Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Название Leopold von Ranke: Historiografische Werke
Автор произведения Leopold von Ranke
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788027206056



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hatten die Stände von Schlesien ihr Verhältnis zu den böhmischen Erblanden, denen Schlesien zugezählt wurde, und das Verhältnis Böhmens überhaupt zur Monarchie erwogen und berechnet; sie behaupteten, daß wie die böhmischen Erblande überhaupt gegen die andern, so Schlesien noch besonders gegen Böhmen und Mähren in großem Nachteil stehe. Wenn man ihren wiederholten Berichten nicht allen Glauben versagen will, so befand sich Schlesien in ökonomischer Hinsicht kurz vor dem Tode Kaiser Karls VI. keineswegs in blühenden Umständen. Die Landesmemorialien, Denkschriften, welche der Conventus an das Oberamt richtete, führen aus, daß sich ein Unglücksfall an den andern, eine Beschwerde an die andre kette. Die Auflagen, durch starke Zinszahlungen für auswärtige Anleihen gewachsen, seien unerschwinglich, der Handel durch die Zollerhebungen der Nachbarn und die eigenen in offenbarem Verfall. Sie versichern, unzählige Bauerngüter und Bürgerhäuser seien in Sequestration geraten; kaum aber reiche die Nutzung des Sequester für die Auflagen hin, denn Geld habe nun einmal niemand mehr; da es an Käufern fehle, sei es unmöglich, den Gläubigern zu ihren klarsten Forderungen zu verhelfen; dem Landmann bleibe keine Hoffnung übrig, sich aus seinen schweren Drangsalen jemals herauszuarbeiten.

      Am 22. Dezember 1740 langte König Friedrich nach einigen starken und wegen der Witterung nicht eben bequemen Märschen vor der ersten Festung an, die sich ihm entgegensetzte, dem alten Bollwerk Schlesiens, Glogau, und schlug sein Lager in Herrendorf auf. Hier erschienen die Landesältesten der Fürstentümer Glogau, Liegnitz, Wohlau in freier Übereinstimmung mit dem Conventus und trafen mit dem preußischen Kriegskommissariat Abrede über die Verpflegung sowohl derjenigen Heeresabteilungen, welche Glogau belagern, als der andern, welche vorwärts rücken sollten. Denn unverzüglich wendete sich der Feldmarschall Graf Schwerin nach der großen Straße, welche am Fuß des Gebirges nach dem Glatzischen führt. Für ihn halfen sie die Marschroute bestimmen und gaben ihm Kommissarien mit, um ihn von Stadt zu Stadt, von Kreis zu Kreis zu führen. Man dürfte nicht glauben, daß Schlesien ganz ohne Verteidigung gewesen wäre. Die österreichischen Mannschaften, allerdings viel zu schwach um das Feld zu halten, reichten doch hin, um die festen Plätze des Landes, die zum Teil sehr ansehnlich waren, zum Teil wenigstens haltbar erschienen, zu besetzen. Sie zweifelten nicht, daß es ihnen gelingen werde, diese Plätze wenigstens so lange zu behaupten, bis ein regelmäßiges Heer versammelt sei, hinreichend um den Feind aus dem Lande zu verjagen; sie hofften, ebenso leicht als er es einnehme.

      Und noch immer war das Übergewicht des Katholizismus im Zunehmen. Während die heiligen Gefäße der Reformierten, in Hoffnung auf bessere Zeiten, einem Handelshause in Verwahrung gegeben werden mußten, durchzogen die katholischen Prozessionen in allem Pomp die Straßen von Breslau, eine besonders feierliche im September 1740, als die Reliquien des heiligen Theodor, eben aus Rom angelangt, nach dem Domstift gebracht wurden. Bei der Tronbesteigung Maria Theresias ließen die katholischen Eiferer verlauten, daß man nun in Schlesien ebensowenig wie in einer andern Provinz auf Konventionen mit fremden Mächten Rücksicht nehmen oder eine Berufung darauf gestatten werde; die katholische Kirche werde auch hier ausschließend herrschen. Schon erwarteten die Protestanten noch einmal, nach der erwähnten Truppenbewegung, die Erneuerung der antireformatorischen Bedrängnisse. Bei der Ankunft der Harrachschen Grenadiere, die nach Glogau gingen, meinte man im Liegnitzischen nicht anders, als daß sie eben hiezu bestimmt seien; am dritten Adventsonntage, 11. Dezember, solle ein neues Werk offener Gewaltsamkeiten beginnen.

      Einen Eindruck ohnegleichen mußte es nun auf sie machen, daß im nämlichen Augenblick der mächtigste evangelische Fürst in Deutschland, der junge König von Preußen, in ihren Grenzen erschien. Sie zeigten Prophezeiungen auf, die ein solches Ereignis in ihren höchsten Nöten immer angekündigt hatten; sie wußten zu erzählen, der König habe einst im Traum die Provinz in Flammen stehen sehen, und dreimal hintereinander habe ihn eine vernehmliche Stimme ermahnt, ihr zur Hilfe zu eilen; sie erblickten in ihm einen vom Himmel geschickten Schutzengel. Wie sonderbar, daß einem von dem positiven Glauben der protestantischen Kirche abgewandten Fürsten dieses überschwengliche Vertrauen derselben entgegenkam. Was bei ihm Politik und Ehrgeiz war, umkleideten sie mit religiöser Phantasie. Seinen persönlichen Meinungen fragten sie nicht weiter nach, als insofern sie ihnen Heil brachten: sie hielten sich mit Recht nur daran, daß er der König eines protestantischen Reiches war. Wenn es ihm einigermaßen gelang, so mußte er ihnen helfen.

      Wenn nun aber überall so mächtig, so wirkte seine Ankunft doch am durchgreifensten in der Hauptstadt ein, wo die Bürgerschaft zwar ihre alte religiöse Freiheit behauptete, aber durch den Anblick der Tätigkeit und des Fortschreitens der Gegner derselben in unaufhörlicher Besorgnis und Aufregung gehalten ward. Bei der ersten Nachricht von dem Einmarsch der Preußen schwiegen die zelotischen Kontroversprediger, die Gefangenen wurden losgelassen. Dagegen nahm man in den evangelischen Kirchen einen Psalm zum Text, nach welchem Gott, der sein Volk verstoßen und »ihm ein Hartes erzeigt hat«, ihm wieder ein Panier aufsteckt, um es zu retten (Ps. 60, 3-7).

      Das Oberamt forderte den Rat auf, dem Obersten,