Название | Literaturvermittlung und Kulturtransfer nach 1945 |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Edition Brenner-Forum |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706561228 |
In Baecks Schrift wird die jüngste Katastrophe, die alle bisherigen Ausmaße der so leidensreichen jüdischen Geschichte übersteigt, nicht einmal erwähnt. […] Sein Buch ist eben, obwohl aus der Zeit geboren, irgendwie zeitlos. Daß ein Mann, der so Schweres in seiner Zeit erlebt hat, sich im Glauben so völlig von ihr ablösen kann, beweist eine Größe, vor der die Narben der Herzen nichts mehr bezeugen und auch die Einwände der kritischen Wissenschaft nichts mehr beweisen sollen. Denn bei dieser Gestalt ist entscheidend, daß sie, um ein Gleichnis aus dem alten jüdischen Schrifttum zu gebrauchen, wie ein Fels des Glaubens dasteht, den „keine Winde der Welt erschüttern können“.53
Schließlich Karl Thieme.54 Thieme war 1935, ein Jahr später als Walter Gurian, in die Schweiz geflohen und hatte dort zusammen mit ihm 1937 eine Denkschrift mit dem Titel Die Kirche Christi und die Judenfrage55 veröffentlicht, „die alle Christen, besonders aber den Papst und die römische Kurie dazu aufrief, gegen den zeitgenössischen Antisemitismus und die Judenverfolgung in Deutschland öffentlich Stellung zu beziehen.“ Ich zitiere das der Einfachheit halber aus dem wikipedia-Artikel über Thieme, wo es dann weiter heißt: „Seit 1947 war er Gast-, seit 1953 ordentlicher Professor für Geschichte, Philosophie und Deutschtumskunde am Auslands- und Dolmetscherinstitut der Johann-Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim. […] Mit Ernst-Ludwig Ehrlich prägte er die christlich-jüdische Verständigung dieser Jahre.“56 Also doch: ein Vertreter des christlich-jüdischen Gesprächs. Aber wo fand es statt? Im Freiburger Rundbrief, dessen Mitherausgeber Thieme seit 1948 war, und, soweit ich sehe, nicht im Hochland, das erstmals im Februarheft des Jahres 1959 (!) einen Hinweis auf den Freiburger Rundbrief brachte.57 Es scheint, als sei jene inhaltliche Bestimmung, wonach unter der „jüdische[n] Frage“ zu verstehen sei: „das Geheimnis der jüdischen Ausgesondertheit“,58 im Hochland auch als Diskursregel befolgt worden: Die „jüdische Frage“ wurde diskutiert,59 aber eben vorzugsweise nicht im Gespräch mit jüdischen Autoren.60 Das ist umso auffallender, als im Kösel-Verlag selbst, in dem Hochland erschien, das Erbe jüdischer Autoren und Autorinnen sehr wohl bewahrt wurde – man denke nur an die Werkausgaben von Martin Buber, Else Lasker-Schüler, Rahel Varnhagen von Ense, Karl Kraus, Ludwig Strauß und Werner Kraft –, ist aber vielleicht auch einfach damit zu erklären, dass Hochland nie als Gesprächs-Forum konzipiert worden war, sondern eben als ‚Revue‘. Abschließend zur Frage nach der „Auseinandersetzung zwischen den (zumeist jüngeren) avantgardistischen und den konservativen Vermittlern“. Mir scheint, dass man das Hochland damit gleich zweimal einem Raster unterwirft, das nicht zu ihm passt. Erstens nämlich ist es nie der Stil des Hochland gewesen, die große publizistische Kontroverse zu suchen. Eine solche, durch das Hochland ausgelöste öffentliche Kontroverse hat es nur einmal und ausnahmsweise gegeben, nämlich ein Jahr nach Schöninghs Tod die um Böckenfördes Aufsatz Der deutsche Katholizismus im Jahr 1933. Eine kritische Betrachtung aus dem Jahr 1961,61 und es ist vielleicht bezeichnend, dass die spätere Hochland-Mitarbeiterin Ida Friederike Görres ihren Brief über die Kirche 1946 im Novemberheft der Frankfurter Hefte und eben nicht im Hochland veröffentlichte (das in diesem November freilich gerade erst mit seinem Wiedererscheinen begonnen hatte, während die Frankfurter Hefte bereits im April an den Start gegangen waren und ihre Herausgeber überdies Görres um diesen Beitrag gebeten hatten62). Zweitens gab es aber auch im Hochland die hier unterstellte Frontbildung zwischen den „(zumeist jüngeren) avantgardistischen und den konservativen Vermittlern“ nicht, und zwar wiederum aus (zumindest) zwei Gründen: Zum einen war, anders als bspw. dem Ruf, der sich mit seinem Untertitel ausdrücklich als Forum der „jungen Generation“ verstand, dem Hochland nicht daran gelegen oder blieb es ihm auch verwehrt, „kulturelles Kapital aus der Zugehörigkeit zur jungen Generation zu beziehen“;63 sein kulturelles Kapital bezog es, wie gesehen, aus der Behauptung langjähriger Kontinuitäten, deren Fundamente in den frühen Mannesjahren der (Vor-)Vätergeneration gelegt worden waren (und denen ganz ungewöhnlich langlebige Leserbiographien korrespondierten64). Zweitens aber passte dieses Denken in modernehistorisch simplifizierenden Dichotomien auch nicht zum intellektuellen Habitus so weltläufiger Vermittlergestalten wie Wilhelm Hausenstein,65 Friedhelm Kemp oder (des im Hochland allerdings seltener publizierenden) Gustav René Hocke,66 die alle in weiträumig dimensionierten europäischen Kunst- und Literaturlandschaften bewandert waren und bereits in diesen Räumen des Vergangenen Phänomene von faszinierender Modernität entdeckt hatten – man denke nur an Hockes Manierismusstudien.
Dass solche Entdeckungen freilich nicht immer Sache des Hochland gewesen waren und sich auf diesem Gebiet der Literaturkritik gegenüber dem Vorkriegs-Hochland Carl Muths und seinen heimatkunstkonzeptgeprägten Ausgangslagen