Cys vs. Silvers - River und Armand. Hanna Julian

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Название Cys vs. Silvers - River und Armand
Автор произведения Hanna Julian
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960894087



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dann den Kopf in seine linke Hand. Die rechte hatte er so kurz nach dem Aufwachen manchmal noch nicht unter Kontrolle. Die mechanischen Finger waren zur Faust geballt, obwohl er nicht wissentlich den Befehl dazu gegeben hatte. Die Kontrollleuchten in seinem linken Sehkraftverstärker meldeten einen unbekannten Fehler. Sie hatten schon viel zu lange kein Update mehr erhalten, um weiterhin einwandfrei funktionieren zu können. Nach etwa zehn Sekunden schaltete die Meldung sich ab und verkündete, dass sich alles wieder im Normalzustand befand. So normal, wie es einem Cyborg überhaupt möglich war. River stand auf. In seinem Unterschlupf war es düster. Er zog einen schmutzigen Vorhang zur Seite und blickte aus dem mit Stahl vergitterten Fenster. Gegen die Silvers hatte die Schutzvorrichtung den ehemaligen Bewohnern des Apartments nichts genutzt, das zeigten die beiden im Bett liegenden Skelette. Zwei geleerte Sektgläser standen auf dem Nachttisch. Daneben lag ein Röhrchen mit Schlaftabletten. Zu Rivers grenzenlosem Bedauern war es ebenfalls leer gewesen. Er verfluchte das Paar, das ruhig mit weniger Tabletten den Weg vom Leben zum Tod hätte antreten können. Aber sie wollten wohl auf Nummer Sicher gehen, und er konnte es ihnen nicht wirklich verübeln, auch wenn das bedeutete, dass er selbst jeden Abend darum kämpfen musste, ein paar wenige albtraumbehaftete Ruhestunden zu finden. Mehrere Fotos in der Wohnung zeigten das Paar. River hatte sich am Anblick der Frau gar nicht sattsehen können. Sie erregte ihn jedoch nicht, sondern er versuchte sich vorzustellen, dass seine Mutter genauso ausgesehen hatte. Und nur darum hatte er eines der Fotos eingesteckt, auf dem die Frau gütig lächelte. Etwa eine Woche musste das nun her sein, seitdem harrte er hier aus, bis Jack eintreffen würde. Solange tat er nichts anderes, als warten. In regelmäßigen Abständen überzeugte er sich davon, dass die Gegend frei von Silvers war. Der Blick aus dem Fenster ermöglichte ihm die Aussicht auf einen Teil der von Blättern bedeckten Straße. In jedem der vom Metall eingefassten Quadrate zog etwas anderes das Augenmerk auf sich: ein umgestürzter Baum. Eine verweste Leiche, daneben das Skelett eines Hundes, der die Leine um den nun viel zu dürren Hals trug. Überbleibsel eines alltäglichen Lebens, das es in dieser Form wohl nirgends auf dem Planeten mehr gab. Alles hatte sich verändert, seit die Silvers auf der Erde erschienen waren. Sie hatten sämtliche weiblichen Menschen zum Sterben verurteilt. Herrscher über Leben und Tod – die außerirdischen Invasoren hatten sich auf diesen Thron gesetzt, der zuvor angeblich einem Wesen gehörte, das man Gott genannt hatte. River war überzeugt davon, dass es keinen Gott gab, denn sonst hätte er seine wundervolle Mutter ganz bestimmt davor bewahrt, einen grausigen Tod zu sterben. Zumindest ging River davon aus, dass sie wundervoll gewesen war, auch wenn er ebenso überzeugt war, dass sie ihn nun, da er ein Cyborg war, verstoßen hätte. Wer wollte schon ein Geschöpf zum Sohn, das aus künstlichen Implantaten, Kabeln und mechanischen Kraftverstärkern bestand? River ekelte sich oft genug vor sich selbst, wie hätte es seine Mutter da nicht tun sollen? Bis vor kurzem hatte River sogar gedacht, dass er niemals so etwas wie Nähe erleben würde. Aber als Jack ihn kurz vor seiner Abreise sanft an Stellen berührt hatte, an denen River nie zuvor auf diese Art von einem anderen berührt worden war, hatte er es als tröstlich und erregend zugleich empfunden. Jack hatte genau gewusst, wie Rivers Körper funktionierte. Das hatte diesen erstaunt, denn wie er war Jack ein Cy – so wurden sie von den meisten Menschen mit Abscheu in der Stimme genannt. Die Cys unterschieden sich voneinander. Diverse Elemente und Schaltkreise sorgten für eine Individualität, die sich für River jedoch eher belastend anfühlte, als befreiend. Er sehnte sich nicht nach Einzigartigkeit, sondern danach, wirklich jemandem anzugehören. Seit Phils Tod brannte dieser Wunsch in ihm. In Jack hatte er nun endlich eine Person gefunden, der er nahe sein durfte. Und Jack hatte ihn förmlich studiert, um sich auf ihn einzustellen. Es war dem Freund tatsächlich vorzüglich gelungen.

      »Wir brauchen die Weiber doch gar nicht, um uns zu amüsieren«, hatte Jack kurzatmig geraunt, während ihm eine Träne übers Gesicht gelaufen war. River wusste nicht, ob sein Freund das selbst überhaupt bemerkt hatte, denn er war in diesem Moment viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sein hartes Glied mit Rivers Hand zu bearbeiten. Natürlich hatte er die nicht-mechanische gewählt und sie fest umklammert, damit River nicht im entscheidenden Moment aufhörte. Als es vorbei war, hatte er jedoch darauf bestanden, dass River sich ebenfalls entblößen sollte. Und der hatte es getan, weil er seinem Freund vertrauen wollte. Jack hatte gelacht, da Rivers Erektion nicht halb so steif war, wie seine eigene.

      »Weißt du, was meine Frau immer getan hat, wenn sie meine schlappe Nudel gesehen hat? Sie hat sie zwischen ihre Brüste geklemmt und gestöhnt, was das Zeug hält. Das hat ihn immer hoch gebracht. Aber bei dir …? Da müssen wir uns wohl was anderes einfallen lassen, denn geile Weibertitten gibt’s nicht mehr.«

      Und während River noch mit seinen Gedanken bei dieser Frau verweilte, die es nun schon lange nicht mehr gab, hatte Jack sich hinabgebeugt und seine schlappe Nudel zwischen die Lippen genommen. River hatte keine Ahnung gehabt, wie überwältigend das Gefühl sein würde, wenn jemand anderes ihn sexuell stimulierte, und Jack war überrascht gewesen, dass er so schnell abspritzte. Er hatte das Sperma ausgespuckt und River auf die Schulter gehauen.

      »Und? Fühlt sich gut an, oder? Du wirst schon sehen, wir kommen prima über die Runden, wenn wir es uns gegenseitig machen. Das nächste Mal möchte ich, dass du mir auch einen bläst. Das bist du mir schuldig.« Bis auf Phil waren es immer Männer wie Jack gewesen, die River durchs Leben geführt hatten. Männer, die wussten, wie man andere behandeln musste, um zu bekommen, was man wollte. Männer, die den Ton angaben und bestimmten, wohin River zu gehen hatte. So wie Jack es nun ebenfalls tat. Obwohl sie sich erst zwei Tage vor dem ersten sexuellen Kontakt in einem verlassenen und beinahe gänzlich leergeräumten Supermarkt kennengelernt hatten, entschied Jack nach zwei weiteren Tagen, dass sie gemeinsam auf das Schiff gehen sollten. Es handelte sich dabei um ein ehemaliges Kreuzfahrtschiff, das Fahrten in die ganze Welt unternommen hatte. Nun war es der einzige Ort, an dem die Cys, bis auf einige Ausnahmen, unter sich waren. Jack, der über zwei künstliche Beine verfügte und dessen halber Schädel aus Metall bestand, sehnte sich danach, nur noch mit jenen zu tun zu haben, die so waren wie er selbst. River hatte nie darüber nachgedacht. Für ihn war es alltäglich, beschimpft und bespuckt zu werden. Die Menschen wussten es eben nicht besser. Für sie waren die Cys eine Abart der Silvers, auch wenn das eine nichts mit dem anderen zu tun hatte. Obwohl sogar Frankenstein das anders gesehen hatte. Phil Raven, wie er mit richtigem Namen hieß, hatte River zu dem gemacht, was er heute war. Und so wütend River manchmal gerne auf ihn gewesen wäre, so sehr war ihm bewusst, dass er ohne diesen kauzigen alten Mann nicht mehr leben würde. Jack behauptete, dass das auch sicher besser so wäre, aber River teilte diese Meinung nicht. Er spürte einfach, dass es etwas in seinem Leben gab, das es noch zu entdecken galt. Er wusste instinktiv, dass er Großes bewirken würde. Also weigerte er sich vehement, an etwas zu verzweifeln, das nun mal nicht zu ändern war – und das bedeutete in seinem Fall, ein Dasein als halbkünstliche Lebensform führen zu müssen. Wenn er auf das Schiff gehen konnte, wäre das ohnehin keine große Sache mehr. Vielleicht würde er zum ersten Mal in seinem Leben eine Form von Frieden finden. Das zumindest war es, was Jack dort anstrebte. River wusste, wie wichtig seinem Freund das war. Und so hatte er es sich ebenfalls zum Ziel gesetzt, obwohl er den Gedanken einfach nicht los wurde, dass es in Wahrheit eine Flucht vor seinen Aufgaben war. Denn so sehr die übrig gebliebenen Menschen die Cys auch hassten, so sehr waren sie doch darauf angewiesen, von ihnen beschützt zu werden. Als die Silvers ihre Horden wie einen zerstörerischen Schwarm Heuschrecken über die Menschheit geschickt hatten, hatten sie ihre Technik mitgebracht. Operationswerkzeuge und technisch hochentwickelte Komponenten, die sie für sich selbst benötigt hatten, waren zurückgeblieben. Es war der Abfall einer Zivilisation, die sich praktisch täglich völlig neu erfand und jeder modernen Errungenschaft der Menschheit den Mittelfinger zeigte. Die Silvers waren gnadenlos überlegen, doch sie hatten unterschätzt, was die, die sie schon zerstört zu haben glaubten, aus ihren Hinterlassenschaften machen würden. Und die Silvers, die zurückgeblieben waren, um den Menschen den Rest zu geben, sahen sich nun bereits seit einigen Jahren einer neu erstarkten Menschheit gegenüber, die zumindest in einzelnen Teilen ihrer eigenen Art zu entsprechen schienen. Die Cys waren weder Mensch noch Silver. Und doch sahen die Menschen sie wohl eher als Silvers an, statt als Abkömmlinge ihrer eigenen Rasse. Sie waren gut genug, für die Menschheit zu kämpfen, doch nicht gut genug, ihr anzugehören. River nahm sein Schicksal dennoch an und tötete jeden Silver, der ihm in die Quere kam – und er hielt sich von Menschen fern, weil er wusste, dass sie ihn verachteten und fürchteten.