Название | Könnte schreien |
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Автор произведения | Carola Clever |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347059184 |
Ich badete in ihren Berührungen, die nicht wirklich massierten, dafür aber streichelten. Immer wieder wiederholte sie die kreisenden Bewegungen von der Fußspitze bis zum Hals mit ihren filigranen Handschmeichlerfingern.
Ich hielt Mund und Augen geschlossen, hatte Angst, dass ich aus diesem tief empfundenen Genuss ein tierisches Grunzen von mir geben würde. Wie von einem anderen Planeten hörte ich Alexandras Stimme als freundlichen Zuruf: „Wenn du möchtest, kannst du dich jetzt umdrehen.“
Roboterartig, fast schon hörig, folgte ich im Zeitlupentempo ihrem Wunsch. Die Musik wurde wie von Geisterhand etwas lauter. Stimulierende Trommelschläge intensivierten sich. Die Zehenzwischenräume kräuselten sich unter der eindringlichen Behandlung. Kreisend über Bauch und Brüsten bis zum Hals, folgte ich ihren Fingern über meinem Gesicht, kreisend bis an und in die Ohren. Drei Mal hin und zurück, zählte ich. Beim letzten Mal verweilte sie länger über meinen Brüsten. Ihr Fingerdruck verstärkte sich.
Ich reckte ihren Fingern meine Brüste bereitwillig entgegen. Langsam strich sie über meinen Bauch in Richtung Scham. Leicht, dennoch bestimmend, drückte sie mit ihren Handoberflächen meine Schenkel auseinander, ohne die streichenden Bewegungen zu unterlassen. Meine Schamlippen, die bereits vibrierten, erfuhren zärtlichste Streicheleinheiten.
Alexandra flüsterte wieder ihre Worte, die sich mit dem trommelnden Rhythmus verbunden hatten.
„Wenn du jetzt möchtest, biete ich dir ebenfalls eine innere Massage. Du brauchst nichts sagen, du kannst einfach deinen Daumen als Zustimmung heben. Es ist eine Massage, die dich erleben lässt, wie die unterschiedlichsten Flächen um deinen G-Punkt herum beschaffen sind. Diese Flächen zeigen dir, welch unterschiedlichste Lust sie erzeugen könnten. Du kannst in dieser Lust verweilen oder dich ihr hingeben. Du kannst einen Orgasmus haben, wenn du ihn dir gönnen möchtest. Oder einfach nur entspannen und dich ganz dem Gefühl von Genuss und Lust hingeben. Hauptsache ist, du bleibst entspannt!“
Mir schwanden die Sinne. Hatte ich das richtig gehört? Sie konnte mich von innen massieren? Es gab im Innern unterschiedliche Flächen, die unterschiedlichste Lust erzeugten? Was sollte ich sagen? Meine Neugierde meinte Ja. Mein Verstand sagte Nein. Ich antwortete ihr mit einem deutlichen Ja, aber nur in meinem Kopf! Keine Ahnung, warum das so war. Ich überlegte, ob das ein Frauen-Phänomen war oder ich das nur von Ella kannte: Nein meinen, dennoch Ja sagen!
Laut sagte ich erst mal nichts. Nach gefühlten zwei Minuten hob ich zaghaft, aber doch wahrnehmbar meine linke Hand. Alexandra machte weiter. Langsam, fast vorsichtig, glitt sie mit ihrem öligen Zeigefinger zwischen meinen Schamlippen ins Innere, ließ mich die diversen Flächen spüren. Jede Fläche für sich hatte ein ganz spezifisches Gefühl. Alexandra riet, meine Sinne und Gefühle auf jede Fläche zu projizieren: fühlen, spüren und beim Tiefeinatmen auch riechen. Die Lilien zogen mich in den Bann ihres Dufts. Ich freute mich, dass meine Körperwahrnehmung diese feinen Unterschiede der Flächen bemerkte. Es war faszinierend, was mein Körper für Überraschungen bot.
Dann hörte ich deutlich, wie Alexandras Atem tiefer, abgehackter ausholte. Spürte, wie sie energetisch mit mir verbunden war, wie meine Lust zu ihrer Lust wurde, wie sich ihre Hände schneller, kreisender bewegten. Meine Nase schnupperte ihre erfrischende Körperausdünstung, die nach Rose und einer Prise Minze duftete. Ich spürte, wie Ekstase ihre Hand ausstreckte und sie zu sich nahm. Halb verdeckt durch meine angewinkelten Arme über meinen Augen konnte ich sehen, wie Alexandras Körper vibrierte. Ihren Kopf legte sie in den Nacken, während sie kam. Ich war fasziniert, erstaunt und ein kleines bisschen überrascht. Ich kam nicht! Gleichzeitig war ich ein wenig neidisch, dass sie so frei und ungezwungen war, ihrem Körper die Freiheit erlaubte, Ekstase zu spüren. Ich hatte es ja auch genossen, aber für einen Orgasmus hatte meine Entspannung nicht gereicht.
Egal! Es war eine tolle Erfahrung, die ich vielleicht noch mal machen wollte, weil ich dann meinen Verstand zu Hause lassen würde. Die Angst vor Neuem oder einfach nur die Unwissenheit wäre dann kein Begleiter mehr. Ich duschte, wusch mit Limetten-Kokosmilch ihre Berührungen ab. Alexandra hatte sich ihren Bademantel übergezogen. Leichtfüßig hüpfte sie die Treppe runter. Mary wartete im Wohnzimmer vor dem Jungbrunnen. Ruckartig sprang sie auf, nahm mich in die Arme: „Da bist du ja, Valilein! Wie war es? Konntest du entspannen? Dir ein Geschenk machen?“
Ihre erwartungsvollen Augen waren groß wie ein Suppenteller.
„Es war eine wirklich sehr originelle Überraschung, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich habe es sehr genossen. Danke dir herzlichst für dein Geschenk!“
„Freut mich. Ich hatte dieses Vergnügen in Zürich erlebt. Diese Form der Entspannung praktiziert man dort seit Jahren. Ich musste mich sehr engagieren, um dir hier in Toronto das Gleiche zu bieten. Diese Glücksarbeiter –so nennen sie sich – sind weltweit gut vernetzt. Alexandra ist hier sehr bekannt. Viele Frauen und Männer genießen gern ihre Streicheleinheiten.“
Ich verabschiedete mich von Alexandra, die mich herzlich umarmte, mir ihre Hand reichte und meinte: „Es war superschön mit dir. Ich hoffe, dass du es auch genießen konntest. Es gibt einen Satz, der für neue Dinge steht. Ich würde ihn dir gern mit auf den Weg geben: ‚Erst der Blick ohne Vorurteil erlaubt einen Blick ohne Angst!‘ Ich würde mich freuen, wenn ich dich wiedersehen dürfte.“
KARL-HEINZ
Mary setzte mich zu Hause am Parkplatz ab. Wir verabredeten uns für Dienstag. Ich schloss meine Haustür auf, stockte! Horchte! Was war das für ein Geräusch? Schreien? Oder war es Quietschen? In höchster Tonlage herzerweichende, klagende Geräusche. Gänsehaut überzog meinen Körper. Ich drehte mich um, schaute hoch zum Baum über mir, blickte vom Fallrohr der Regenrinne zu den Mülleimern, teilte die Hortensien neben der Eingangstreppe, hielt inne, versuchte, das Geräusch zu lokalisieren. Es kam aus dem Rhododendronstrauch am Zaun. Ich teilte die Äste, bog Blüten auseinander und … sah ein herzerwärmendes plüschiges Katzenbaby. O mein Gott! Was für ein niedliches Flauschbällchen, leicht wie eine Wolke. Ich hob diesen haarigen Wattebausch durch das Blattwerk in die Höhe, bewunderte dieses Geschenk der Natur von allen Seiten. Das kleine Herz schlug bis zu den Ohrspitzen. Ich nahm es schützend in beide Hände, küsste es liebevoll, während es meine Knutschattacke schnurrend kommentierte, setzte mich auf die Treppe, wartete, ob die Katzenmutter vielleicht kam, um ihr süßes Schmuckstück abzuholen, weil sie einen neuen sicheren Platz für ihr Katzenkind gefunden hatte. Nach einer gefühlten Stunde war ich enttäuscht über diese herzlose Mutter, die ihr haariges Kind im Stich gelassen hatte, küsste Flauschbällchen wieder, während ich es ins Haus trug. Ich überlegte, ob ich sie Violetta, wie die Liebende in Verdis La Traviata, nennen sollte. Auf der Couch bettete ich Flauschball in das weichste Sofakissen, das ich finden konnte, erzählte ihr, dass ich von nun an ihre Mutter war. Ich würde für sie sorgen, so gut ich konnte, damit sie eine gesunde, starke Katze wird. Mein Vortrag war vielleicht nicht originell, denn nach nur fünf Wörtern war sie eingeschlafen.
Egal. Juhu … war jetzt Katzenmutter!
Weil ich noch nie ein Katzenbaby hatte, wusste ich auch nicht, wie ich mich verhalten sollte. Da ich Angst hatte, ich könnte sie verlieren, band ich mir ein großes Tuch um meine Schultern. Wie Mütter in Südamerika trug ich mein Katzenbaby vor meinem Bauch.
Ich hatte einen Namen für das Baby gefunden: Karl-Heinz – der Name siegte über Violetta, weil mein Qi-Gong-Nachbar, der zwei Edelkatzen hatte, mich über den kleinen, aber feinen Unterschied aufklärte. Außerdem wollte ich etwas Urdeutsches. Mit Karl-Heinz traf ich diesen deutschen Nerv. Zwischenzeitlich war Karl-Heinz beim Friseur, im Früchteladen, im Reisebüro, in der Uni, bei Sabia und Mary gewesen. Natürlich schlief er bei mir im Bett. Ich hätte nie gedacht, dass so ein flauschiges kleines Wesen so viel Freude und Sonne in mein Leben bringen könnte.
Meine Albträume reduzierten sich merklich, vielleicht weil KH, obwohl klein und schmächtig, dicht an meinem Bauch gekuschelt dalag, mir ein Gefühl von Verantwortung und Sicherheit gab. Der immer wiederkehrende nächtliche Traum: