Adular (Band 2): Rauch und Feuer. Jamie L. Farley

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Название Adular (Band 2): Rauch und Feuer
Автор произведения Jamie L. Farley
Жанр Языкознание
Серия Adular
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038961550



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in die Augen. »Und vielleicht ein letztes Mal an deinen gesunden Elfenverstand zu appellieren.« Beim zweiten Satz war die Unsicherheit fast gänzlich aus ihrer Stimme gewichen. »Dûhirion, wenn du unschuldig bist, dann dürfen sie dir nichts antun. Gib ihnen die Informationen, die sie haben wollen, ich bitte dich!«

      Er lachte humorlos und verfiel in ein trockenes Husten. Seine gebrochenen Rippen protestierten mit hämmernden Schmerzen gegen die abrupte Bewegung seines Brustkorbs. »Ich habe … versucht ihnen zu erklären, dass ich … nichts weiß.« Das Gespräch erschöpfte ihn zunehmend, seine Zunge war furchtbar schwer. Dûhirion sehnte sich nach einem langen Schlaf. Traumlos und leer, nur ein weites Feld aus weicher, warmer Dunkelheit, in der er sich erholen konnte.

      Maryn tippte unruhig mit einem Fuß auf den Boden und schien um Worte zu ringen. »Dûhirion … willst du es wirklich so weit kommen lassen? Ich bin mir sicher, wenn du der Gilde erklärst, dass Valion alleine gehandelt hat oder dass er dich dazu gezwungen hat, mit ihm und den Rebellen zu kooperieren …« Die Zwergin ging einige Schritte auf und ab. »Du könntest dich retten. Du könntest … könntest dich als Köder anbieten. Locke Valion zur Gilde, damit er für seinen Verrat bestraft wird und nicht du!«

      »Nein, kann ich nicht«, erwiderte Dûhirion monoton.

      Maryn blieb abrupt stehen. »Warum nicht?«

      »Weil ich … Valion das nicht …«

      Die Zwergin schlug mit beiden Fäusten gegen die Gitterstäbe. »Aber Elanor und deinen ungeborenen Kindern?«

      Der Dunkelelf zuckte zusammen. »Woher weißt du …?«

      »Ich bin bei ihr gewesen«, antwortete sie und senkte die Stimme. »Vor mittlerweile vier Tagen. Ich sagte ihr, wie es um dich steht und dass du nicht mehr zu ihr zurückkehrst.«

      Nein. Nein, nein, nein, echote es in seinem Kopf. So sollte es nicht kommen. Was wird aus ihr und den Kindern ohne mich? Ich kann … ich darf sie nicht allein lassen. Ich muss …

      »Wie hat sie … was hat sie …?«, stammelte er.

      Maryn schnaubte traurig. Sie streckte ihre Arme durch die Stäbe und lehnte die Stirn dagegen. »Wie würdest du reagieren, wenn man dir erzählt, dass dein Liebster und Vater deiner Kinder tot ist?«

      Er schwieg. Elanor glaubte bereits, dass er tot wäre. Sie würde allein zur Magierakademie Krähenfels aufbrechen müssen. Allein die Kinder großziehen. Weder ihr geliebter Onkel konnte ihr folgen noch Nara und Arik.

      Dûhirions Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen. Er hatte Elanor in einer Welt zurückgelassen, die sie und ihre Kinder verabscheute.

      »Du hättest Adular mit ihr verlassen, oder?« Maryns Worte hingen anklagend über ihm. »Nachdem du sie geschwängert hast, müsstest du dafür sorgen, dass deine Kinder älter als ein paar wenige Tage werden. Natürlich wärt ihr gegangen. Aber das hätte dir nicht gereicht, oder? Hättest du Umbra den Rücken gekehrt?«

      Er schwieg.

      Ich kann nichts tun, um Elanor zu schützen. Kann ihr keinen Halt geben. Kann sie nicht unterstützen. Ich habe versagt …

      »Wie du sagtest: Assassine und Familienvater verträgt sich nicht.« Maryn verengte die Augen, ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sie klang gleichermaßen enttäuscht und wütend. Als würde sie allein den Gedanken nicht ertragen, dass Dûhirion sich von Umbra abwandte.

      »Ich hätte mich nicht von Umbra abgewandt«, log er und drehte ihr den Kopf zu.

      Niemand entkam der Gilde lebend. Das würde er bald am eigenen Leib erfahren.

      Maryn runzelte die Stirn. »Und wie hättest du dir das vorgestellt? Familienleben und Meuchelmörder?«

      »Spielt keine Rolle.« Er blickte wieder an die Decke. »Weiß … sonst noch jemand von ihr?«

      »Nein. Ich habe dafür gesorgt, dass mich niemand sieht, als ich zu ihr gegangen bin«, antwortete Maryn schnell. »Willst du sie wirklich allein lassen?«

      Dûhirion schüttelte den Kopf.

      »Dann gib der Gilde, was sie fordert! Liefere ihr Valion aus und du kannst zu deiner Familie gehen!«

      »Maryn, du weißt, dass das nicht passieren wird.«

      »Valion oder Elanor.« Maryn umschloss die Gitterstäbe so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Das ist keine Wahl zwischen Cholera und Pest. Die Entscheidung sollte dir leichtfallen. Ich frage mich, warum das nicht der Fall ist. Aus reiner Loyalität Valion gegenüber oder weil du hinter dem stehst, was er tut?«

      Die Gilde wird mich hinrichten lassen, egal was ich ihnen anbiete, dachte Dûhirion nüchtern. Tot bin ich ein ebenso nützlicher Köder wie lebend. Ich habe keine Chance mehr und ich glaube, das weißt du genauso gut wie ich. Letztlich bin ich nur ein Dunkelelf und damit entbehrlich. Sobald Valion erfährt, dass mich Umbra auf dem Gewissen hat, wird er alle Vorsicht fallen lassen und herkommen. Er wird blindlings angreifen und ihnen direkt in die Falle gehen. Mich leben zu lassen, damit ich ihn anlocke, wäre bloß ein sadistischer Bonus, damit die Gilde dabei zusehen kann, wie ich meinen Freund hintergehe. Das ist vielleicht Hastors Weg, aber nicht Taremias. Sie denkt pragmatischer.

      Maryn stieß sich vom Gitter ab und fuhr sich erneut mit der Hand durchs blonde Haar. »Ich habe dich verteidigt, als sie behaupteten, du hättest Umbra verraten. Ich stand für dich ein.«

      »Das weiß ich zu schätzen«, erwiderte Dûhirion heiser.

      »Und weil du es ach so zu schätzen weißt, hältst du dem Verräter den Rücken frei?«, grollte die Zwergin. »Ich dachte, dir läge mehr an deinem Leben. Und an Elanor.«

      Dûhirion schloss einen Moment lang die Augen. Elanor bedeutete ihm alles. Hatte er ihr das je so deutlich gesagt, wie sie es verdiente? Er wusste, dass es keine Hoffnung mehr für ihn gab. Nicht einmal, wenn er eine andere Hautfarbe gehabt hätte. Hastor hatte ihn zu seinem persönlichen Feind erklärt und allein das war für diesen Hochelfen ein Grund, jemanden hinrichten zu lassen.

      Schritte näherten sich zügig seiner Zelle. Die Zwergin drehte den Kopf nach links und sah den Gang hinunter. Ihr Unterkiefer bewegte sich, als würde sie auf ihrer Unterlippe kauen. »Verdammt«, murmelte sie gepresst. »Uns geht die Zeit aus.«

      »Leb wohl, Maryn«, krächzte Dûhirion. »Und …«

      »Du solltest dir Dankbarkeit und Freundschaftsbekundungen vorerst sparen«, unterbrach sie ihn tonlos. Ein kalter Schatten fiel über ihr Gesicht und ließ ihre Züge gefrieren. »Da … ist noch etwas, was ich lieber nicht täte. Ich habe versucht es zu verhindern, aber das liegt nicht in meiner Macht.«

      Ächzend hob er den Kopf. »Was meinst du?«

      Die Zwergin zuckte hilflos mit den Schultern. »Dass es einen weiteren Grund gibt, warum ich hier bin.«

      Zwei Assassinen, ihrer Größe und Statur nach musste es sich um Waldelfen handeln, erschienen in seinem Blickfeld. Einer von ihnen trug ein schwarzgraues Brandeisen bei sich. Der Zweite ließ eine kleine Flamme auf seiner geöffneten Handfläche tanzen. Umbra kennzeichnete diejenigen, die die Gilde verraten hatten, und stellte ihre toten Körper danach öffentlich zur Schau. Er starrte auf das obere Ende des Eisens, die runde Scheibe, in die das zerbrochene Emblem der Gilde geprägt war.

      »Sie werden dir den Kopf abschlagen.« Maryns Stimme drang kaum zu ihm durch. »Und damit kannst du dich glücklich schätzen. Es wird schnell und schmerzlos sein. Wenn sie Valion in die Finger kriegen, kann er sich auf einen langsamen und qualvollen Tod gefasst machen.«

      Sie werden meinen Kopf ausstellen, dachte Dûhirion. Jeder wird ihn sehen. Elanor wird ihn sehen.

      Der Waldelf hielt die Flamme in seiner Hand an das Brandeisen. Binnen Sekunden begann es weiß zu glühen. Der zweite Waldelf überreichte Maryn das Eisen und öffnete anschließend die Zelle. Die beiden Assassinen packten Dûhirion an den Armen und zerrten ihn in eine kniende Position.

      Der Schmerz, der bislang gnädig dumpf gewesen war, zersplitterte