Adular (Band 2): Rauch und Feuer. Jamie L. Farley

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Название Adular (Band 2): Rauch und Feuer
Автор произведения Jamie L. Farley
Жанр Языкознание
Серия Adular
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038961550



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seinem unregelmäßigen Bart und summte nachdenklich. »Warum wollt Ihr das wissen?«

      »Ich habe eine Rechnung mit ihm offen«, antwortete Elanor knapp.

      »Und Ihr glaubt, ich helfe Euch bei Eurem Rachefeldzug? Dass ich einen meiner Brüder für etwas Gold ans Messer liefere?«, fragte die Schattenklinge. Ihr Tonfall war dunkler und bedrohlicher geworden. Offenbar hatte Elanor einen Nerv getroffen. »Es geht Euch einen feuchten Dreck an, wer unsere Assassinen sind und wo sie sich aufhalten.«

      »Vorsichtig«, warnte Arik hinter ihr. »Kommt der Frau nicht zu nahe!«

      Ivorien trat hörbar einen Schritt vor.

      Elanor atmete kaum merklich auf. Sie war derart auf ihr Gegenüber konzentriert, dass sie die Anwesenheit ihrer Begleiter völlig ausgeblendet hatte.

      Sie war nicht allein hier.

      Der Zwerg schnaubte verächtlich. »Für wen haltet Ihr Euch?« Anklagend richtete er seinen Zeigefinger auf sie. »Was nehmt Ihr Euch heraus, eine solch unverschämte Forderung zu stellen?«

      Das war sein wahres Gesicht.

      »Ich würde es nicht tun, wenn es nicht wichtig wäre. Ihr bekommt fünfhundert Goldkronen dafür.« Elanor tätschelte nervös nacheinander die beiden Geldbeutel an ihrem Gürtel. »Die Hälfte jetzt, die andere Hälfte, wenn Ihr mir verraten habt, was ich wissen will.«

      »Ihr scheint mich nicht verstanden zu haben, Spitzohr«, knurrte der Zwerg. »Umbra ist wie eine große, glückliche und mörderische Familie. Niemand sticht dem anderen ein Auge aus, jeder hält dem anderen den Rücken frei – wie in jeder Familie. Und das gilt für jedes einzelne Mitglied.«

      Elanor biss sich fest auf die Innenseite ihrer Wange. Sie mahnte sich eindringlich, still zu bleiben, nicht das Vorhaben zu gefährden, egal wie zornig sie diese Aussage machte.

      Niemand sticht einem anderen das Auge aus, äffte sie ihn innerlich nach. Welch Ironie, wenn ich bedenke, dass sie Säure in Dûhirions rechtes Auge gekippt haben.

      »Für jedes?«, fragte Arik. »Selbst für eine Grauhaut?«

      Elanor hörte, wie sehr es ihm widerstrebte, dieses Wort in den Mund zu nehmen.

      Grem antwortete nicht sofort. War er selbst nicht überzeugt von dem, was er sagte? »Ja.« Er reckte beinahe trotzig das Kinn. »Selbst für eine Grauhaut.«

      Sie war bereit, das Vorhaben abzubrechen. Es hatte keinen Zweck. Entweder fanden sie einen anderen Weg, Dûhirions Leiche zu bergen, oder sie musste sich mit dem Gedanken abfinden, dass seine Seele für die Ewigkeit bei Umbra gefangen blieb.

      Ihre Glieder wurden taub und ihre Schultern sanken nach unten.

      Nein, zischte eine scharfe Stimme in ihrem pochenden Hinterkopf. So leicht lasse ich mich nicht abwimmeln. Dûhirion wird nicht bei seinen Schändern bleiben. Ich konnte ihn nicht retten, aber ich werde alles tun, um ihm das Begräbnis zu geben, das er verdient.

      Elanor straffte sich wieder. »Ich bitte Euch, hört mich an, Schattenklinge! Ihr wisst, was in Orlean passiert ist? Ihr wisst, dass ein paar … räudige Dunkelelfen die Stadt überfallen, niedergebrannt und die Einwohner getötet haben? Mein … Vater war Teil der Stadtwache. Er war da, als diese Rebellen … Grauwölfe, wie sie sich nennen, über die Stadt hergefallen sind. Sie haben ihn verkrüppelt.« Ihre Kehle zog sich zusammen. Sie senkte einen Moment lang den Blick und sprach mit belegter Stimme weiter. »Diese dreckigen Missgeburten haben ihm den Rücken gebrochen und seine Beine gelähmt. Er hat mir erzählt, dass er inmitten des Kampfgeschehens einen Assassinen getroffen hat. Wisst Ihr, was dieser Bastard getan hat? Er hat meinen Vater als Schild benutzt.« Ihr Magen verkrampfte. Sie fühlte sich grässlich für ihre Ausdrucksweise und dafür, ihren toten Vater in ihre Lüge einzubinden.

      So was würde Dûhirion niemals tun, fauchte ihre innere Stimme.

      Die Waldelfin presste die Lippen aufeinander.

      »Und?«, schnaubte die Schattenklinge.

      Elanor funkelte ihn zornig an. »Mein Vater ist tot«, fuhr sie zähneknirschend fort. »Er hat sich die Kehle aufgeschnitten, weil er nicht als Krüppel weiterleben wollte. Wahrscheinlich … hat er auch die Schande nicht ertragen, dass er die Stadt nicht schützen konnte. In seinem letzten Brief an mich hat er mir den Assassinen beschrieben und mich gebeten, seinen Tod zu rächen. Ich habe meinen letzten lebenden Verwandten verloren, weil diese Schattenklinge ein Feigling war. Ich zahle Euch, was Ihr wollt. Es ist mir egal, wie viel Gold ich aufbringen muss. Ihr müsst ihn mir nicht ausliefern, warnt ihn von mir aus! Sagt mir einfach seinen Namen und ob er sich in der Zuflucht nahe Malachit aufhält.«

      Während sie sprach, wickelte sich Grem gelangweilt die Bartspitze um Zeige- und Mittelfinger. Obwohl sie sein Gesicht nicht erkennen konnte, wusste sie, dass er sie nicht mehr ansah. Seine offen gezeigte Gleichgültigkeit schürte die Wut in ihr.

      »Euch scheint die Familie sehr wichtig zu sein«, fügte Arik hinzu. »Es wäre ein Tausch. Einen Bruder gegen einen Vater.«

      Grem gähnte demonstrativ und strich seinen Bart glatt. »Seid Ihr wirklich so dumm zu glauben, Ihr könntet gegen einen Assassinen von Umbra bestehen?«

      Arik hob den Arm und ließ Funken aus seiner Handfläche springen. »Es ist einen Versuch wert.«

      Ivorien nickte bekräftigend.

      »Mein Vater war alles für mich«, sagte Elanor. Ihre geballten Fäuste bebten. »Wie Ihr seht, spürt mein Freund meinen Schmerz und will ihn um jeden Preis lindern.«

      »Um wirklich jeden Preis«, bestätigte der Magier. »Wenn es gegen den Kodex der Gilde geht … ist es eine Abmachung zwischen Euch und uns. Ihr bekommt das Gold, wir den Dunkelelfen. Dadurch finden wir entweder Gerechtigkeit oder den Tod.«

      »Es ist nur ein Dunkelelf«, fügte Elanor gepresst hinzu. Sie hasste sich für die nachfolgenden Worte. »Ich könnte Eure Zurückhaltung verstehen, hätte ich Euch nach dem Kopf eines anderen Zwergs gefragt. Aber bei einer Grauhaut?«

      Der Assassine ließ den Blick durch das leere Haus schweifen. »Tun wir so, als wäre ich interessiert. Was könnt Ihr mir über diesen Dunkelelfen verraten?«

      Elanors Rückenmuskulatur entspannte sich. Sie war Arik und Ivorien unendlich dankbar. Ohne die beiden wäre die Verhandlung an dieser Stelle vermutlich abgebrochen worden. »Sein rechtes Auge ist blind. Vater beschrieb es als ›weiß und trüb wie Nebel‹. Darunter befindet sich eine Narbe, die über seine Wange bis zum Unterkiefer verläuft.« Dûhirions Bild erschien vor ihrem geistigen Auge und ihr wurde kalt. Elanors Unterlippe zitterte. »Sein anderes Auge ist rot. Graue Haut, schwarzes Haar.«

      Die Erinnerung, wie sie ihre Finger durch den Irokesenschnitt und über die Stoppeln an den Seiten seines Kopfes fahren ließ, überkam sie. So intensiv, dass sie sogar glaubte, es spüren zu können. Ihre Fingerspitzen kribbelten und ihre Augen brannten. Sie ermahnte sich streng, nicht in Tränen auszubrechen. Nicht jetzt.

      War das genug? Würde sie sich verdächtig machen, wenn sie weitersprach und der Schattenklinge mehr Einzelheiten gab?

      »Damit kann ich arbeiten.« Grem stemmte die Hände in die Hüfte. »Könnte ich arbeiten.«

      »Wie viel verlangt Ihr?«, fragte Arik. Seine Stimme war schwer und ungewohnt kühl.

      »Dreitausend Goldkronen«, antwortete Grem bedächtig und deutete auf die Beutel an ihrem Gürtel. »Fünfhundert jetzt. Den Rest im Anschluss.«

      Elanor fühlte sich, als hätte er ihr mit ganzer Kraft in die Magengrube geschlagen. Der Schmerz in ihrem Kopf pulsierte gnadenlos. Dreitausend Goldstücke waren viel Geld für eine einzige Information. Die Leiche von Dûhirion zu erhalten, war nicht im Preis inbegriffen. »Eintausend«, versuchte sie zu verhandeln.

      »Dreitausend«, beharrte der Zwerg. »Nicht einen Kupfertaler weniger.«

      »Für diesen Preis könnten wir die Stadtwache anheuern, um den Assassinen verhaften zu lassen«, sagte Arik.

      Grem