Adular (Band 2): Rauch und Feuer. Jamie L. Farley

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Название Adular (Band 2): Rauch und Feuer
Автор произведения Jamie L. Farley
Жанр Языкознание
Серия Adular
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038961550



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Nicole und Kathrin.

      Für das Trio infernal, das wir damals geformt haben.

      Ihr seid die Besten und habt meine letzten beiden Schuljahre absolut großartig gemacht.

      Ich weiß, was auch immer geschieht: Ich muss keine Angst haben, denn der Kutscher kennt den Weg.

      Und unser Rottweiler macht den Weg frei.

      Fünf Tage zuvor

      Kalter, grauer Stein bildete die Wände des Kerkergewölbes. Scharfe Klingen, lange Sägen, Ketten und Peitschen schmückten sie. Zwischen ihnen waren Laternen verteilt, die ein fahles Licht in die Kammer warfen. Unter ihnen, nahe an der Wand, befand sich ein Tisch, der von einem schmutzigen Leinentuch verhüllt war. Verschiedene Wölbungen verrieten, dass sich unter dem Stoff weitere Scheußlichkeiten verbargen.

      Ließ man den Blick weiter wandern, erkannte man rechteckige Bänke mit eisernen Fesseln am Fuß- und Kopfende. Blutflecken hatten sich regelrecht in das Holz gefressen, Kerben und Brandflecken waren stumme Zeugen vergangener Grausamkeiten. In der hintersten Ecke befand sich ein winziger Käfig mit Gitterstäben, die so eng waren, dass man kaum einen Finger durch sie strecken konnte. Ein dornenbesetzter Stuhl mit Lederriemen an den Armlehnen und Fußstützen stand neben dem glühenden Kohleofen. Er spendete dem klammen Raum Wärme, Brandeisen ragten wie die steifen Gliedmaßen eines Toten aus seinem roten Schlund.

      Der Geruch von Blut und Elend lag schwer in der verbrauchten Luft. Hinter der verschlossenen Tür dieser Kammer hatten sich viele unaussprechliche Gräueltaten abgespielt. Seit Jahrzehnten fanden sich immer wieder arme Seelen in ihr wieder, den Boshaftigkeiten der Folterknechte hilflos ausgeliefert. Selbst wenn sie die Marter überstanden, würden sie diesen Ort mit gebrochenem Geist und Körper verlassen und niemals vergessen, was ihnen hier angetan worden war.

      Der Dunkelelf war oft hier gewesen in den letzten Tagen. Und mittlerweile bot er einen erbärmlichen Anblick: Nackt und zerschunden kniete er auf dem Steinboden. Die Hände hinter dem Rücken gefesselt, ein eisernes Halsband schnitt in seine dunkelgraue Haut und hatte nässende Wunden hinterlassen. Sein Oberkörper war gekrümmt, der Kopf hing kraftlos nach unten. Der deformierte Brustkorb hob und senkte sich schwerfällig, als wäre jeder Atemzug eine Mühsal. Strähnen seines fettigen schwarzen Haares klebten an seiner schweißnassen Stirn.

      Er war die Beute des Löwen. Ein Moment der Unachtsamkeit, gepaart mit unberechtigter Überheblichkeit, hatte dazu geführt, dass er in die Falle geraten war. Aus dem stolzen Grauwolf, für den er sich gehalten hatte, war ein abgemagerter, geprügelter Straßenköter geworden. Der Löwe würde sich nicht an seinem Fleisch laben, es war zu zäh und ungenießbar für ihn. Doch hatte er Gefallen daran gefunden, mit seinem Opfer zu spielen.

      Verächtlich starrte Hastor Adaël auf den Dunkelelfen nieder. Letztlich sollte selbst er in seiner dummen Sturheit begriffen haben, dass sein wertloses Leben Hastor gehörte, schon immer gehört hatte.

      Der Hochelf spannte die Kette, die er in der linken Faust hielt. Ein Ruck ging durch den Leib der Grauhaut. Ihr Kopf wurde in den Nacken geworfen, die rauen Kanten des Halsbandes gruben sich tiefer in ihre Haut, und sie landete bäuchlings auf dem Boden.

      »Aufstehen, Siebenunddreißig«, forderte Hastor und wickelte die Kette um seinen Unterarm. So lange, bis der Dunkelelf ächzend auf die Knie kam. »Warum tust du dir das an? Sag mir, was ich wissen will, und du bist erlöst!«

      Nummer Siebenunddreißig schwieg beharrlich. Das Privileg, mit seinem Namen angesprochen zu werden, hatte er eigenhändig verspielt. Bei ihrer ersten Begegnung hatte sich dieser räudige Köter geweigert, Hastor seinen Namen zu verraten, und sich auf den Kodex der Assassinengilde berufen.

      Damals hatte der Hochelf den Dummen spielen müssen und so getan, als wären ihm die Gesetze Umbras fremd. Heute wusste der Dunkelelf, wen er vor sich, wen er sich zum Feind gemacht hatte. Einen der mächtigsten Elfen im gesamten Kaiserreich nach Kaiser Galdir.

      Malachits Stadtwache war ihm unterstellt, Adulars stehendes Heer gehorchte seinem Wort. Er war Galdirs militärischer Berater, oberster Kriegsherr und ein Volksheld. ›Hastor der Löwe‹ nannte man ihn dank der vielen Schlachten, die er erfolgreich geschlagen hatte, dank der unzähligen Siege, die er im Krieg und in der Arena errungen hatte.

      Doch das, was Nummer Siebenunddreißig bis ins Mark erschüttert hatte, war die Tatsache, dass es sich bei Hastor um einen Obersten von Umbra handelte. Er hielt die Fäden der Assassinengilde, wie er die Kette zum Halsband des Dunkelelfen in der Hand hielt. Sich sein Wohlwollen zu verscherzen, war eine der dümmsten Entscheidungen, die der Köter jemals gefällt hatte.

      »Ich warte, Grauhaut.« Mit Wucht ließ Hastor das Ende der schweren Kette auf den geschundenen Rücken des Dunkelelfen niederfahren.

      Nummer Siebenunddreißig schrie auf. Die klaffenden Schnittwunden, die er ihm erneut zugefügt hatte, dehnten sich. Blut strömte über seine rechte Gesichtshälfte und geriet in das blinde Auge.

      Diese Schnitte waren Hastors Zeichen und es war ihm eine besondere Freude gewesen, sie Siebenunddreißig zuzufügen. Mit ihnen markierte er diejenigen, die in Ungnade gefallen waren. Widerspenstige Sklaven, aufmüpfige Grauhäute aus der Aschegrube. Früher, auf dem Schlachtfeld, hatte er seine Klauen auch durch die Gesichter seiner geschlagenen Feinde gerissen. Auf dass sie die Schmach ihrer Niederlage für immer im Antlitz trugen. Auf dass sie bei jedem Blick in den Spiegel daran erinnert wurden, dass sie dem Löwen unterlegen waren.

      Ohne den Blick von ihm zu nehmen, griff Hastor zur Seite und zog ein weiß glühendes Brandeisen aus der Glut. »Sag mir, Siebenunddreißig: Was ist deine größte Angst?« Der Hochelf betrachtete das Eisen einige Sekunden lang. »Fürchtest du den Tod? Schmerz und Demütigung? Oder ist es etwas Profanes, wofür du dich schämen müsstest? Schlangen, Spinnen, Ratten?«

      Langsam führte er das glühende Ende des Brandeisens an das sehende Auge des Dunkelelfen heran. Blanke Angst spiegelte sich in seinem Blick, ein Ausdruck von namenlosem Grauen fraß sich mit spitzen Zähnen in sein geschwollenes Gesicht.

      Der Hochelf wurde von einem wohligen Schauer ergriffen, der sich pochend in seinem Schoß bündelte. Er leckte sich ungeduldig über die Lippen. »Oder …« Die schwelende Hitze war nur Zentimeter vom Auge des Dunkelelfen entfernt. Hastor konnte den Atem der Grauhaut hören, der rasselnd und stoßweise seine Lunge verließ. »Ist es etwas Naheliegendes? Der Verlust des Augenlichts zum Beispiel? Denn was soll die Gilde schon mit einem blinden Assassinen?«

      Nummer Siebenunddreißig war wie erstarrt, wagte nicht einmal zu blinzeln.

      Hastor lehnte sich vor. »Du willst wegsehen und kannst es nicht. Es ist schlimmer, in der Dunkelheit auf das Verderben zu warten, als ihm entgegenzublicken, nicht wahr? Sag mir, was die Pläne deines Freundes Valion sind, und du bist frei!«

      »Ich kenne seine Pläne nicht«, brachte der Dunkelelf heiser hervor.

      Hastor schnalzte missbilligend mit der Zunge. Er war diese Lüge leid. Wie konnte ein einzelner Mann derart starrköpfig sein? Je länger sich diese Grauhaut weigerte zu reden, desto mehr war er seinem Vorhaben zugeneigt.

      Gerne würde er diesen vorlauten Bastard in blinde Dunkelheit stoßen und dabei zusehen, wie er darin herumschwamm und verzweifelt dagegen ankämpfte zu ertrinken.

      Nachdenklich runzelte Hastor die Stirn. Der Dunkelelf fürchtete Blindheit wie kaum etwas anderes, das hatten die vergangenen Verhöre deutlich gezeigt. Wenn er seinem Verlangen nachging und ihn blendete, war dies der letzte Schlag, den es benötigte, um den Widerstand von Nummer Siebenunddreißig zu brechen. Einen blinden Assassinen brauchte niemand, doch nützen würde er der Gilde ohnehin nur noch mit seinen Informationen. Umbra würde ihn hinrichten, sobald er alles gesagt hatte, was er wusste.

      Ein Lächeln hob die Mundwinkel des Hochelfen. »Ich werde es genießen, dir das Auge aus dem