Название | Könnte schreien |
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Автор произведения | Carola Clever |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347059184 |
„Hallo, hallo? Hier ist die schwangere Auster mit den flauschigen Freunden?“, röhrte ich lachend in den Laden. Lim und Sung kamen sofort nach vorn, baten mich, doch nach hinten in die Arbeitsküche zu kommen. Am Tisch bei einem leckeren Chai-Tee räusperte sich Lim: „Wir wissen nicht, wie wir es dir sagen sollen, aber wir würden uns wünschen, dass du noch mal deine Hilfe gibst!“
„Na klar, wobei? Meinst du beim Würfel? Ich war letzte Woche in Scarborough, kümmere mich noch diese Woche um die ausstehenden Vertriebsfragen.“
„Nein, nein, ist kein Problem mit Würfel, ist Problem mit Familie. Wir müssen dringend nach Peking reisen. Meine Eltern sind sehr krank. Die Mutter von Sung ist überfahren worden und schwebt in Lebensgefahr.“
„Was? Das ist doch wohl nicht möglich!“
„Doch, doch! Plus, meine Eltern liegen beide in zwei verschiedenen Krankenhäusern mit Alzheimer.“
Wow, das war eine Zehnerkarte! Ich stand auf, ging um den Tisch und umarmte beide. Sung weinte herzzerreißend.
„Wollten dich fragen, ob du unseren Sonnenschein beaufsichtigen könntest. Wären in ein bis zwei Wochen zurück.“ Lim wartete mit aufgerissenen Augen auf meine Antwort.
Ich überlegte fieberhaft, wie ich alles managen konnte. „Ach, irgendwie wird es schon gehen. Was ist schon eine Woche? Na, klar doch. Mache ich.“
„Könntest du bei uns wohnen, damit die Kleine sich nicht umgewöhnen muss? Du könntest selbstverständlich deine Vierbeiner mitbringen. Sie dürfen aber nicht in den Laden, sonst bekommen wir Ärger mit den Behörden.“
„Wer ist denn im Laden?“
„Na, unsere Angestellten. Die bleiben auch länger, wenn du sie brauchst.“
„Könntest du die beiden fragen, ob sie an den Uni-Tagen bis zwanzig Uhr bleiben könnten. Ich weiß, ich darf nichts schleifen lassen. Nach den Vorlesungen müsste ich noch in die Bibliothek zur Recherche. Und natürlich den nächsten Dienstag darf ich nicht vergessen: verpasse nie einen Abend bei Sabia. An diesem Abend müssten sie auch abschließen.“
„Ich melde mich bei dir, wenn sie es machen. Was ist, wenn nicht?“
„Dann muss ich einen Babysitter bestellen.“
„Okay, lasse dir genügend Geld hier.“
In ihrer Wohnung breitete ich mich aus. Der Sonnenschein war ganz verzückt, dass ich meine Tiere dabei hatte, watschelte breitbeinig hinter ihnen her, quiekte und schrie vor Freude. Alles wird gut!
Die erste Woche verging im Flug. Alles war wunderbar. Der Laden lief. Die Kleine war ruhig und zufrieden. Uni lief. Reisebüro lief. Trotzdem, nach drei Tagen hatte ich so ein superungutes Gefühl. Nichts, was ich genau bestimmen konnte!
Völlig grundlos wurde ich morgens ab dem neunten Tag extrem unruhig. Ich sah Jeff überraschend im Laden, der von seiner Reise zurück war, der mich erstaunt frühmorgens hinter der Kasse erblickte. Er kaufte für seine Familie zehn Becher vom Cocktail zum Frühstück. Ich erzählte ihm, wie es mir ergangen war, dass er meinen Bruder verpasst hatte, dass ich aushalf. Die Unruhe blieb. Ich wusste auch am vierzehnten Tag nicht, woher sie kam. Zur Unruhe gesellte sich eine Form der Nervosität, dich mich wirklich aus der Bahn warf. Ständig rieb, zupfte ich an meiner Nase, kratzte mich heftig an den Schultern, kratzte mich anfallsartig seitlich am Kopf, als wenn ich Läuse hätte. Unentwegt rieb ich mit der Zunge an meinem Gaumen, drehte meine Nackenlocke wie eine Wahnsinnige mit dem Zeigefinger, hatte keinen Appetit. Am fünfzehnten Tag rief Lim an. Leider müssten sie noch in China bleiben. Dort gestaltete es sich schwieriger, als sie dachten. Ich beruhigte Lim, alles war in fester Hand. Keine Probleme. Dachte ich.
Ich bemerkte, dass ich nicht genügend Leckerlies für die Tiere hatte. Mein Shampoo war leer. Ich brauchte zwei Bücher, um etwas für die Uni nachzuschlagen, brauchte mehr T-Shirts und andere Sandalen. Grund genug, die Angestellten zu aktivieren, dass sie in der zweiten Etage bei der Kleinen und den Tieren bleiben sollten, bis ich zurück war. Da es erst kurz nach zehn Uhr war, ging die Busfahrt sehr schnell. Ich schloss das Haus auf. Die Post quoll von innen aus dem Briefkasten. Briefe, die schon auf dem Boden lagen, hob ich auf. Ich stockte.
War das nicht die Schrift meiner Mutter auf diesem Brief? Ich schaute mich um, wühlte durch die Post. Ein Telegramm lag dazwischen. Ich wollte die Eingangstür schließen, sah aus dem Augenwinkel ein großes Paket hinter dem Busch direkt an der Hauswand. Ich balancierte alles hinein, setzte mich in die Küche, um die Post zu begutachten, öffnete das Telegramm zuerst. Meine Hände zitterten, als ich den Text las.
Ich legte das Telegramm zur Seite, holte Luft, nahm das Papier wieder auf.
„Komm sofort zurück! Alex hat sich das Leben genommen. Deine Großeltern haben am selben Tag ein Stopp-Schild überfahren, sind von einem Zehntonner überrollt worden. Waren auf der Stelle tot. Beerdigung in acht Tagen. Deine Eltern.“
Völlig ungläubig starrte ich die Zeilen an, glaubte, meine Atmung setze aus. Draußen hatten dunkle Wolken die Sonne verdrängt. Ich saß reglos in Schockstarre da, unfähig, mich zu bewegen, erlebte in Zeitlupe, wie mein Herz zweigeteilt wurde, wie der Riss Zacken durch mein Herz zog. Das Blut, jetzt dickflüssig, verursachte im Kopf Schwindel. Mir wurde schlecht. Ich erbrach mich über den Tisch. Der Damm brach. Endlich schrie ich. Weinte und weinte. Versuchte, sie mir alle vorzustellen. Küsste allen drei die Augen, die mich aufgerissen, schockiert ansahen. Eine Collage aus schmerzverzehrten Gesichtern schaute mich an. Flehend! Ich sah sie, fühlte sie, spürte sie.
Ich ging zum Sofa ins Wohnzimmer, schlug mit der Faust aufs Sofakissen. Wieder und wieder hämmerte ich meinen Schmerz ins Kissen, sprach laut mit Gott, fluchte, schrie ihm meine unbändige Wut ins Gesicht:
„Wie konntest du so etwas zulassen? Meine geliebten Großeltern! Meinen geliebten Bruder! Sie waren pure Liebe, hatten das edelste und größte Herz, haben nie jemandem etwas getan.
Warum?
Warum hast du das zugelassen? Warum hast du es nicht verhindern können?
Warum?
Habe ich nicht täglich deine Gebete gebetet? Habe ich dich nicht geachtet? Respektiert?
Wieso bestrafst du mich?“
Ich ließ meine Fäuste fliegen, bis mein Schultergelenk sich mit einem stechenden Schmerz meldete.
Ich sank wimmernd auf die Knie, gab mich ganz meiner Trauer hin. Keine Ahnung, wie lange ich wie, wo und was gemacht habe. Aber so gegen neun Uhr abends war ich wieder bei Sinnen, streckte meine Beine aus, blieb auf dem Boden sitzen, starrte ins Nichts.
Mein Blick, trancegleich, richtete sich auf den dreiteiligen Kalender, der neben der Küchentür hing. Wie von einem anderen Stern sah ich auf Zahlen, die ich nicht sofort erkannte. Plötzlich sprang ich auf und lief zum Kalender. Ein grauenhafter Gedanke formte sich. Ich drehte mich um, suchte das Telegramm, den Brief auf dem Küchentisch. Hektisch fegte ich mit der Hand andere Post vom Tisch, wühlte. Dann hielt ich es in der Hand. „O Gott, bitte nicht. Sag, dass es nicht wahr ist!“
Die Realität konnte messerscharfe Klingen haben. Die Beerdigung meiner Großeltern war heute, die von Alex in sechs Tagen, weil dann erst die Freigabe seines Körpers war. O nein, das auch noch!
„Shit, Shit, Obershit!“, brüllte ich den Tapeten entgegen, kickte mit dem Fuß gegen den Stuhl, der direkt bis zum Waschbecken flog. Ich stampfte wütend mit dem Bein auf, schrie wieder meinen Schmerz in Richtung Himmel, fühlte mich alleingelassen. Sammelte meine Siebensachen, knüllte sie in eine Plastiktüte, schloss die Tür hinter mir zu, lief zur Bushaltestelle und setzte mich wartend auf die Bank. Eine gespenstische, eiskalte Ruhe legte sich wie ein Umhang über mich. Ich stieg in den Bus, der direkt vor mir hielt.
Mechanisch schloss ich die Wohnungstür auf. Die Flauschbälle rannten mir springend