Cys vs. Silvers - River und Armand. Hanna Julian

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Название Cys vs. Silvers - River und Armand
Автор произведения Hanna Julian
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960894087



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nicht über mich zu erzählen.«

      »Wie alt bist du jetzt?«, fragte Phil.

      »Ich weiß nicht genau, aber ich war zehn, als die Silvers kamen. Ich bin jetzt elf oder zwölf. Keine Ahnung, welchen Monat oder Tag wir haben«, gab River zu. Phil nickte und strich sich über den Bart. »Ich kann verstehen, dass du unter diesen Umständen das Zeitgefühl verloren hast. An welchem Tag hast du Geburtstag?«

      »Am 22. April.«

      »Dann bist du inzwischen zwölf Jahre alt. Heute ist der 5. Mai. Wir sollten deinen Geburtstag nachfeiern.«

      River zuckte mit den Schultern, als wäre es ihm gleich, aber Phils Lächeln sagte ihm, dass der alte Mann verstanden hatte, wie sehr er sich in Wahrheit darüber freuen würde. Doch es gab leider andere Dinge, die wichtiger waren. Mit entsprechend ernster Miene sagte Phil:

      »Du bist wirklich noch sehr jung, um Eingriffe dieser Größenordnung vorzunehmen. Andererseits kann dein Körper sich vielleicht besser den Veränderungen anpassen, als ein bereits ausgewachsener. Tatsache ist jedoch, dass im Laufe deines Wachstums weitere, unzählige Operationen anstehen. Es wird eine schreckliche Zeit für dich sein. Für mich wird sie ebenfalls körperlich und seelisch sehr anstrengend werden. Daher möchte ich eine Entscheidung von dir.«

      »Welche Entscheidung?«, fragte River erstickt. Phils Worte hatten ihm Angst gemacht, und er wusste, dass man diese Furcht in seiner Stimme nur zu gut hören konnte.

      »Ich möchte wissen, ob es dir ernst damit war, dass ich dich lieber hätte sterben lassen sollen. Denn wenn du wirklich so empfindest, sollten wir dafür sorgen, dass du ein so schmerzfreies Leben wie möglich führen kannst, solange es unter diesen Umständen eben währt.«

      »Aber Sie sagten, dass mein Herz-Kreislaufsystem zusammenbrechen würde, wenn Sie mich nicht weiter durch Technologie am Leben halten.«

      »Ja, das ist richtig. Ich würde diese Systeme so lange in Betrieb lassen, wie es ohne weitere Eingriffe möglich ist. Du hättest ein recht schönes Leben, sofern du damit zufrieden bist, als Gesellschaft nur einen alten Mann um dich zu haben. Aber deine Lebenszeit wäre sehr begrenzt. Vermutlich hättest du nicht so viel Glück wie Benjamin, der Zeit mehr abzuluchsen, als sie dir gewähren will.«

      »Was denken Sie, wie lange das wäre?«

      »Ein paar Wochen, mehr nicht. Solltest du dich jedoch entscheiden, den eingeschlagenen Weg der Verwandlung weiter zu beschreiten, wirst du dich vom Menschsein so weit entfernen, dass man dich als einen Cy betrachten wird. Und du wirst ein Leben führen müssen, das du in den Dienst der Menschheit stellst. Die Elemente für deine Verwandlung werden mir nämlich von der Army bereitgestellt. Die Komponenten sind ansonsten nicht mehr zu finden, und meine Dienste sind eigentlich anderen zukünftigen Kämpfern vorbehalten. Ich habe aber die Erlaubnis, die Zeit für dich aufzuwenden, obwohl es viele Jahre dauern wird. Aber die werden sich lohnen – auch für die Army, denn die sind ebenfalls an den anpassungsfähigen Komponenten interessiert, die ich für dich entwickeln werde.«

      »Warum? So viele Kinder wird’s wohl bis dahin nicht mehr geben, bei denen man die einsetzen könnte.«

      »Das ist richtig. Aber man wird sie auch bei Cys verwenden, die schon lange in Betrieb sind. Es werden dann weniger Operationen für Austauschteile anfallen, und die Cyborgs werden vermutlich sogar eine längere Lebensdauer haben als bisher. Aber um das genau sagen zu können, werde ich forschen müssen.«

      »An mir«, schlussfolgerte River, seine Stimme klang matt. Phil nickte.

      »Ja, an dir. Das ist der Job, dem ich mich verpflichtet habe. Aber du bist für mich trotzdem ein ganz anderer Fall, als die Cyborgs, die ich sonst erschaffe. Ich fühle für dich ganz anders – ich will dich beschützen, verstehst du?« River nickte, doch er konnte darauf nichts erwidern.

      Nach einer kurzen Pause räusperte sich Phil und sagte mit härterer Stimme: »Dennoch muss dir klar sein, dass du den gleichen Weg wie die anderen gehen musst, da ich mich dazu verpflichtet habe, dich am Ende deiner Verwandlung der Army zu überlassen. Andererseits weiß niemand was wird. Möglicherweise sieht die Welt in ein paar Jahren schon ganz anders aus, obwohl ich nicht weiß, wie das ohne Kinder, und damit unserem Fortbestand, ein gutes Ende nehmen sollte. Dennoch könnte es sein, dass du dann in einer Welt lebst, die dir gefällt. Ich finde, das sollte man nicht außer Acht lassen. Und nicht zuletzt bedeutet die Fortführung der Verwandlung, überhaupt ein Leben zu haben.«

      »Eines als Cyborg. Viele sagen, das ist überhaupt kein richtiges Leben.« Phil seufzte schwer. »Natürlich sagen das einige Menschen. Aber sie haben nie als einer gelebt. Aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass die Männer, die ich umgewandelt habe, keinerlei so triste Gedanken über ihr Dasein hegen. Ganz im Gegenteil, sie versichern mir, dass sie ebenso fühlen und denken wie zuvor. Nur, dass sie eben körperlich den Menschen weit überlegen sind, und diese sie deshalb zwar benutzen, aber auch fürchten.«

      »Dann können Sie mich also in jemanden verwandeln, vor dem die Leute mehr Angst haben, als vor Derk?«

      »Viel mehr als vor Derk«, bestätigte Phil; er sah River zum ersten Mal lächeln. »Finde ich toll!«, gab der Junge unumwunden zu.

      »Aber es wird ein sehr schwerer Weg für dich werden. Du wirst dich oft so fühlen, als würdest du erneut in Flammen stehen. Es wird wehtun, River. Sehr weh sogar! Und es gibt nicht viel, was ich tun kann, um es dir leichter zu machen, denn die Schmerzmittel müssen wir mit Vorsicht einsetzen.«

      Als Rivers Lächeln erstarb, rechnete Phil mit einer Absage. Es war immerhin furchtbar, zu wissen, dass Jahre voller Schmerz, und danach eine Zukunft, in der man benutzt wird, vor einem liegen.

      River blickte Phil direkt in die Augen und sagte: »Ich will mich erst entscheiden, wenn ich gesehen habe, was Sie bis jetzt aus mir gemacht haben. Ich möchte alles sehen … absolut alles. Dann sage ich Ihnen, was ich möchte.«

      *

      Als Phil die Decke anhob, brach Rivers Welt zusammen. Er hatte geahnt, dass es schlimm werden würde, aber auf den Anblick blanker Knochen, zerfetzter Muskeln und darin verschraubter Metallteile war er nicht vorbereitet gewesen. Sein rechtes Bein war bis zur Leiste durch eine Prothese ersetzt worden. Darin befanden sich Lämpchen, die unaufhörlich vor sich hin blinkten. Es waren rote, gelbe und grüne, und River dachte voll bitterer Selbstironie, dass er nun eine lebende Ampel war. Der rechte Arm teilte das Schicksal des Beines, denn ab dem Ellenbogen war er abgetrennt und durch einen mechanischen Unterarm und eine künstliche Hand ersetzt worden. River konnte blanke Sehnen erkennen, die mit Kabeln verbunden worden waren.

      »Wie ich dir bereits sagte, sind wir noch nicht fertig. Es braucht Zeit, bis ich checken kann, ob das Interface so stabil ist, dass ich Haut über den Schnittstellen anbringen kann. Willst du mehr sehen?« Phils Stimme klang so nervös, dass River der Mut gänzlich schwand. Aber konnte es überhaupt wirklich noch schlimmer werden? Ja, das konnte es. Als Phil ihm einen Spiegel vorhielt, sog River scharf die Luft ein.

      »Ich bin ein Monster. Ein Freak. Ein … Albtraum!«

      Sein linkes Auge war nicht mehr vorhanden. Stattdessen war da ein Gebilde mit Linse, das Augenlid ersetzt durch einen Shutter, der sich öffnen und schließen ließ. Das Gebilde lagerte in der Augenhöhle, die mit Spinnweben aus feinsten Metalldrähten gefüllt war, die dafür sorgten, dass die Linse in alle Richtungen zu rotieren vermochte.

      »Der Sehkraftverstärker ist noch nicht einsatzfähig. Dazu muss das Narbengewebe erst so stabil werden, dass ich die Energiezellen implantieren kann. Alles andere ist bereits angelegt und vernetzt.«

      »Vernetzt«, flüsterte River kraftlos.

      »Ja, ähm … es war auch ein Eingriff unter deiner Schädeldecke notwendig, da du ein Mindestmaß an Programmierung auf einem Computerchip erhalten hast. Steuerungsrelevante Daten und das vorgeschriebene Selbsterhaltungsprogramm. Das Prozedere ist unabdingbar, da die Vorschriften der Army für mich verpflichtend sind.«

      Eine Programmierung, die also nicht nur dazu diente, seine Systeme kontrolliert laufen zu lassen, sondern auch, sein eigenes Denken und