Abara Da Kabar. Emil Bobi

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Название Abara Da Kabar
Автор произведения Emil Bobi
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783702580773



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es mit der Sprache der Tiere. Sie konnte etwas, das die Menschensprache nie konnte. Wenn ein Hahn krähte, spürte ich etwas. Es kam von ganz tief und schmeckte wie Erinnerung. Da war eine körperlich spürbare Gleichschaltung mit etwas diffus Bekanntem, aber nichts Konkretes. Wenn ein Mensch sprach, war es umgekehrt. Da wurde etwas Konkretes wachgerufen, ohne je diese gefühlte Entsprechung auszulösen. Na ja. Wie auch immer.

      Meine Lust, den Klang der Raben in Wörter zu verwandeln, hat jedenfalls nie aufgehört. Noch heute höre ich ihre Rufe mit dem ganzen Körper, wenn es auch mit den Jahren immer schwächer wurde. Damals hörte ich sie als Schmerz, als ein zu Schmerz verdichtetes Verlangen, wiederzugeben, was ich erlebte, wenn ihre Rufe auf die Membran in meiner Brust trafen und ihr Echo in den Nervenbahnen verebbte.

      Diese Lust hat mich nie anders als gekränkt zurückgelassen. Wie hätte ich sie auch bedienen sollen? Wie hätte ich etwas festhalten können, das ich nicht einmal angreifen konnte, etwas, das zudem immer gerade dabei war, sich zu verflüchtigen? Auch war mir diese Lust nie ganz geheuer. Sie kam aus einer Tiefe, die mir unheimlich war, weil sie tiefer schien, als ich selbst und sie sich dennoch in mir befand. So suchte ich nach treffenden Wörtern, ohne zu wissen, ob es sie überhaupt gab. Ich suchte nach Begriffen, die diesen Erinnerungsgefühlen nicht nur einen Namen geben, sondern die Gefühle selbst wieder wecken konnten. Meine Suche galt Wörtern, die den Klang der Raben isolieren und aus der Natur abbauen konnten, ihn gewinnen wie einen Rohstoff, haltbar und lagerungsfähig machen und in Bereitschaft halten, um jederzeit wiederverwendet zu werden.

      Später, erwachsen, schüttelte ich langsam den Kopf, als mir klar wurde, dass ich es doch nur selbst gewesen war, was ich da im Nachhall der Rabenstimmen wahrgenommen hatte, wie einen Lufthauch, der verschwand, noch bevor ich ihn atmen konnte. Aber mein Vorhaben war unverändert. Ich wollte diesen Lufthauch anhalten, ihn einfangen und in Wörter sperren wie in kleine Käfige. Ich wollte diesen Lufthauch meiner Seele stabilisieren, indem ich ihn mit Wörtern schiente und verpackte, um ihn wiederholbar zu machen. Ich wollte Haltbargefühle erzeugen, Gefühlskonserven, die jederzeit und auch von vielen gleichzeitig geöffnet werden konnten.

      Wie recht ich damals doch hatte, als das Land weißgrau verkrustet war. Ich war ein Seher. Ein Dichter im besten Sinn. Danach war ich nie mehr einer. Später begann ich einer sein zu wollen und dann begann ich mir einzubilden, einer zu sein, bis ich mir endlich einzubilden begann, keiner zu sein. Ist ja egal. Ich sag’ nur. Man muss ja kein Dichter sein, um sagen zu wollen, was man sagen möchte, und zwar genau das, was man sagen möchte, und nicht nur fast genau das.

      Nun, Jahrzehnte später, waren diese schwarzen Gestalten also zurückgekehrt. Simultan wie ein Geschwader sanken sie in einer Kreiskurve in den Graben herein und begannen, prominent und arrogant, langsam über dem alten Bauernhof zu kreisen, der nach Jahren der Verlassenheit wieder Lebendigkeit zeigte. Sie sahen mich im Gras liegen. In ihren Kehlen blubberte es.

      Was in aller Welt gaben diese Wesen von sich? Ein versöhnliches Sägen? Was war dieses Chrr, Chrr oder so? War das ein forschendes Kratzen? Dürres Geratsche? Chrr, Chrr. Hölzernes Nagen? Entspanntes Röcheln? Röchelten sie? Schnarrten sie? Knarrten sie? Murrten sie mit der selbstverständlichen Beleidigtheit unverschämter Einzelkinder? Passte ihnen gar nichts? Stänkerten sie gewohnheitsmäßig mit kargen Abfälligkeiten wie Ruheständler im Park? Knurrten sie knapp und kategorisch wie die Wächter einer dunklen Exekutive? Wiederholten sie ihre Äußerungen aus Zufriedenheit, weil sie funktionierten, oder aus Not, weil sie nicht funktionierten? Wiederholten sie sich überhaupt? Oder sagten sie laufend etwas anderes und nur mein Menschenohr nahm keine Unterschiede wahr? So wie ihr Rabenohr umgekehrt meine Aussagen als notorisch wiederkehrende Lautketten vernehmen musste, wie hängengebliebene Geräuschsequenzen, die zwar typisch nach Mensch klangen, aber keine Aufschlüsse zuließen, was sich im Inneren der Geräuschsequenzen abspielte, und ob es sich um österreichische, tibeto-birmanische oder lolo-burmesische Lautketten handelte. Egal. Im Ton der Raben vernahm ich zumindest keine Not. Sie klangen entspannt und am Punkt. Sie musterten mich.

      Sicher, ich hätte das, was Raben von sich gaben, auch mit einer Notbezeichnung bekleben und einfach »rabeln« nennen können. Aber ich fand das unerträglich. Ich hätte damit grob anzeigen können, was ich meinte, aber nur, wenn ohnehin bekannt war, was ich meinte. Aber nichtssagende Namen für das Unbeschreibbare zu verwenden, konnte doch nicht der Sinn der Sprache sein.

      So hatten sie es nämlich gemacht, die Namensgeber der Raben, als sie ihnen unterstellten, sie würden krähen. Die Diktion dieser Herrschaften war, der Rabe wäre mit äußerlich ähnlichen Vögeln verwandt und man könne daher alle miteinander unter flächendeckender Identitätsverwischung als Krähen bezeichnen. Einfach, weil »Kra« diesen Namensgebern eine angemessene Lautnachahmung schien und daher gut genug für ein Etikett. Sie beschrieben damit nichts. Sie tauften. Sie nannten diese Vögel »die Kra machen«. Fast mytho-poetisch, diese Hilflosigkeit. Egal.

      Alle einundzwanzig Raben waren nun gelandet. In den Bäumen unterhalb der großen Wiese, die vom Bauernhaus weg ins Tal hinunter hing, hatten sie in gleichen Abständen voneinander Platz genommen und richteten ihre Aufmerksamkeit auf mich wie unsichtbare Scheinwerfer. Manche tauschten Blicke aus, bevor sie wieder mich ansahen. Ich war irritiert. Die Szene schien mir unwirklich und ich dachte, sie zu mystifizieren oder irgendwie anders zu überhöhen, doch bildeten die Mitglieder dieses seltsamen Senates eindeutig einen großen, formschönen Halbkreis mit mir exakt im Mittelpunkt gegenüber. Und sie lauschten. Der Wind legte sich. Vom gegenüberliegenden Hügel krähte ein Hahn.

      Ich erhob mich aus dem Gras und blickte hinunter in das schwarz gefiederte Halbrund. Ich dachte, sieh einer an: Auch die Menschen benützen solche Talare, wenn sie beschlussmäßig Einfluss nehmen. Die Raben schwiegen, als wollten sie die Flüchtigkeit der Situation nicht stören. Vom Frauenberg her wehte Glockengeläut. Die Tagung, in die ich hier geraten war, schien mir kein bisschen abwegig und genau das beunruhigte mich. Aus dem Tierreich erhielt ich Nachhilfe in Fragen der Lautkommunikation und fand das ganz normal.

      Was denke ich eigentlich, fragte ich mich, wenn ich auf der Suche nach richtigen Wörtern bin? Wenn ich also noch gar nicht denke, sondern nach den Bestandteilen des Denkens suche? Denke ich auch ohne Sprache? Aber ist Denken nicht Sprechen mit dem Hirn? Irgendwie musste es auch außerhalb der Sprache ein Denken geben, dachte ich, denn wie könnte ich sonst mit einem verwendeten Ausdruck unzufrieden sein?

      Plötzlich, als wäre die Sitzung geschlossen, erhoben sich die Einundzwanzig fast gleichzeitig von den Baumkronen und das Geschwader zerstob in der Luft wie schwarzes Laub in einer Windböe.

       2

      Ich muss sagen, die Suche nach Wörtern hat mich immer schon mehr beansprucht als das Leben selbst. Ich habe schon zu viel nachgedacht, als ich noch für alles zu jung und zu klein war und von allem so beeindruckt, dass ich, solange ich nicht schlief, hauptsächlich staunte. Ich denke, mein kleiner Fehler könnte gewesen sein, dass ich irgendwie falsch geliebt habe. Sehr, ja, aber falsch. Ich habe gestaunt und geliebt und das war vielleicht irgendwie zu wenig. Man halte sich vor Augen: Ich habe einen Bleistift mittlerer Härte geliebt. Ich habe mein leeres Tagebuch geliebt, in das ich nie auch nur ein einziges Wort schrieb. Und bitte, im Ernst: Ich war in eine Hominidin verliebt. Was soll man dazu sagen? Okay, sie war unglaublich attraktiv, aber eine Hominidin? Und ich war ja nicht ein bisschen in sie verknallt, sondern unsterblich verliebt bis ich fast erwachsen war. Während also meine Geliebte etwa eine Million Jahre weit weg war, erlebte ich den Höhepunkt meiner Teenager-Karriere, als ein Homo-Sapiens-Mädchen mir sagte, ich würde sie an Van Morrison erinnern, wie er auf einen Bus wartet und einstweilen an einem Zahnstocher kaut. Genau wie beim jungen Van Morrison würde mein Oberkörper oft ein bisschen schräg vornüber hängen und mein Kopf skeptisch zur Seite gelegt sein, als würde ich abwägen, was ich nun von der Situation halten sollte, obwohl sie mich nicht sonderlich betraf. Und das Homo-Sapiens-Mädchen sagte, manchmal käme ihr vor, ich würde in die Sonne lächeln und dabei nichts sehen, kein Gesicht, keine Augen, in die ich lächeln könne, weil ich geblendet wäre und es sei ihr nicht klar, ob ich bloß schüchtern wäre, oder lauerte. Da flackerte etwas heiß in mir auf, aber ich begriff kein bisschen, was sie meinte. Ich fühlte mich nur als Van Morrison, ließ meinen Oberkörper noch ein bisschen