Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Als Friedrich in Schlesien einrückte,367 war er der Bevölkerung schon insofern nicht unwillkommen, weil er eine gefüllte Kriegskasse mit sich brachte und den Landesprodukten, die sonst nicht zu verwerten waren, einen unerwarteten Absatz verschaffte. Die oberste Regierungsbehörde der Provinz, das Oberamt, erließ den Befehl, daß niemand den Einrückenden Lebensmittel zuführen noch Handreichung tun solle: wie wäre aber daran zu denken gewesen, daß sich die Einwohner durch Weigerungen dieser Art zugleich des willkommenen Gewinns berauben und der offenbaren Gewalt hätten aussetzen sollen. Der Conventus publicus selbst stellte es dem Oberamt als eine unbedingte Notwendigkeit dar, die Landesältesten an das preußische Kriegsheer zu schicken, um mit demselben ein Abkommen über die ihm zu liefernden Lebensmittel zu schließen, sonst werde die Erpressung nur einzelne Ortschaften treffen und diese zugrunde richten, zum äußersten Verderben des ohnehin verarmten Landmanns.
Am 22. Dezember 1740 langte König Friedrich nach einigen starken und wegen der Witterung nicht eben bequemen Märschen vor der ersten Festung an, die sich ihm entgegensetzte, dem alten Bollwerk Schlesiens, Glogau, und schlug sein Lager in Herrendorf auf. Hier erschienen die Landesältesten der Fürstentümer Glogau, Liegnitz, Wohlau in freier Übereinstimmung mit dem Conventus und trafen mit dem preußischen Kriegskommissariat Abrede über die Verpflegung sowohl derjenigen Heeresabteilungen, welche Glogau belagern, als der andern, welche vorwärts rücken sollten. Denn unverzüglich wendete sich der Feldmarschall Graf Schwerin nach der großen Straße, welche am Fuß des Gebirges nach dem Glatzischen führt. Für ihn halfen sie die Marschroute bestimmen und gaben ihm Kommissarien mit, um ihn von Stadt zu Stadt, von Kreis zu Kreis zu führen. Man dürfte nicht glauben, daß Schlesien ganz ohne Verteidigung gewesen wäre. Die österreichischen Mannschaften, allerdings viel zu schwach um das Feld zu halten, reichten doch hin, um die festen Plätze des Landes, die zum Teil sehr ansehnlich waren, zum Teil wenigstens haltbar erschienen, zu besetzen. Sie zweifelten nicht, daß es ihnen gelingen werde, diese Plätze wenigstens so lange zu behaupten, bis ein regelmäßiges Heer versammelt sei, hinreichend um den Feind aus dem Lande zu verjagen; sie hofften, ebenso leicht als er es einnehme.
Es läßt sich nicht sagen, trotz der angedeuteten ökonomischen Verwirrungen, auf welche Hindernisse der König gestoßen, wie die Sache gegangen sein würde, wenn nicht noch eine ganz andre, tiefere Verstimmung der Einwohner ihm sein Unternehmen unendlich erleichtert hätte. Schlesien gehört zu den Ländern, wo die protestantische Weltanschauung, die deutsche Religion die Gemüter am frühesten und tiefsten ergriffen hatte368 und alsdann mit der größten Anstrengung zurückgedrängt worden war. Eine mächtige Dazwischenkunft übte einst Karl XII. aus, indem er im Altranstädter Vertrage wenigstens für die früher mittelbaren Herzogtümer und die Stadt Breslau einen erträglichen Zustand festsetzte. Der Wiener Hof hat diesen Vertrag im allgemeinen beobachtet, aber sein System konnte er darum nicht ändern; die katholische Kirchenform wurde nach wie vor allein als die wahrhaft berechtigte betrachtet. Die Protestanten waren vom Staat und den bürgerlichen Ämtern, wenn auch nicht allezeit vom Heere ausgeschlossen. Sie mußten die katholischen Feiertage halten, den katholischen Eheverboten nachkommen; ihre Konsistorien standen unter katholischen Regierungen und Vorstehern und durften nur nach deren Beschlüssen verfahren. Übertritt zu ihnen wurde als Apostasie behandelt, der Übertritt zum Katholizismus oft erzwungen; unaufhörlich hatten die Stockmeister widerspenstige Lutheraner in Haft.
Und noch immer war das Übergewicht des Katholizismus im Zunehmen. Während die heiligen Gefäße der Reformierten, in Hoffnung auf bessere Zeiten, einem Handelshause in Verwahrung gegeben werden mußten, durchzogen die katholischen Prozessionen in allem Pomp die Straßen von Breslau, eine besonders feierliche im September 1740, als die Reliquien des heiligen Theodor, eben aus Rom angelangt, nach dem Domstift gebracht wurden. Bei der Tronbesteigung Maria Theresias ließen die katholischen Eiferer verlauten, daß man nun in Schlesien ebensowenig wie in einer andern Provinz auf Konventionen mit fremden Mächten Rücksicht nehmen oder eine Berufung darauf gestatten werde; die katholische Kirche werde auch hier ausschließend herrschen. Schon erwarteten die Protestanten noch einmal, nach der erwähnten Truppenbewegung, die Erneuerung der antireformatorischen Bedrängnisse. Bei der Ankunft der Harrachschen Grenadiere, die nach Glogau gingen, meinte man im Liegnitzischen nicht anders, als daß sie eben hiezu bestimmt seien; am dritten Adventsonntage, 11. Dezember, solle ein neues Werk offener Gewaltsamkeiten beginnen.
Einen Eindruck ohnegleichen mußte es nun auf sie machen, daß im nämlichen Augenblick der mächtigste evangelische Fürst in Deutschland, der junge König von Preußen, in ihren Grenzen erschien. Sie zeigten Prophezeiungen auf, die ein solches Ereignis in ihren höchsten Nöten immer angekündigt hatten; sie wußten zu erzählen, der König habe einst im Traum die Provinz in Flammen stehen sehen, und dreimal hintereinander habe ihn eine vernehmliche Stimme ermahnt, ihr zur Hilfe zu eilen; sie erblickten in ihm einen vom Himmel geschickten Schutzengel. Wie sonderbar, daß einem von dem positiven Glauben der protestantischen Kirche abgewandten Fürsten dieses überschwengliche Vertrauen derselben entgegenkam. Was bei ihm Politik und Ehrgeiz war, umkleideten sie mit religiöser Phantasie. Seinen persönlichen Meinungen fragten sie nicht weiter nach, als insofern sie ihnen Heil brachten: sie hielten sich mit Recht nur daran, daß er der König eines protestantischen Reiches war. Wenn es ihm einigermaßen gelang, so mußte er ihnen helfen.
Wenn nun aber überall so mächtig, so wirkte seine Ankunft doch am durchgreifensten in der Hauptstadt ein, wo die Bürgerschaft zwar ihre alte religiöse Freiheit behauptete, aber durch den Anblick der Tätigkeit und des Fortschreitens der Gegner derselben in unaufhörlicher Besorgnis und Aufregung gehalten ward. Bei der ersten Nachricht von dem Einmarsch der Preußen schwiegen die zelotischen Kontroversprediger, die Gefangenen wurden losgelassen. Dagegen nahm man in den evangelischen Kirchen einen Psalm zum Text, nach welchem Gott, der sein Volk verstoßen und »ihm ein Hartes erzeigt hat«, ihm wieder ein Panier aufsteckt, um es zu retten (Ps. 60, 3-7).
Nun hatte aber die Stimmung von Breslau eine nicht geringe politische und sogar eine militärische Bedeutung. Es war allerdings nicht mehr jenes Breslau, dessen Geschichten Eschenloer369 beschrieben hat, als es eine Rolle unter den Mächten des östlichen Europa spielte; doch besaß es noch manche Attribute munizipaler Selbständigkeit, unter andern das Recht, sich selbst zu bewachen und zu verteidigen. Innerhalb der Stadt duldete man nur Soldaten, welche der Stadt geschworen hatten. Wollten königliche Truppen370 ihren Durchzug durch die Stadt nehmen, so verstärkte man die Wachen, sperrte die Straßen mit Ketten; nur in kleinen Abteilungen, unter dem Geleit der städtischen Mannschaften zogen sie herein und hinaus. Es leuchtet ein, daß bei dem plötzlichen Herandringen eines mächtigen Feindes einer der vornehmsten Gesichtspunkte der österreichischen Regierung dahin gehen mußte, der Hauptstadt des Landes mächtig zu bleiben und dieser Beschränkung sich zu entledigen.
Das Oberamt forderte den Rat auf, dem Obersten,