PRIMORDIA 2 - Die Rückkehr zur vergessenen Welt. Greig Beck

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Название PRIMORDIA 2 - Die Rückkehr zur vergessenen Welt
Автор произведения Greig Beck
Жанр Языкознание
Серия Primordia
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958354210



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Augen und vielen Zahnlücken.

      Der Druck auf ihren Hals ließ nach.

      »Nehmen Sie!« Emma hielt ihre Augen auf den Mann gerichtet, während sie ihm ihre Tasche entgegenhielt. Er riss sie ihr aus der Hand. »Mal sehen, ob heute guter Tag!«, sagte er in brüchigem Englisch und musterte sie. »Aber ich glauben, nicht gut für Sie!«

      Der größere Mann, der sie festhielt, schnaubte in ihr Ohr.

      »Nehmen Sie das Geld und lassen Sie mich laufen. Ich werde nicht zur Polizei gehen«, sagte sie ruhig.

      »Oh, das weiß ich«, entgegnete der Mann mit der gebrochenen Nase und warf einen weiteren Blick auf sie. »Aber ich glauben, wir noch nicht fertig mit so schöne Frau!«

      Er wühlte durch ihre größtenteils leere Tasche. »Americano?«

      Sie ignorierte ihn, denn sie wusste, was jetzt kommen würde, und der Diebstahl war dabei ihre geringste Sorge. Sie würden sie ausrauben, verprügeln und vergewaltigen, und wenn sie noch ihre Spuren verwischen wollten, würden sie ihr die Kehle durchschneiden. In jeder Stadt der Welt gab es solchen Abschaum.

      Ihre Wut schwoll an. Der große Mann hinter ihr verlagerte seine Haltung, um zusehen zu können, wie sein Komplize ihre Tasche ausleerte.

      »Letzte Chance«, sagte sie.

      Er schüttelte die Tasche aus und verzog das Gesicht. »Bring sie zum Schweigen!«

      Die Pistole entfernte sich kurz von ihrer Wange und der fleischige Arm bewegte sich – vermutlich, um ihr eine Hand über den Mund zu legen oder Schlimmeres.

      Doch genau auf diesen Moment hatte sie gewartet, denn für einen Sekundenbruchteil hatte er sie nicht mehr voll unter Kontrolle. Sie ließ sich fallen und rutschte durch die Arme ihres Peinigers, der sich nun nach vorn beugte, um sie zu packen. Doch sie rammte ihre Hacken in den Boden, stieß sich ab und jagte wie eine Sprungfeder wieder nach oben, wobei ihr Kopf genau in Richtung seines Kinns raste.

      Es war ein Volltreffer – sein Kopf wurde mit einem Krachen zurückgeschleudert und ihre Hand griff nach der Pistole. Sie umschloss seine Hand, legte ihren Zeigefinger auf den seinen und hatte damit Kontrolle über den Abzug. Dann riss sie seine Hand herum, sodass die Mündung der Waffe nun auf das überraschte Gesicht des kleineren Mannes zeigte. Sie zögerte keine Sekunde und feuerte.

      Das Ohr des Mannes verwandelte sich in eine Fontäne aus Blut und Knorpeln und er jaulte vor Schmerzen auf, die Augen weit aufgerissen. Er ließ die Tasche fallen, während Emma die Pistole aus der Hand des immer noch benommenen Muskelbergs hebelte. Dann zog sie ihm den Griff über den Schädel und der Hüne kippte um wie ein gefällter Baum.

      Sein Kumpan mit der gebrochenen Nase hatte genug gesehen – er drehte sich um und rannte davon. Hinter Emma stöhnte der andere vor Schmerzen mit einem lilafarbenen Fleck auf dem Kinn und einer wachsenden Beule an seinem Schädel.

      Routiniert ließ Emma das Magazin aus der Waffe fallen und die letzte Kugel aus dem Lauf springen. Dann warf sie die Einzelteile in einen Mülleimer. Sie sammelte ihre Sachen ein, zog ihre Kleidung gerade und verließ die Gasse.

      Seit sie sich durch den Amazonas gekämpft hatte, war sie sehr fleißig gewesen. Sie hatte hart trainiert und ihren Körper gestählt. Sie war zwar beinahe zehn Jahre älter, doch ihr Körper bestand jetzt aus purem Stahl.

      Wenn Primordia wiederkommen würde, war sie auf jeden Fall bereit.

      ***

      Emma Wilson lief ganz entspannt zur nächsten Hauptstraße und hielt sich ein Taxi an. Auf der anderen Seite der Straße stand ein Auto mit heruntergelassenen Scheiben. Darin befand sich ein Mann, der ein langes Teleobjektiv auf Emma richtete und in schneller Folge ein Bild nach dem anderen machte.

      Als Emmas Taxi losfuhr, ließ er das Objektiv sinken, startete seinen Motor und folgte ihr.

      KAPITEL 3

       Ohio, Greenberry – 3 Monate bis zur Erscheinung

      Emma kniete neben dem Bett von Cynthia Cartwright, nachdem sie ihr eine Tasse lauwarmen Tee gebracht hatte. Sie kam nicht umhin zu bemerken, dass die alte Dame noch fragiler aussah als sonst. Die Tatsache, dass sie ihren geliebten Sohn Ben an den Dschungel des Amazonas verloren hatte, war ihr ganz und gar nicht gut bekommen.

      Cynthia hatte sich Emmas Geschichte angehört und ihr jedes Wort geglaubt. Immerhin hatte das gleiche Phänomen schon im Jahr 1908 einen Vorfahren von Ben aus dem Leben gerissen, und es waren seine Aufzeichnungen gewesen, die ihren Jungen an diesen gottverdammten Ort geführt hatten.

      So hatte Cynthia Emma zunächst darum gebeten, später angebettelt, dass sie ihren Sohn finden möge. Es war ihr ganz egal, wie lange es dauern würde, was es kostete oder wie gefährlich es wäre. Sie hatte ihr gesamtes Vermögen zur Verfügung gestellt, und Emma hatte ihr versprochen, ihr Möglichstes zu tun.

      Unterm Strich hätte Emma es so oder so versucht, aber mit dem Geld der Cartwrights in der Hinterhand waren die Voraussetzungen viel besser. Sie liebte Ben, und er war auch nur dort zurückgeblieben, weil er seine Freiheit geopfert hatte, damit sie entkommen konnte. Wenn er noch lebte, dann würde sie ihn nach Hause bringen oder bei dem Versuch sterben.

      Emma schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer und ging dann in ihr Büro. Cynthia hatte sie gebeten, bei ihr einzuziehen, und das hatte sie angenommen. Schon bald war sie so etwas wie eine Adoptivtochter der alten Dame geworden.

      Sie öffnete leise die Tür zu ihrem Zimmer und huschte hinein. Im Inneren warteten mehrere Computer, Karten und Zeitungsausschnitte, die eine Zeitspanne von hundert Jahren umfassten. Jeder davon berichtete von merkwürdigen Vorkommnissen und der Sichtung bizarrer Kreaturen im Amazonas. Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht.

      Emma setzte sich und zog ihren Stuhl näher an einen der Bildschirme heran, wo sie die Sternkarte mit den Flugbahnen von Kometen öffnete. Es gab natürlich nur einen einzigen, der sie interessierte: P/2018-YG874, genannt Primordia. Er hatte seine elliptische Kurve um die Sonne längst beendet und war unterwegs zur Erde. In ein paar Monaten würde es zur Erscheinung kommen. Zu diesem Zeitpunkt würden sich die kosmischen Effekte, die Primordia mit sich brachte, bemerkbar machen – aber nur an einem abgelegenen Flecken der Erde: einem Tafelberg im Dschungel Venezuelas.

      Sie wusste, dass man diesen Ort kaum erreichen konnte, erst recht nicht, wenn der Komet seine Wirkung tat, denn sein Magnetfeld störte alle elektronischen Geräte. Dadurch konnte man den Ort nicht einmal mit Hubschraubern erreichen und selbst analoge Kompasse drehten durch.

      Emma starrte lange auf den Bildschirm. Sie wusste genau, was passieren würde. Auf diesem Plateau würde die Welt auf den Kopf gestellt und ein Schnappschuss der Zeit, zu welcher der Komet das erste Mal die Erde besucht hatte, würde wiederhergestellt. Aber es war nicht nur ein Abbild einer lange vergangenen Epoche, es war wirklich die prähistorische Vergangenheit – es war ein Portal in eine andere Zeit. Dieses Fenster blieb nur für 24 Stunden offen, und wenn es sich schloss, war alles wieder verschwunden. So wie sie es verstand, war der urzeitliche Dschungel natürlich noch da, aber wieder in seiner eigenen Zeit; vor 100 Millionen Jahren.

      Und dort war Ben Cartwright jetzt. Es gab nur eine Möglichkeit herauszufinden, ob er noch lebte, ob er in Sicherheit war: diesen gottverdammten Ort selbst wieder zu besuchen.

      Sie atmete tief durch und warf einen Blick auf ihre Checkliste. Beim letzten Versuch waren sie dumme Kinder gewesen, die dachten, sie machten einen kleinen Abenteuerurlaub. Komplett naiv und überheblich. Das hatte sich als tödlich herausgestellt.

      Diesmal würde sie alles besser machen. Diesmal wusste sie, was auf sie zukam, und sie würde verdammt noch mal sichergehen, dass die Leute und Waffen, die sie mitnahm, der Sache gewachsen waren. Dementsprechend war die Liste nach Wichtigkeit sortiert und ganz oben stand ein Wort: Feuerkraft.

      KAPITEL 4