Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
ward die Katechisation eifrig anbefohlen. Bei einem Teile der Predigten sollte Luthers Katechismus zum fortlaufenden Text genommen, in andern nach der Reihe der Hauptstücke durch Sprüche erläutert, die Predigt öffentlich in den Kirchen durch Frage und Antwort wiederholt werden; der Taufe und dem Abendmahl sollte eine Unterweisung der daran teilnehmenden, auch der ältern Leute, in dieser Form vorangehen. Die christlichen Lehren sollten von allen und jedem begriffen, ein Gemeingut des Volkes werden.
In diesem Sinne suchte er nun auch den Schulunterricht zu befördern. Was nur zum Schmucke oder zur gelehrten Übung des Geistes dienen sollte, fand bei Friedrich Wilhelm keine Stätte, so wenig als einst die Rhetorik im Staate der Spartiaten; er sorgte für das Bedürfnis des gemeinen Mannes. In der Provinz Preußen sind unter ihm gegen tausend neue Schulen gestiftet worden; der Schulbesuch ward zur Pflicht gemacht.362 Eine große Wirkung mußte es haben, daß er den Konfirmationsunterricht einführte und niemand dazu zu lassen gebot, der nicht lesen könne. Die Anhänger Speners, die das tätige Christentum predigten, wollten auch von anderm unfruchtbaren Unterricht nichts hören; sie kehrten zuerst die reale Seite desselben mit Entschiedenheit hervor.363
In dem Militärwaisenhaus, wo die »Zungen vieler hundert Kinder« für den König beteten, ward auch darin ein Anfang gemacht, der eine allgemeine Nachfolge fand.364 Wenn Bürger und Bauern in den Brandenburgischen Landen mehr und früher als anderswo zur Kultur des menschlichen Geschlechts herangezogen worden sind, so hat Friedrich Wilhelm I. den Grund dazu gelegt.
Es bedarf der Erinnerung nicht, daß wir uns hier nicht in einem Gemeinwesen befinden, wo freie Menschenkräfte sich durch eigenen Trieb naturgemäß entfalten. Alles ging von der höchsten Gewalt aus, die den Zweck begriffen hatte und die Mittel mit einseitigem Gebote vorschrieb. Jedermann weiß es, bei aller großartigen Richtung hatte der gesamte Zustand noch den Beigeschmack des Gewaltsamen und Drückenden. An den unbedingten Wert, den man dem Soldatenstande beimaß, knüpfte sich, so sehr man es zu vermeiden suchte, ein beschwerliches Übergreifen desselben in andre Sphären des Lebens. In den Städten übte der Steuerrat eine Autorität aus, vor der die Magistrate in Schatten traten; sie wurden oft nicht mehr gewählt, sondern gesetzt. Die Landräte, die zugleich Deputierte der Landschaft365
waren, wurden auf eine dieser unbequeme Weise von der Kammer abhängig. Nicht ohne Grund klagte der Adel überhaupt, daß er die Bescheidung der Kriegs- und Domänenkammern auch da hinnehmen müsse, wo diese ein dem seinen zuwiderlaufendes Interesse hätten. Eigentlichen Widerstand hat Friedrich Wilhelm darum doch nicht gefunden. Überhaupt hätten nur die Edelleute widerstreben können; diese aber erfüllten das Heer, das ihnen eine ihrem angeborenen Sinn entsprechende Lebensform darbot; sie konnten sich nicht ernstlich gegen eine Verfassung des Landes auflehnen, durch welche die Kriegsmacht, der sie mit Stolz angehörten, allein erhalten wurde.
Wenn man früge, ob der Staat, wie er nunmehr erschien, die einfache Verwirklichung des als notwendig Begriffenen, die nur so und nicht anders mögliche Ausführung der ursprünglichen Idee gewesen sei, so möchte ich das nicht bejahen. Es ist unleugbar, daß sich Konsumtionssteuer, Bewirtschaftung der Domänen, die Bewaffnung selbst hätte noch anders einrichten lassen; aber jeder Versuch dieser Art war gescheitert. Dann war in der Mitte der widereinander streitenden Elemente dieser energische Geist erschienen, der den allgemeinen Zweck, den mächtigen Nachbarn ein auf sich selbst beruhendes unangreifbares Staatswesen entgegenzusetzen, in bestimmter Form anschaute, die Mittel ihn zu erreichen mit dem treffenden Blicke des Genius366 erkannte und ohne alle Rücksicht durchführte.
Erwerbung Vorpommerns 1 u. 2, 485-496. Fluchtversuch des Kronprinzen 3 u. 4, 106-122. Aussöhnung zwischen Vater und Sohn 3 u. 4, 122-134.
40. Besitzergreifung von Schlesien durch Friedrich den Großen
Preußische Geschichte III u. IV. Werke Bd. 27 u. 28 S. 341-355.
Wollte man den Unterschied der angegriffenen Macht von der angreifenden ganz im allgemeinen bezeichnen, so dürfte man sagen, daß in dieser die Einheit der monarchischen Gewalt den Gegensatz der provinzialen Interessen überwunden hatte, in jener aber noch im Kampfe mit denselben begriffen war. Die österreichische Staatsgewalt machte nicht eben geringe Anforderungen; die Leistungen, die sie gebot, erfüllten meistens das Maß des Erreichbaren; da sie an dem Begriffe einer herrschenden Religion festhielt, so fühlte man die Gesinnung des Hofes bis in die tiefsten Kreise. Aber dabei besaßen doch die verschiedenen Landschaften eine ständische Organisation von anerkanntem Ansehen, ihren abgesonderten Haushalt, der auch die von dem Staate auferlegten Lasten umfaßte, und standen als mächtige Körperschaften in unaufhörlichem Widerstreit sowohl untereinander als mit dem kaiserlichen Hofe.
Besonders war dies in Schlesien der Fall. Als im Sommer des Jahres 1740 einige Regimenter von Ungarn in neue Standquartiere verlegt wurden, mußten sie an den schlesischen Grenzen förmlich Quarantäne halten. Der Conventus publicus, der mit einem großen Teile der Landesverwaltung beauftragte ständische Ausschuß, der in Breslau seinen Sitz hatte, schickte, ehe er sie einrücken ließ, erst eine medizinisch-chirurgische Kommission ab, um ihren Gesundheitszustand zu prüfen; mit demselben wurde dann über die Dislokation, den Marsch, die Verpflegung der Truppen ein weitläufiger Schriftwechsel gepflogen. Die Provinz klagte über das Hin- und Wiederführen der Mannschaft in ihren Grenzen, die »unbeschreiblichen Excesse«, die sich die Feldsoldaten schon zuschulden kommen ließen, wenn sie beisammen waren, und die nicht minder widerwärtigen, die man von ihnen erlebte, wenn sie als untüchtig erkannt und entlassen wurden, worauf sie sich zuchtlos über das Land ausbreiteten. Sie forderte, daß der Staat den Regimentern eine besondere Kriegskasse anweise, konnte es aber nicht erreichen.
Zwischen dem Hofe und der ständisch-provinzialen Autorität war gleichsam ein Abkommen getroffen, kraft dessen die letztere sehr ausgedehnte administrative Befugnisse behauptete, aber keinerlei