kanns’, Büb – auf dem Ding hat schon der Elvis jespielt. Der King!«

      »Der King, Jupp?«

      »Ja, der Ki-, eh, der Kuhn! Der Paul Kuhn!«

      »Der spielt Klavier, Jupp …!«

      »Jeck! Der kann alles! Dat is ene feine Kääl! Wat isch mit dem schon jesoffen hab’! Fünnefunachzisch?«

      »Tu mir ’ne Tasche dazu, un’ isch geb’ dir fuffzisch.«

      »Tasche?! Bis’ du beklopp’, Büb? Dat Schmuckstück muss doch jeder sehn können, wenn du damit zum Sartory jehs’! Fünnefunsecksisch?«

      »Ich spiele nich’ im Sartory, Jupp – ich spiele an der Côte d’Azur!«*

      »Ja, leckens am Dill! Do bruchste natürlisch en Täsch’, Büb – sönz hät dä Franzmann dir die Schrumm doch t’reck jeklemmp’! Hier hab’ isch jenau dat rischtije für disch – siebzisch?«*

      »Fuffzisch.«

      »Komm – weil du et bis’, Büb: jib mir secksisch, isch hab’ noch ene Termin.«

      »Fuffzisch un’ ’ne Flasche Asbach.« Lippenlecken.

      »Na ja, wat willste beim Franzmann met däm Schabau? Is jebongk!«* Also kurz rüber zum Stüssgen-Markt, eine Pulle Asbach gefringst*, und schon war ich stolzer Besitzer einer dunkelroten Framus in einer babyschissgelben Skai-Hülle mit einem Wienerwald-, einem Sendung-mit-der-Maus- und einem Bad-Dabringhausen-Aufkleber, und Veedelnoh führte mich in die hohe Kunst der Rhythmusgitarre ein: E-Dur, G-Dur, A-Dur, a-moll – zack! hatte ich For Your Love drauf, und dann Dust My Broom und Got My Mojo Working und, natürlich, House Of The Rising Sun und If I Were A Carpenter und One Scotch, One Bourbon, One Beer und und und …

      ***

      … und gelegentlich verbrachte ich ein Wochenende in Veras Gästezimmer, was zwar nicht immer so ganz meiner Vorstellung von Eheleben entsprach – aber unser Eheleben hatte noch nie irgendwelchen Vorstellungen entsprochen, was schon damit anfing, dass wir damals bloß geheiratet hatten, damit sie in ihre wunderschöne, riesige Altbauwohnung in der Engelbertstraße ziehen konnte. Die Trauung fand während ihrer Mittagspause statt, Trauzeugen waren zwei Kollegen aus ihrem Verlag, und nach zwei feierlichen Bieren in der Bar vom Hotel Herzogenruh sollte planmäßig auch schon alles gelaufen sein, aber dann quatschten wir uns wohl ein bisschen fest, und ihre Mittagspause zog sich bis weit über irgendwelche unbezahlten Überstunden hinaus; und weil wir dann auch noch meinten, eine Hochzeit ohne Vollzug gewisser ehelicher Pflichten sei nur halber Kram, machte sie den Tag danach auch noch zum Flittertag, den wir im übrigen in all den Jahren seitdem auf ähnliche Art feierten, egal wer gerade ihre Lebensgefährtin war. Oder meine.

      »Ich steh’ zwar