Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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beiden Händen, und abends gegen sechs wieder der Korb.

      Doemges, der sich mit Ganser und Läppert den Beobachtungsstandort an der Bahnlinie teilt, hat sie gleich nach dem ersten Morgengang >Rotkäppchen< genannt. Das Observierungsobjekt Siedlerweg heißt seitdem Rotkäppchen, eine extra Tarnbezeichnung für den Funkbetrieb hat man sich damit gespart.

      Ganser schnippt wieder einen Zigarettenstummel auf den Bahndamm. Wenigstens das Wetter ist erträglich. Gleich würde der 11-Uhr-32-Zug kommen. Mittlerweile kennt er die Folge während seiner Wache auswendig. Das sieht hier vielleicht aus. Der Doemges könnte seine Vivil-Packungen auch in die Taschen stopfen. Gelangweilt versucht der Kriminalhauptmeister, die grün-silbernen Papierkugeln im Sand gegen seine eigenen Zigarettenstummel auszuzählen. Nein, das wäre ungerecht, er wirft ja die meisten Stummel oben zwischen die Gleise. Nur von Läppert gibt es keine Reste. Halt ein Schwob, der Herr Pänibel! Von Maria sieht man auch nichts. Am Montag landete eine ärztliche Krankmeldung im Präsidium. Acht Tage dienstunfähig, hauskrank, ha, ha, ha. Sie war aber nicht zu Hause. Zumindest nicht in Vennhausen, Auch nicht bei ihren Eltern in Neuwied, wo Ganser am Montag angerufen hat. Jetzt müsste Rotkäppchen aber bald mit den Mittagstöpfen kommen. Braucht der Mensch da drinnen denn nicht mal frische Luft? Vielleicht kämen sie ja wirklich weiter, wenn sie die Person dort einfach befragten. »So ein Theater!«, hatte Läppert wegen der Nachtwachen geflucht. »Geh doch hin und nimm ihn in die Mangel!«

      In Gedanken versunken wird Gernot Ganser von dem vorbeirauschenden Zug doch überrascht. Stolpernd fällt er in den alten Zaun vor Helbigs Garten und klammert sich mit beiden Händen an den rostigen Drahtrhomben fest. Scheiße, lauter braune Flecken!

      Drüben am Haus quietscht eine Tür.

      *

      Die goldene Uhr am Handgelenk von Ministerialdirektor Riechmann zeigt genau zwölf Uhr. Wenigstens fangen sie hier in Düsseldorf pünktlich an. Der Ernst der Lage rund um den Staatsbesuch macht seine Anwesenheit beim Mittwochskrisenstab des Innenministers erforderlich. Die Vorbereitungen für die Ablauforganisation des zweiten Teiles der Belfaster Bedingungen liefen weiter auf vollen Touren. In den verbleibenden Tagen mochte ja der einen oder anderen Partei doch noch ein Erfolg beschieden sein, aber weder die Führung der Provisorischen IRA noch die sogenannten TWC-Experten des Mr. Philipps haben bislang Kontakt zu dem abgetauchten Special Active Service Unit aufnehmen können. Und von den beschränkten Möglichkeiten der deutschen Polizei erwartet er noch am wenigsten.

      »Bitte!«, gibt der Gastgeber, der noch mitgenommener als sonst wirkt, das Zeichen zum Beginn.

      Der Leiter dieses mit so viel Hoffnungen zusammengestellten Spezialisten-Teams gibt seinen Bericht über den Stand der Dinge. Der Mann klingt müde, ist wohl auch völlig überfordert, findet Riechmann. Alle vier sehen ziemlich fertig aus.

      Der Düsseldorfer, den Riechmann mittlerweile von mehreren unerquicklichen Telefonaten her kennt, berichtet über die langwierige Enttarnung einer angeblich konspirativen Wohnung im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Moment mal, wieso sagt der »angeblich«? Die dort gefundenen Beweisstücke und Hinweise führen nicht sehr viel weiter. Jedenfalls hat die Wohnung in Köln, mit welch enormem Personalaufwand sie auch entdeckt wurde, sie bei der Suche nach der Identität des Kommandos und dessen Zielen keinen Schritt weitergebracht. Na bitte, denkt Riechmann und lehnt sich bestätigt in seinem Stuhl zurück. Auch die erneuten Fingerzeige in Form von Lageplänen aus Köln und Bonn seien wohl eher zur Irreführung der ermittelnden Dienststellen ausgelegt worden. »Aber so etwas haben wir erwartet. Die Absicht des Kommandos, uns vom wirklichen Ort des beabsichtigten Anschlages durch gezielte Fehlinformationen abzulenken, ist dem ISAT schon längere Zeit klar gewesen, dies insbesondere aufgrund der umfassenden Sachkenntnis meiner ausländischen Kollegen von ähnlichen Fällen! Wir haben uns daher mit dieser Art von Nebenschauplätzen nicht mehr sonderlich befasst und sind für uns von folgender Lage ausgegangen ...«

      Wäre die IRA-Kommando-Einheit jetzt hereingebrochen und hätte eine Splittergranate in die hochkarätige Versammlung geworfen, die Wirkung hätte nicht größer sein können. Riechmann, dessen Instinkt schon bei dem Wort »angeblich« dieses Düsseldorfer Polizisten angeschlagen hat, sieht rings um sich teils erstaunte, teils sogar erregte Gesichter. Der Innenminister wittert wieder Zukunft. Auch der Mann aus dem Bundeskanzleramt stellt bei sich selber fest, dass er diese Leute vielleicht doch unterschätzt hat. Sollte etwa die verfahrene Situation von dieser schwach eingeschätzten Seite bereinigt werden?

      Die vier ISAT-Leute warten die Aufregung am Tisch ruhig ab, bevor Captain Hart den Vortrag seines deutschen Kollegen fortsetzt.

      »Die Hypothese, dass ein solcher Anschlag unbedingt auf Schloss Benrath erfolgen würde, hatten wir schon sehr früh aufgestellt. Es ist insofern schon eine kleine Randbemerkung wert, als gerade die ausgestreuten Irreführungshinweise in Berlin und Köln uns nach und nach immer mehr in unseren Auffassungen bestärkten. Als wir uns dann übereinstimmend sicher waren, mussten wir eine Reihe von Maßnahmen durchführen, deren Erfolg entscheidend davon abhing, dass sie niemandem außerhalb des engsten ISAT-Kreises bekannt wurden. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass die Pläne für den Besuch der Königlichen Hoheiten den >IRAs< schon zu einer Zeit bekannt waren, als der Staatsbesuch noch auf höchster Ebene als Top-Secret gehandelt wurde!«

      Fast hätte Riechmann lauthals losgelacht. Die Mienen der Männer an dem runden Tisch sprechen Bände. Der hat Nerven, dieser Engländer! Sitzt vor einem Kreis hochrangiger Geheimnisträger von Innenministerium, Auswärtigem Amt und Bundeskanzleramt und knallt ihnen ins Gesicht, dass sie wahrscheinlich kein Wort für sich behalten können.

      »Wir verfügen über umfassendes Bildmaterial von Leuten, die entweder schon als Mitglieder der Provisionals bekannt waren oder dessen verdächtigt wurden. Dieses Material war aber zu umfangreich, um damit auf eine gezielte Suche gehen zu können. Wir wussten ja außerdem nicht, wen wir genau suchten, und hatten nur die Vermutung, dass Benrath das ausgewählte Zielobjekt sein würde. Deshalb bezogen wir eine weitere Hypothese in unsere Maßnahmen ein: Um den geplanten Anschlag vorzubereiten, würden die Kommandomitglieder das Objekt bis in alle Einzelheiten selbst ausspähen müssen. Pläne, Lageskizzen oder Fotografien ersetzen nicht die eigene Kenntnis von den Dingen! Wir gingen weiterhin davon aus, dass diese Objektbeobachtungen bis in die letzte Planungsphase hinein laufen müssten, denn kurzfristige Sicherungsmaßnahmen unsererseits müssen in die Detailplanung der Operation mit einfließen. Können Sie das nachvollziehen?«

      Du arroganter Hund, denkt Riechmann immer noch amüsiert. Dann wechselt der Vortrag wieder auf Hauptkommissar Benedict über, der eine große Papierrolle ausbreitet und mit Hilfe eines der Iren hinter sich an die Textiltapete heftet: der Plan von Schloss Benrath, Schlosspark und Zugangswege in Düsseldorf.

      »Aus den eben von Captain Hart genannten Erwägungen heraus positionierten wir an den folgenden auf dem Plan markierten Punkten hochempfindliche Kameras, die rund um die Uhr sämtliche Personen ablichten, die den Bereich des Objektes betreten oder verlassen. Die einzelnen Kameras befinden sich an den folgenden Stationen: Urdenbacher Allee 25: für den Zugang zur Orangerie, Urdenbacher Allee 53: Brücke über Schlossbach, parkender Bus der Stadtwerke: Brücke Zugang Spiegelweiher/Stauwehr, STRABAG-Baufahrzeug: Bauplatz Rückseite Schlosspark, wechselnde Fahrzeuge mit zivilen Kennzeichen auf Parkplatz Hotel Rheinterrasse: Parkeingang Benrather Schlossufer, Melliesallee 20: Seiteneingang Schlosspark, Portalhaus rechts: Zugang Schloss von Benrather Schlossallee aus, Portalhaus links: desgleichen von der anderen Seite. Zusätzlich befinden sich vier Video-Kameras in ständigem Einsatz. Kamera 1 + 2«, der Hauptkommissar, dessen Stimme bei Weitem nicht mehr so müde klingt wie zu Beginn der Veranstaltung, tippt mit einem Kuli auf einen Punkt gegenüber dem Schlossteppich auf dem Plan, »über einer Arztpraxis im ersten Stock dieses Gebäudes an der Benrather Schlossallee hier, und die Kamera drei und vier etwas versetzt im zweiten Stock des Schloss-Hotels in der Erich-Müller-Straße 2. Beide Video-Stationen laufen ständig. Bei erforderlichen Bandwechseln übernimmt die freie Kamera. Diese Kameras haben die Aufgabe, sowohl den Fahrzeugverkehr in diesem Teilbereich zu dokumentieren als auch die Tätigkeit der Modellbootschiffer auf dem Schlossteich an den Wochenenden zu überwachen.«