Название | Literaturvermittlung und Kulturtransfer nach 1945 |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Edition Brenner-Forum |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706561228 |
Dass neben den beiden jungen Tirolern Kirschl und Pfaundler doch auch ein Nachruf von Friedrich Torberg im Fenster erschien, begründete Pfaundler wie folgt: „Diese Verbeugung war wohl sehr angebracht, da sie ja nicht der Person Torbergs gilt, sondern der einzigen kulturellen bedeutungsvollen Zeitschrift Österreichs, dem Forum, dessen Gründer Torberg ist.“68 Torberg bescheinigte Ficker „Einklang von […] Wort und Tat“.69 Allein „durch seine bloße Existenz“ habe er ein „Schamgefühl“ hervorgerufen.70
Detail am Rande: Martin Heidegger, den Ficker 1952 anlässlich einer Gedenkfeier auf der Bühlerhöhe in Baden-Baden kennen gelernt hatte, kam trotz Aufforderung seitens Pfaundlers dem „Wunsch nach einem Nachruf “ für den von ihm „so hochverehrten Herrn v. Ficker“ nicht nach: „Ich bin gerade von Athen, wo ich einen Vortrag zu halten hatte, zurückgekehrt und muss in der nächsten Woche zu einem festgelegten Arbeitstermin in Zürich sein.“71
Im Großen und Ganzen wurde Ficker in den Nachrufen zur prophetischen Führergestalt stilisiert. Dies geschah vor allem in jenen Beiträgen, die in der katholischen Presse erschienen und Ficker und den Brenner – bei gleichzeitigem Ausblenden kirchenkritischer Tendenzen, wie sie sich u.a. in den Beiträgen Theodor Haeckers manifestierten – für den Katholizismus vereinnahmten. Dies belegen Zuschreibungen wie „Pionier, Prophet und Bewahrer in Personalunion“, „Fährtenleger in ein Neuland des –Geistes“,72 „Seher und Kritiker des Christentums“,73 „Führer einer geistig-literarischen Erneuerungsbewegung in christlich-existentiellem Geist“74 und „Leuchtturm auf Felsengrund im Strudel der politischen und kulturellen Umwälzungen“75 deutlich. Immer wieder wird auf Heers Formulierung „Hüter des frommen und freien Geistes“76 rekurriert. Auffallend sind auch die biblischen Bezugspunkte. So sah Franz Seyr die Funktion Fickers in jener „des Wegbereiters zu einer wahren Christophorusgestalt“.77 Heer erhob Fickers Leben zur „Karfreitags-Existenz“.78 Für Edgar Traugott war dessen Mühlauer Wohnhaus „ein Kreuzweg und Umschlagplatz des europäischen Geistes“.79 Gräfin Maria Strachwitz-Trapp schließlich brachte die Tendenzen zur ‚Heiligsprechung‘ Fickers in den aus heutiger Sicht sehr pathetischen Nachrufen in einem Schreiben an Torberg auf den Punkt, wo sie auf dessen Nachruf im Fenster Bezug nahm:
Vor allem hat es mich gefreut, dass dieser Nachruf ohne Phrasen und ohne Pathos geschrieben ist, wie das sonst so oft der Fall ist, und was so gar nicht zu ihm gepasst hätte. Sie haben es getroffen, ihn derart „richtig“ darzustellen, dass er mir lebendig vor Augen gestanden ist. Genau so war er – und auch für mich war er das, was ich mir unter einem Heiligen vorstelle.80
Die unhinterfragte Vermutung, dass Fickers Rang in der österreichischen Literatur- und Kulturgeschichte nun tatsächlich im Bewusstsein der Allgemeinheit verankert wäre, wie es die offiziellen Würdigungen nach seinem Tod nahe legten – in Wien galt Fickers Wort angeblich alles („H. v. F. kommt dort gleich nach dem lieben Gott!“)81 –, wurde kurz nach Fickers Tod jedoch durch das laut Hans Rochelt „[b]eschämende Desinteresse“ widerlegt, das dem Buch Denkzettel und Danksagungen, das Aufsätze und Reden Fickers enthält und im Kösel-Verlag erschien, entgegengebracht wurde. Rochelts enttäuschte Diagnose, die einen Warnruf an alle Wissenschaftler beinhaltet, lautet wie folgt: „Die Geborgenheit, die immer noch alle mit dem ‚Brenner‘ und seinen Autoren Befaßten umschließt, mag ihnen den Blick für die Realität getrübt haben.“82
Anmerkungen
1 Ludwig von Ficker. In: Tiroler Nachrichten, 7.1.1946.
2 Karl Grünwald an Ludwig von Ficker, 10.8.1952. Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Universität Innsbruck, Nachlass Ludwig von Ficker (im Folgenden kurz FIBA, NL Ludwig von Ficker), Sign. 41-15-28-6.
3 Friedrich Pater an Ludwig von Ficker, 20.6.1954. FIBA, NL Ludwig von Ficker, Sign. 41-35-56-5.
4 Hohe Ehrung für Ludwig von Ficker. In: Der Volksbote, 15.4.1955.
5 Karl Grünwald an Ludwig von Ficker, 10.8.1952. FIBA, NL Ludwig von Ficker, Sign. 41-15-28-6.
6 Friedrich Heer: Der letzte „Brenner“. In: Die österreichische Furche, Nr. 35, 27.08.1955, 9.
7 Erik Peterson an Ludwig von Ficker, 11.8.1954. FIBA, NL Ludwig von Ficker, Sign. 41-36-14-3.
8 Hans Kestranek an Ludwig von Ficker, 8.1.1949. FIBA, NL Ludwig von Ficker, Sign. 41-22-58-2.
9 Ludwig von Ficker an Hans Kestranek, 4.1.1949. FIBA, Teilnachlass Hans Kestranek, Sign. 6.2.2.9.
10 Ludwig von Ficker an Hans Kestranek, 8.12.1947. FIBA, Teilnachlass Hans Kestranek, ebenda.
11 Ludwig von Ficker an Eberhard Steinacker, 7.4.1935. FIBA, Kopiensammlung Korrespondenz Ludwig von Ficker.
12 Am 12. April mittags kamen in Fickers Büro Landeskulturreferent Hans Gamper mit Gottfried Hohenauer und Joseph A. Steurer vom Kulturreferat, Bürgermeister Anton Melzer, Rektor Hugo Rahner und Prorektor Gustav Sauser mit den engsten Mitgliedern der Familie Ficker und dem engeren Freundeskreis zusammen.
13 Max Stefl: Der Begründer des „Brenner“, Ludwig von Ficker, feiert heute seinen 70. Geburtstag. In: Süddeutsche Zeitung, 13.4.1950.