Adular (Band 2): Rauch und Feuer. Jamie L. Farley

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Название Adular (Band 2): Rauch und Feuer
Автор произведения Jamie L. Farley
Жанр Языкознание
Серия Adular
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038961550



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Hand übers Gesicht. »Als ich gestern meinen Marktstand aufgebaut habe, bin ich von einem Zwerg angespuckt und beschimpft worden. Erst dafür, dass ich Dunkelelfen heile, und dann allgemein dafür, ein Mensch und Magier zu sein.«

      Die Waldelfin schlang die Arme um ihren Oberkörper. »Es fühlt sich an, als würden sie nach Gründen suchen, nicht wahr?«

      »Sie haben Angst.« Arik kratzte sich an der Wange. Ein raues Geräusch erklang, als seine Finger über die dunklen Bartstoppeln fuhren. »Deshalb suchen sie einen Schuldigen, jemanden, bei dem sie ihre Angst in Zorn umwandeln können. Ich bin mir sicher, dass es dem Zwerg danach wesentlich besser ging.«

      Elanor schnaubte leise. »Ihm schon.« Sie sah zu ihm auf. »Hast du Neuigkeiten aus der Aschegrube?«

      »Nein. Nachdem Hastor das letzte Mal dort gewütet hat, ist alles ruhig geblieben«, antwortete Arik.

      Hastor Adaël hatte mit der Stadtwache unten in der Aschegrube gestanden und den Dunkelelfen das wenige genommen, das sie besaßen. Die zerstörerischen Flammen des Scheiterhaufens aus Möbeln, Kleidung und Kinderspielzeug loderten in ihrem Gedächtnis. Sie hörte das ferne Echo der zustimmenden Bevölkerung und Naras unermüdliches Schimpfen.

      Doch wann war das passiert? Vor einer Woche? Bevor oder nachdem sie Dûhirion ihre Schwangerschaft gestanden hatte?

      Plötzlich war sie sich nicht einmal mehr sicher, ob es wirklich erst einige Tage her war, dass Maryn bei ihr gewesen war.

      Arik seufzte leise. »Ich denke, ich sollte jetzt gehen.« Er legte eine Hand auf ihre Schulter. »Brauchst du etwas von mir? Ein leichtes Schlafmittel?«

      »Nein. Aber ich danke dir für deine Sorge«, erwiderte die Waldelfin.

      »Wie du wünschst.«

      »Danke, dass du mich begleitet hast«, sagte Elanor leise. »Versuch heute Nacht auch etwas Schlaf zu bekommen, ja? Und pass auf dich auf!«

      Der Heiler lächelte leicht und wandte sich dem Ausgang zu. »Ich kann nichts versprechen.«

      Plötzlich erfüllten kräftige Schläge gegen die Tür das Haus. Elanor fuhr zusammen und Arik stolperte erschrocken einen Schritt zurück.

      »Jemand zu Hause? Hallo?«, rief eine männliche Stimme.

      »Komm raus, dreckige Hure! Wir haben dich ins Haus gehen sehen«, brüllte ein zweiter Mann lallend.

      Ihr Herz schien ihr bis in den Hals zu pochen und hämmerte unangenehm gegen ihren Kehlkopf. Das waren die Betrunkenen, die sie vorhin angepöbelt hatten.

      »Ich tue dir nichts«, fuhr der erste Mann fort. »Möchte bloß ein paar Zärtlichkeiten von dir. Ich bezahl auch gut.«

      Arik legte langsam einen Zeigefinger an seine Lippen. Elanor schlich zum Fenster und spähte durch den schmalen Spalt zwischen den Vorhängen nach draußen. Die vier Waldelfen hatten sich vor ihrer Tür versammelt. Zwei von ihnen hielten immer noch ihre Humpen in den Händen, der Dritte trank aus einer Weinflasche, während der Vierte ununterbrochen mit seiner Faust gegen ihre Tür schlug.

      »Lass uns rein«, forderte der zweite Mann. »Wir haben doch gesehen, dass du nicht nur Dunkelelfen nimmst. Ist der Magier immer noch da?«

      Elanor zog ein Stilett aus dem Schaft ihres Stiefels und wich zurück, bis sie neben Arik stand. Seit der Konfrontation mit den Grauwölfen, insbesondere mit Canis Lupus, und den zunehmend aggressiver werdenden Anfeindungen der Stadtbewohner trug sie es unentwegt bei sich. Sie war nicht erpicht darauf, es zu verwenden, doch sollten diese Männer tatsächlich ins Haus eindringen, würde sie sich ihnen nicht kampflos ergeben.

      »Sie werden es nicht wagen einzubrechen«, flüsterte Arik. »Und wenn doch …«

      Elanor konnte fühlen, dass er Magie in seinen Händen bündelte. Ein seichter Wind umgab seine Finger und bewegte seine weiten Ärmel.

      Wenn sie es doch wagen, sind wir vorbereitet, vollendete sie seinen Satz.

      »Vielleicht hat sie gerade wirklich eine Grauhaut unter ihrer Decke versteckt«, vermutete der erste Mann. »Lass mich rein! Ich will zusehen.« Gelächter folgte seinen Worten. Nur der Vierte lachte nicht.

      Elanor ignorierte das Zittern ihrer Hände und das erstickende Gefühl, ihre Eingeweide würden sich in ihren Rachen drängen.

      Die Tür hält stand, dachte sie. Solange sie draußen und wir drinnen sind, können sie uns nichts tun.

      Sie sollte nicht überrascht darüber sein, dass sich die Männer entschieden hatten herzukommen. Es war bloß der nächste Schritt. Vor wenigen Tagen hatten Vandalen ihre Tür mit rohen Eiern und Fäkalien beschmiert, sie als ›Dunkelelfenhure‹ beschimpft.

      »Wir wollen alle sehen, wie du die Grauhaut vögelst, ohne dir die Pest einzufangen«, rief ein dritter Waldelf. »Ist der Heiler deshalb dabei?«

      »Der macht mit«, widersprach der Zweite. Sein Lachen wurde mehr und mehr zu einem Gackern. »Seid kurz leise! Vielleicht können wir das Bett knarzen hören.«

      Die Tür hält stand, wiederholte sie. Solange sie draußen und wir drinnen sind, können sie uns nichts tun.

      Ihr Herz hämmerte schmerzhaft in ihrer Brust. Wie ein kleiner Vogel, der in einem viel zu engen Käfig gefangen war, schien es gegen ihre Rippen zu schlagen, im verzweifelten Versuch, dem zu entkommen.

      Sie fühlte Ariks Hand, die sich beruhigend auf ihre Schulter legte.

      »Ich bin hier«, raunte er. »Was auch geschieht: Sie werden dir nichts tun.«

      Elanor nickte dankend, ohne die Tür aus den Augen zu lassen.

      »Mach endlich auf. Bitte, bitte«, forderte der erste Mann.

      Etwas wurde mit großer Wucht gegen die Tür geschleudert. Glas zersplitterte und die Männer johlten zustimmend.

      Elanor zuckte heftig zusammen und hätte fast ihre Waffe fallen lassen. Sie schloss die Finger fester um den Griff. Ihre Lunge schien sich kaum mit Luft zu füllen. Ihr Bauch war im Weg, verhinderte einen tiefen Atemzug.

      »Hoppla. Da ist ihm wohl die Flasche aus der Hand gerutscht.« Der zweite Waldelf gluckste. »Hey, Heiler. Ich hab mich furchtbar geschnitten. Kannst du dir eine Hose anziehen und mir helfen?«

      Elanor atmete zu schnell, zu flach. Ihr Bauch wurde unerträglich schwer, als wäre er mit Steinen gefüllt. Er drückte auf ihre Organe, verbog ihr Rückgrat.

      Der erste Mann kicherte wie ein unreifer Jüngling. »Und währenddessen kommt der Rest von uns zur holden Maid. Wirst schon sehen, wir sind alle ganz sanft zu dir. Dein dunkelelfischer Freier darf auch mit heiler Haut dein Haus verlassen, wenn du mit ihm fertig bist. Wir verpetzen ihn nicht an seinen Herrn.« Er schnaubte, lachte lauter.

      Sein Gelächter warf ein Echo in ihren Ohren, wurde zu einem vielstimmigen Chor. Das Gefühl einer Hilflosigkeit, die sie in ihrer Kindheit oft empfunden hatte, floss ölig und zäh in ihren Rachen.

      Das kreischende Lachen von hämischen Kindern hallte aus einer fernen Erinnerung durch ihr Haus. »Elanor hat keine Eltern«, riefen sie gemeinsam. »Elanor hat keine Eltern.«

      Wind streifte ihre Haut, zog sie in die Gegenwart zurück. In Ariks Faust wütete ein regelrechter Sturm. Er war klein und geballt, ein weißgraues Bündel einer gebändigten Kraft, die jederzeit entfesselt werden konnte. Der Magier selbst erschien bemerkenswert ruhig, fokussiert. »Tief durch die Nase atmen«, flüsterte er. »Ein … und aus …«

      Elanors Lippen waren ein dünner Strich. Sie folgte dem Rhythmus, den er vorgab.

      »Schwachsinn«, bellte plötzlich der Vierte im Bunde, und ihre Tür wurde erneut durch einen kräftigen Schlag erschüttert. Fast hätte die Waldelfin aufgeschrien. »Mach auf, Miststück! Ich hole diese Missgeburten aus dir heraus. Das, was du in deinem Leib trägst, darf nicht existieren.«

      Seine letzten Worte verwischten. Rauschen. Bienensummen. Hitze schwelte in der Kälte ihrer Brust, wand sich langsam durch