Cys vs. Silvers - River und Armand. Hanna Julian

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Название Cys vs. Silvers - River und Armand
Автор произведения Hanna Julian
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960894087



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zu demonstrieren.

      »River also«, brummte der Mann zufrieden. »Hallo River, mein Name ist Phil. Ich weiß, dass man mich da draußen Frankenstein nennt, aber wenn du mit mir auskommen willst – und ich fürchte, dir wird für lange Zeit nichts anderes übrig bleiben – dann nenne mich Phil.«

      River versuchte zu nicken, aber der Kloß in seinem Hals war immer größer geworden, sodass er ein Geräusch von sich gab, das sich wie von einem geschundenen Tier anhörte.

      »Vielleicht ist es doch besser, wenn ich dir erst ein wenig von mir erzähle, damit du dich nicht so anstrengen musst«, entschied Phil. »Vermutlich wunderst du dich, dass du in diesem Zimmer liegst. Nun, ich hoffe, du bist nicht beleidigt, denn mir ist bewusst, dass du nicht mehr wie ein Kind behandelt werden willst. Immerhin hast du das schreckliche Ritual auf dich genommen, das diese Bestie Derk und seine Bande eingeführt haben. Die meisten Jungen überleben die Prozedur nicht, was die Männer nicht stört, denn sie füttern niemanden freiwillig durch. Aber sie sehen es gerne, wenn jemand leidet – das lenkt sie von ihren eigenen Dämonen ab. Also machen sie ein Spiel daraus und rechtfertigen es mit den vermeintlichen Privilegien, die die Erfolgreichen erhalten. Es gibt aber kaum überlebende Anwärter. Um ein Haar wärst du ein weiteres Opfer dieser unmenschlichen Spiele geworden. Aber du hattest Glück – nun, vielleicht auch Pech, das wird sich erst noch herausstellen müssen. Doch bleiben wir bei mir. Mein vollständiger Name ist Phil Raven. Ich habe mein halbes Leben als plastischer Chirurg gearbeitet, bevor das Militär mich abgeworben hat, damit ich in streng geheimen Labors an Cyborg-Technologie arbeite. Als der große Angriff kam, war ich bereits im Altersruhestand, aber die Umstände haben dafür gesorgt, dass ich mich der Erschaffung von Cyborgs verschrieben habe, die dazu bestimmt sind, die Menschheit vor den verbliebenen Silvers zu verteidigen. Normalerweise bekomme ich Freiwillige, die sich dieser Aufgabe widmen möchten. Es sind erwachsene Männer, denn im Grunde ist es unverantwortlich, und zudem sehr kompliziert, diese Verwandlung bei einem Kind vorzunehmen.«

      »Aber bei mir haben Sie es gemacht? Ich bin jetzt ein … Cyborg?«

      »Du bist dabei, einer zu werden.« Phil schwieg nun, da er sehen konnte, wie erneut Tränen über Rivers Gesicht strömten.

      »Warum haben Sie das getan? Scheiße, warum haben Sie mich nicht einfach sterben lassen?«, fragte River erstickt.

      Der alte Mann seufzte schwer, dann räusperte er sich. »Weil ich mir sicher war, dass du nicht sterben möchtest. Du bist ein Kämpfer, das war mir klar.«

      »Ach, und wie zur Hölle kommen Sie darauf? Sie kennen mich doch gar nicht.« River hatte es laut und zornig sagen wollen, aber seine zugeschnürte Kehle ließ nicht viel mehr als einen halblauten Protest zu.

      »Nun ja, du hast dich Derk angeschlossen. Dazu muss man schon ein echter Kämpfer sein. Insbesondere wenn man so jung ist wie du. Und du bist durchs Feuer gegangen, um vollends dazu zu gehören.«

      »Hat aber nicht geklappt«, bemerkte River und musste die Nase hochziehen. Phil holte ein Stofftaschentuch aus seiner Hosentasche und wischte ihm damit die Nase ab. Als River mit der mechanischen Hand nach dessen Gelenk griff und ihn drohend ansah, erkannte er Schmerz in den Augen des Mannes.

      »Wenn du mir nicht die Hand brechen willst, solltest du jetzt loslassen. Denn wenn du sie mir brichst, wirst du lange hilflos hier liegen, und vermutlich in diesem Bett sterben.«

      River begriff, dass der Alte recht hatte. Er bemühte sich, seinen Griff zu lösen, was anfangs nur dazu führte, dass die Hydraulik sich noch fester um Phils Gelenk schloss. Als es ihm endlich gelang, betrachtete Phil den Schaden an seiner Hand und sagte so gefasst wie möglich: »Ich werde das kühlen müssen. Und ich schlage vor, dass wir morgen mit den Kontrollübungen beginnen, denn ich meine es ernst, River, wenn du mich verletzt, kann ich nicht weiter an dir arbeiten. Aber es ist viel Aufwand nötig, bis du als Cyborg leben kannst. Denn an dir entwickle ich zum ersten Mal einige Komponenten, die sich deinem Wachstum anpassen werden. Den größten Teil muss ich jedoch während deiner Entwicklungsphasen selbst jeweils neu implementieren. Es steht uns viel Arbeit bevor, und ich möchte, dass du dich mit diesem Gedanken in Ruhe auseinandersetzt.« Damit drehte er sich um und ließ River allein.

      *

      »Sie wollten mir erzählen, was das für ein Zimmer ist.« River hatte geduldig gewartet, bis der alte Mann zu ihm zurückkehrte. Es hatte lange gedauert, und nun trug Phil einen Verband ums Handgelenk.

      »Das scheint dich ja wirklich sehr zu beschäftigen. Mehr, als dein jetziges Aussehen?«

      River überlegte. »Ich glaube, ich überlebe die Nacht nicht, wenn ich weiß wie ich jetzt aussehe. Also, wenn ich später alleine im Dunkeln hier liegen muss«, gab River zu.

      »Du meinst, du könntest dich vor dir selbst wegen deines Aussehens gruseln?«, fragte Phil überrascht. River nickte nur. »Verstehe … aber du musst dir wegen der Dunkelheit keine Sorgen machen, es gibt ein Nachtlicht. Das hat Benjamin – mein Enkel – auch immer gebraucht. Dies war sein Zimmer.«

      »Wo ist er jetzt?«

      »Er ist tot.« Phil sagte es ohne Emotion, aber seine Kiefer traten unter den Wangen hervor, als er die Zähne fest zusammenbiss.

      »Wie alt ist er geworden?«

      »Er war vierzehn, als er starb.«

      »Vierzehn? Und da hat er noch in Bettwäsche mit Dinosauriern geschlafen?«, erwiderte River. Er war froh, ein Gespräch führen zu können, denn es lenkte ihn zumindest ein wenig von den Schmerzen und seiner eigenen Situation ab.

      »Benjamin war nicht wie andere Kinder. Er war geistig zurückgeblieben. Geistig und körperlich hat er sich nach seinem sechsten Lebensjahr kaum weiterentwickelt.«

      »Wieso nicht?«

      »Das lag daran, weil er während der Geburt eine Zeit lang keinen Sauerstoff bekommen hat. Meine Tochter Jane – Benjamins Mutter – starb während der Entbindung. Sein Vater hat sich, nachdem er die Diagnose kannte, auf und davon gemacht. Das war der Grund, warum meine Frau Kate und ich uns wie Eltern um den kleinen Benjamin gekümmert haben. Die Ärzte haben ihm damals nur acht bis zehn Jahre gegeben, weil zudem ein Genschaden vorlag.«

      »Aber er hat dann doch länger gelebt«, stellte River fest.

      »Ja. Benjamin hat vierzehn Jahre geschafft und meiner Frau und mir viel Freude bereitet. Als er starb, hat es Kate das Herz gebrochen. Sie war so deprimiert, dass es ihr nicht mal viel ausgemacht hat, von den Silvers das Todesurteil zu bekommen. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, sie war dankbar dafür, dass sie ihr Leben nicht mit dieser Leere in ihrem Herzen weiterführen musste. Nun ist es an mir, mit den Verlusten klarzukommen. Und ich gebe zu, dass ich es nicht geschafft habe, Benjamins und Kates Sachen wegzuräumen. So kommt es mir ein wenig so vor, als gäbe es die beiden noch.«

      »Aber jetzt liege ich in Benjamins Bett. Stört Sie das nicht?«

      »Nein. Anfangs dachte ich, es würde mich stören, aber ich stelle fest, dass es mich sogar tröstet.«

      River dachte darüber nach, dann sagte er ebenso leise wie bestimmt: »Aber ich bin nicht Benjamin, das dürfen Sie nicht vergessen. Ich war nie ein kleiner, behüteter Junge.«

      »Richtig, das warst du ganz bestimmt nicht. Doch nun werde ich auf dich aufpassen.«

      »Und mich weiterhin verwandeln? Von einem Menschen in einen Cyborg?«

      »Ja, genau das werde ich tun, denn wenn ich es nicht tue, wird dein Herz-Kreislaufsystem zusammenbrechen. Du lebst nur noch, weil dein internes Stromnetz alles im richtigen Maße versorgt.«

      »Dann bin ich froh drüber«, entgegnete River so abgeklärt, dass er Phil damit ein trauriges Lächeln entlockte.

      »Bist du nun bereit, mir von dir zu erzählen?«, fragte der alte Mann.

      »Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Ich kenne meine Eltern nicht. Mein Vater hat mich wohl nur gezeugt, aber er hatte keine Beziehung mit meiner Mutter. Glaube ich jedenfalls, weil sie mich mit vierzehn Jahren bekommen und zur Adoption