PRIMORDIA 2 - Die Rückkehr zur vergessenen Welt. Greig Beck

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Название PRIMORDIA 2 - Die Rückkehr zur vergessenen Welt
Автор произведения Greig Beck
Жанр Языкознание
Серия Primordia
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958354210



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Augenbrauen wanderten nach oben und auch seine Mundwinkel konnten nicht anders, als aufwärts zu zucken. Helens Gesicht blieb dagegen regungslos.

      »Und was springt für dich dabei heraus?«

      Emma stellte sich ihrem kritischen Blick. »Ich muss ein Versprechen einlösen, das ich vor langer Zeit gegeben habe. Ich musste jemanden dort zurücklassen und möchte ihn finden.«

      »Nach zehn Jahren? Dann meinst du wohl eher die Überreste.« Helen legte den Kopf schief. »Also ist es Zeitverschwendung.«

      Andy seufzte und sah dann zu seiner Schwester auf. »Wahrscheinlich ist das alles erstunken und erlogen, aber wenn es auch nur den Hauch einer Chance gibt, dass es wahr ist …« Er senkte seine Stimme. »Komm schon, Schwesterherz, wir sollten das wirklich in Erwägung ziehen.«

      »Sollte es wirklich den Hauch einer Chance geben, dass es wahr ist, dann ist es auch verdammt gefährlich!« Helen schaute immer noch böse.

      Emma richtete sich auf. »Ich will euch nichts verheimlichen; es wird verdammt gefährlich, sogar tödlich! Alle meine Freunde sind an diesem gottverdammten Ort innerhalb von 24 Stunden umgekommen. Aber damals waren wir einfach nicht vorbereitet.«

      »Und jetzt bist du es?«, fragte Helen skeptisch. »Wer kommt denn noch mit?«

      »Diesmal nehme ich auf jeden Fall genügend Feuerkraft mit. Vier Ex-Special-Forces-Soldaten, alle mit Dschungelerfahrung und voller Ausstattung. Dann ihr beide und ich, das wäre alles.«

      »Volle Ausstattung? Ihr könnt doch nicht in einem fremden Land herumballern. Damit bringst du alle hinter Gitter!«, protestierte Andy.

      »Die Waffen nehmen wir auf jeden Fall mit. Und falls ihr mitkommt, was ich sehr hoffe, dann werdet ihr froh sein, dass wir sie dabei haben.« Emma lächelte. »Seid ihr dabei oder nicht?«

      Andy zögerte nicht einmal: »Ich bin dabei!«

      »Ich weiß, dass ich das bedauern werde …«, seufzte Helen, »… aber ich schätze, ich bin auch dabei.«

      Emma nickte. »In einer Woche treffen wir uns für eine Vorstellungsrunde und die erste Lagebesprechung. Ich schicke euch die Einzelheiten.« Sie streckte ihre Hand aus. »Willkommen an Bord!«

      KAPITEL 9

      Ben hatte ein neues Zuhause gefunden. Es tat ihm wirklich weh, sein altes Heim zu verlassen, denn er war der Meinung, dass es wirklich gut versteckt und befestigt war. Aber er hatte schon auf die harte Tour gelernt, dass die Chance, entdeckt zu werden, immer größer wurde, je länger man an einer Stelle blieb.

      Und damit hatte er recht. Es war sein Glück gewesen, dass er einen Fluchttunnel gehabt hatte, sonst wäre er wie eine Made aus einem morschen Stück Holz gepult worden. Er musste alle ein bis zwei Jahre umziehen.

      Seine neue Höhle ging hinunter in den Boden, statt seitlich in einen Felsen hinein. Um sie herum war dichter Busch – damit war sie gut versteckt. Andererseits bedeutete das auch, dass näherkommende Jäger ebenfalls gut getarnt waren. Jedes Mal, wenn er hinausging oder zurückkam, stellten sich ihm die Nackenhaare auf bei dem Gedanken, etwas könnte im Unterholz auf der Lauer liegen und auf ihn warten.

      Er betete immer, dass es dann schnell vorbei sein würde. Selbst nach all diesen Jahren hatte Ben noch immer die Bilder vor Augen, wie ihr damaliger Führer Nino bei lebendigem Leib in Stücke gerissen und aufgefressen worden war. Ben erschauderte bei diesen Gedanken.

      In der Nähe des Höhleneingangs befand sich ein riesiger Baumstumpf, der sicher dreißig Meter in den Himmel ragte. Er hatte eine pelzige Rinde und seine ausgedehnte Baumkrone bestand aus langen, grünen Bändern, die eher an Schilfgras als an Blätter erinnerten. Im Verlauf der Monate hatte Ben Keile aus der Rinde herausgeschnitten, sodass eine Art Leiter entstanden war. Immer, wenn er in Stimmung war, kletterte er dort hinauf. Dann versteckte er sich in dem grasartigen Wipfel und betrachtete sein urzeitliches Königreich.

      Ben atmete die feuchte Luft tief ein und bemerkte den inzwischen wohlbekannten fischigen Geruch des Dinosaurierkots. Hinein mischte sich der modrige Duft verrottender Pflanzen, die würzigen Pflanzenharze und die merkwürdigen Aromen der exotischen Blüten, die hier und da wuchsen. Riesige Insekten schossen durch die Luft und hoch am Himmel sah er die ledrigen Flughäute der Pteranodons Pteranodon, die auf thermischen Winden dahinglitten. Manche von ihnen waren kaum größer als Raben, andere riesig wie Flugzeuge.

      In der Ferne ragten Köpfe auf riesigen Hälsen aus den Baumkronen hervor und senkten sich in wiegendem Rhythmus, um ganze Wipfel in ihren überdimensionierten Mäulern verschwinden zu lassen. Sie tröteten wie Elefanten, und diese schmerzerfüllten Rufe breiteten sich kilometerweit aus, um von Artgenossen irgendwo in der nebligen Ferne beantwortet zu werden.

      Ben setzte sich auf. Er hatte gelernt, dass er in Bewegung bleiben musste, und die Gegend, in der er sich im Moment befand, erstreckte sich als weites, grünes Tal vor ihm, aus dem schroffe Felsklippen ragten. Die Geologie dieses vorzeitlichen Gebietes war beeindruckend, da die Erdplatten sich immer noch in starkem Drift befanden und das Erdreich regelrecht umgepflügt wurde.

      Er hatte sich eine kleine Sitzbank in seinem Nest eingerichtet und schaute nun hinab auf den Boden. Er wusste, dass irgendwo dort unten Jäger unterwegs waren. Doch hier oben fühlte er sich sicher. Neben ihm befand sich ein geknüpfter Beutel, gefüllt mit faustgroßen Steinen – sollte jemals ein Tier ein zu großes Interesse an seinem Geruch entwickeln, würde er die Steine hinunterregnen lassen. Kein Lebewesen bekam gerne einen baseballgroßen Stein ins Gesicht, egal wie dick diese kantigen Schädel auch sein mochten.

      Ben grinste mitleidslos, denn er hatte auch noch andere Tricks im Ärmel. Dies hier war sein Reich, und jeder Eindringling würde ganz schnell merken, dass Ben sich nicht ohne weiteres zum Mittagessen machen lassen würde.

      Er seufzte und lehnte sich zurück, wobei er die Hände hinter seinem Kopf verschränkte. Einzelne Lichtstrahlen schienen durch den Nebel auf das Plateau – sein Plateau – das ganz anders aussah als zu der Zeit, aus der Ben gekommen war. Die Wände waren noch längst nicht so hoch, wie er sie kennengelernt hatte, denn das Tepui war noch jung und hatte gerade erst angefangen zu wachsen.

      Doch selbst der reine Anblick erfüllte Ben mit Hoffnung und Angst. Er wusste, dass er eines Tages wieder dort hochklettern musste. Er hoffte jedenfalls, dass seine Theorie stimmen würde, und alles dort oben wieder in die Zukunft geworfen werden würde, wenn die feuchteste Regenzeit zurückkehrte. Wenn es so weit wäre, würde er auf jeden Fall an Ort und Stelle sein.

      Ben musste beinahe vor Freude, Ungeduld und Frustration weinen. Er konnte nicht anders, als die lange Zeit, die er hier verbracht hatte, Revue passieren zu lassen. Es war wie ein Gefängnisaufenthalt, bei dem einen alle anderen Insassen in Stücke reißen wollen. Und zwar buchstäblich.

      Auf seinen Reisen hatte er riesige Lavafelder gesehen, die aussahen wie die Oberflächen von fremden Planeten. Er hatte Täler durchquert, in denen Monstrositäten lebten, die nie ein Mensch beschrieben oder erforscht hatte. Es gab stinkende Sümpfe mit riesigen Blutegeln, die Dutzende von scharfkantigen Beinchen und pinzettenartigen Beißwerkzeugen hatten.

      Seine Augen wanderten zurück zu dem jungen Tafelberg, und er spürte, wie sich in seinem Hals ein Kloß bildete. Alles an diesem gottverdammten Ort war gefährlich, aber dort oben, auf dieser erhobenen Landmasse, lebte ein Alpha-Jäger, der schlimmer war als alles, was hier unten unterwegs war. Diese Kreatur war der Grund, warum er überhaupt hier festsaß.

      Er atmete tief durch und starrte dann weiter in die grüne Hölle, wie er es die meisten Tage machte. Die monströse Schlange, die Titanoboa, war nicht einfach ein weiteres Raubtier. Das Ding war eine Naturgewalt. Er konnte nicht anders, als immer wieder die letzten Minuten in seinem Kopf durchzugehen, in denen er die Schlange von Emma weggelockt hatte. Als Nächstes war das Chaos aus Wirbelwinden und den pulsierenden Wolken verschwunden und er war allein gewesen. Abgesehen von einem fleischgewordenen Albtraum, der ihn immer noch verfolgte. Es hatte ihn bis an den hunderte Meter tiefen Abgrund gedrängt, und als er dort stand, bemerkte er, dass da unten nicht mehr der Dschungel