Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi. Inger Frimansson

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Название Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi
Автор произведения Inger Frimansson
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726445039



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wuchsen mittlerweile Haare. Sie würde ihm später helfen sie abzuschneiden. An diese Stellen kam man selbst nicht heran.

      »Tut das gut?«, fragte sie und schluckte. »Gefällt dir, was ich mit dir mache?«

      Sein Kopf nickte in ihrem Schoß.

      »Du weißt, dass du äußerst geschickte Hände hast.«

      Sie lächelte ein wenig, sehnte sich nach einer Sprite oder einer eiskalten Cola, so wie sie in der Reklame immer aussah.

      »Ich werde bei meinen Eltern duschen«, sagte sie.

      »Was?«

      »Ich habe gesagt, dass ich duschen werde, wenn wir nach Falköping kommen.«

      »Verdammt! Wann wollten wir dahin?«

      »Heute.«

      »Nein.«

      »Doch. Darüber haben wir doch gestern noch gesprochen.«

      »Ich hatte es wieder vergessen.«

      »Jedenfalls müssen wir hinfahren.«

      »Müssen wir wirklich?«

      »Na, hör mal . . .«

      »Können wir sie nicht anrufen?«

      »Wir haben doch das Handy nicht dabei. Du hast doch selbst vergessen es mitzunehmen.«

      »Wir könnten zu einer Telefonzelle fahren.«

      »Nein, dann müssten wir schon jetzt anrufen. Das verwirrt alte Menschen immer so, es ist keine gute Idee, plötzlich Abmachungen zu ändern.«

      Er schwieg.

      »Okay«, fuhr sie fort, »wenn du jetzt aufstehst, dich anziehst und zu einem Telefon fährst, wenn du das tust, bleiben wir hier.«

      »Dann fahren wir eben hin«, sagte er kurz angebunden. »Wie es ausgemacht war. Aber dann musst du fahren.«

      »Du spinnst wohl.«

      »Also ich kann nicht fahren, ich glaube, ich bin immer noch betrunken.«

      »Meinst du vielleicht, mir geht es anders?«

      »Dann müssen wir eben hier bleiben!«

      »Ulf, das geht wirklich nicht, du weißt doch, wie sehr Papa sich auf unseren Besuch gefreut hat, er wäre furchtbar enttäuscht, er hat die Hölle auf Erden zu Hause mit Mama, die . . .«

      Ulf zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. Sie beugte sich über ihn und hielt ihn fest.

      »Komm in mich, sei in mir, komm in mir.«

      Er lachte verwirrt.

      »Doch. Tu es, tu es, ich sehne mich danach.«

      Daraufhin legte er sich auf sie und sein Glied wurde steif, aber seine Augen waren geschlossen und er kam in ihr mit einem kurzen und unfreundlichen Schrei.

      7. KAPITEL

      Als sie aufgestanden waren und Kaffee getrunken hatten, ging es ihnen etwas besser. Beth nahm zwei Kopfschmerztabletten, hatte aber dennoch das Gefühl sich zu erkälten. Sie stand in der Küche, in der es noch kühl war, und trug ihr neues Sommerkleid.

      »Steht es mir?«, fragte sie.

      Er sah sie mit halb geschlossenen, glasigen Augen an.

      »Klar.«

      »Vielleicht steht mir die Farbe doch nicht richtig, vielleicht hätte ich es besser doch nicht gekauft, was meinst du?«

      »Doch, es sieht gut aus.«

      Sie gingen in den Garten hinaus. Keine Vögel, keine Geräusche, nur das Rascheln der verbrannten Blätter, die in Massen von den Bäumen fielen. Die Luft war heiß. Ulf drehte eine Runde um das Haus und kontrollierte sorgfältig, ob alle Fenster gut verriegelt waren.

      Er sieht so mitgenommen aus, schoss es ihr durch den Kopf. Sie breitete die Arme aus, Regen, dachte sie, Regen, es soll regnen.

      Die Katze ließ sich nicht blicken. Beth hatte immer Angst, sie oder eines der Kätzchen könnte sich unter dem Auto verstecken und sie und Ulf es nicht bemerken, wenn sie losfuhren. Sie kniete sich hin und sah nach, ihre Kopfschmerzen verschoben sich nach vorn und saßen jetzt unmittelbar hinter ihrer Stirn.

      »Alles in Ordnung«, rief sie. »Keine Katzen.«

      Er reichte ihr die Autoschlüssel.

      »Du musst jedenfalls fahren.«

      Die Wohnung lag in einem zweistöckigen Haus, das in den dreißiger Jahren erbaut worden war. Es gab einen Parkplatz für Gäste, auf dem sie den Wagen abstellten. Viel zu spät fiel ihr ein, dass sie gar kein Mitbringsel dabei hatten, einen Blumenstrauß oder eine Tafel Schokolade. Sie war langsam gefahren und hatte sich überholen lassen, aber als sie auf die Standspur auswich um den Überholenden Platz zu machen, war ihr mehrmals schwindlig geworden, sodass sie das Gefühl hatte, im nächsten Moment in den Straßengraben zu fahren. Ulf saß mit geschlossenen Augen neben ihr. Sie glaubte, dass er schlief, und wurde wütend auf ihn. Sie war genauso müde wie er.

      Sie spähte zu den Fenstern ihrer Eltern hinauf. Grüne Vorhänge mit großen geometrischen Figuren, hässlich, ein Überbleibsel aus den Siebzigern. Sie erkannte sie wieder, früher hingen sie in einem Zimmer ihres Elternhauses. Die Fensterscheibe war schmutzig, ein Vogel hatte seinen Kot darauf fallen lassen. Keine Topfpflanzen, aber ein still stehendes Mobile, das schräg an einer Spirale hing.

      Sie sah Fliegen vor sich.

      Ulf war ausgestiegen, schlug die Autotür zu und trat zu ihr. Jemand hatte mit einer Harke Rillen in den groben Kies gekratzt. Ein Wegerichblatt spross aus der Erde. Ihre Waden zitterten und schmerzten.

      »Dann wollen wir mal«, aber war das wirklich sie, die das sagte, gehörte diese dünne, piepsige Stimme wirklich ihr, waren das ihre Füße dort unten in den braunen Sandalen?

      »Ja, uns bleibt wohl keine andere Wahl«, drang seine Stimme zu ihr durch. Seine Worte waren wie flatternde Insekten und sie hob einen Fuß und fiel hin.

      Feiner Kies blieb in ihrem linken Bein stecken.

      Sie spürte keinen Schmerz.

      Sein Arm zog an ihr, zog sie hoch, sie schüttelte den Kopf, nein, es tat nicht weh. Ich bin nur mit dem Fuß umgeknickt.

      Wenn sie das überhaupt sagte.

      Der Hauseingang stand offen, sodass keine kühlende Dunkelheit sie empfing, ein Stück Teppich lag im Korridor, altes Laub. Ihre Hand am Geländer, der ganze Unterarm, sie zog sich Stufe für Stufe hoch.

      Ulf war dicht hinter ihr.

      »Du blutest, Beth.«

      »Das macht nichts.«

      »Das muss sauber gemacht werden, wenn du duschst, kriegst du das bestimmt sauber.«

      Jetzt drehte sich wieder alles. Sie musste stehen bleiben. Am gleichen Knie hatte sie eine alte, weiße Narbe. Damals war sie noch klein gewesen und mit dem Fahrrad eine Kurve gefahren. Sie hatte sich in die kleine Kirche geschlichen und zwei Ansichtskarten gestohlen. Es war merkwürdig, sie wollte die Karten gar nicht haben, auf der einen war ein Jesusbild mit Lichtern und Glorienschein und auf der anderen eine Schwarz-Weiß-Fotografie der Kirche abgebildet. Sie wollte die Karten eigentlich gar nicht haben, nahm sie aber trotzdem. In der dämmrigen Stille leuchtete auf einmal ein Blitz über den Bankreihen auf. Ein flammendes, aber lautloses Licht, weiß und blendend. Da lief sie davon und schwang sich, die Karten an die Brust gedrückt, auf ihr Fahrrad. Als sie fiel, hielt sie die beiden Ansichtskarten immer noch in der Hand.

      Der Fahrer eines Kleinlasters hatte angehalten.

      »Ich fahr dich nach Hause«, aber das wollte sie nicht, kniff den Mund zusammen und schwieg eisern.

      Er sagte: »Du hast einen Schock. Deshalb kannst du nicht sprechen. Das bleibt nicht so. Das geht wieder vorbei.«