Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Название Leopold von Ranke: Historiografische Werke
Автор произведения Leopold von Ranke
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788027206056



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zu begnügen, wie er eine solche vor kurzem gegen Glogau und jetzt gegen Brieg angeordnet hatte.

      Indessen machte sich Schwerin nach Oberschlesien auf, um Browne aus den schlesischen Grenzen zu verjagen. Der rechte Flügel, der ihm hierzu anvertraut blieb, war nur von mittelmäßiger Stärke, aber noch schwächer war durch die Besatzungen, die er von sich abgesondert hatte, Browne geworden. Er wich von Neustadt nach Jägerndorf, von Jägerndorf nach Troppau, von da über Grätz, wo beide Teile noch einmal aufeinanderstießen, nach Mähren, zufrieden, daß er einige Posten im Gebirge behauptete. Er hatte überall die Steuerkassen, und was sonst von besonderem Wert war, mit sich genommen; seine Magazine aber fielen größtenteils den Preußen zu, die nun in Oberschlesien überall die Herren waren. Nach wenigen Tagen nahmen sie auch den steilen Paß über die Beskiden, die Jablunka ein, welcher ihnen Ungarn eröffnete. Friedrich hat gesagt, und viele andre teilten diese Meinung, daß ihn nichts aufgehalten haben würde, hätte er bis nach Wien vordringen wollen; aber seine Absicht, fügt er hinzu, sei nur gewesen, das Land in Besitz zu nehmen, von dem ihm ein großer Teil von Rechts wegen gehöre.

      Er wollte überhaupt, wenn dieser Unterschied zu machen ist, nicht die Monarchie angreifen, sondern sich nur der Provinz bemächtigen. In wenigen Wochen hatte er sie, bis auf die drei Hauptfestungen, so gut wie vollständig gewonnen; auch Namslau, wo der Widerstand der Besatzung, welche sich in dem Schlosse behauptete, durch Brandkugeln gebrochen werden mußte, fiel Anfang Februar in seine Hände. Und unverzüglich setzte sich ein ganz andrer Zustand durch. Das österreichische System, kraft dessen die Autorität im Lande einigen Mitgliedern der großen Familien von besondrer Ergebenheit, in den Städten dem absichtlich bevorzugten katholischen Magistrat in die Hand gegeben war, fiel gleichsam in sich selbst zusammen. Wie in Breslau die Karossen der Grandes, so nannte man sie, nicht mehr die Straßen durchfuhren, so wichen die großen Herren allenthalben von ihren Ämtern; in einer Stadt nach der andern traten evangelische Ratsherren in die Stellen, aus denen sie verdrängt worden waren, wieder ein. Die öffentlichen Bilder verschwanden, die man bisher zum Hohn des Protestantismus aufgestellt gesehen hatte; die Feldprediger verkündigten, ihr König sei gekommen, um die alte Religionsfreiheit herzustellen. Überall erneuerte sich der evangelische Gottesdienst; die bisher verborgenen Gefäße dienten wieder auf einem dem reformierten Bekenntnis gewidmeten Altar; den lutherischen Gemeinden, die dessen am meisten bedurften, wurden junge Geistliche von Berlin aus zugesandt. In den Kirchen hörte man auf für »unsere Erblandsfrau die Königin von Ungarn« zu beten; die Zeitungen erschienen nicht mehr mit dem doppelten, sondern mit dem einfachen schlesischen Adler.

      Nicht allein auf Eroberung, sondern zugleich auf Abfall beruhte die Besitzergreifung von Schlesien. Mit dem alten, von den Piasten überkommenen Erbrecht des Hauses Brandenburg hatte die Wiederherstellung des evangelischen Elements in seine religiöse und politische Unbedrängtheit eine innere Verwandtschaft. Als Brandenburg stark genug geworden war sein Recht zurückzufordern und endlich auch das Herz dazu faßte, ging der größere Teil von Schlesien zu ihm über. Die militärische Aufstellung und Macht erweckte das Zutrauen der bisher Bedrückten; die Unterstützung, die sie leisteten, bahnte wieder den Weg zum Siege. Daß es nun aber mit dieser Veränderung Bestand haben würde, nahm man mehr aus einem dunklen Gefühl an, als weil man die Möglichkeit davon deutlich eingesehen hätte. Die alten Anhänger des Hauses Brandenburg zitterten, wenn sie sich die möglichen und ihnen wahrscheinlichen Folgen überlegten. Andre, gleichgültig oder feindlich gesinnt, hätten der Pläne des Königs von Anfang an gespottet, sie für Hirngespinste eines jungen Menschen erklärt. Um so mehr erhob sich in diesem der Ehrgeiz, sein Werk zu vollenden; er wollte beweisen, daß seine Entwürfe echte Gedanken der Politik seien, die er mit Ruhm durchzuführen vermöge.

       Schlacht bei Mollwitz, S. 404-409; bei Czaslau und Chotusitz, S. 519-526.

      41. Einrichtung der preußischen Regierung in Schlesien

       Inhaltsverzeichnis

      Preußische Geschichte III u. IV, Werke Bd. 27 u. 28 S. 547 ff.

      Als Friedrich II. in Schlesien einrückte, gab er die Absicht kund, die ständische Verwaltung, die er antraf, aber freilich nur im allgemeinen kannte, bestehen zu lassen. Den Landesältesten, die sich im Dezember 1740 in Herrendorf über den Marsch seiner Truppen mit ihm vereinbarten, ließ er erklären, er sei gesonnen ihre Autorität aufrechtzuerhalten. Wenn sich bei seinem weiteren Vorrücken in den Landleuten eine Meinung regte, als sei die bisherige Steuerverfassung durch die Ankunft der Preußen aufgehoben, so säumte er nicht sie darüber zurechtzuweisen. Im Januar 1741 ließ er sich eine Erklärung des Conventus publicus über die ständische Natur des Generalsteueramtes in Schlesien ohne Widerrede gefallen und versprach, denselben samt allen Steuerbeamten und Offizianten weiter zu autorisieren; er sei nicht gekommen, um sich nach Kriegsgebrauch im Lande zu gebaren; alles solle im alten Stande bleiben, bis später mit Zutun von Fürsten und Ständen etwas Gedeihliches beschlossen werde. Was er einen Augenblick forderte, daß die Steuerbeamten sogleich mit Eid und Pflicht an ihn gewiesen würden, ließ er später fallen und gab nach, daß sie dem Conventus verpflichtet bleiben sollten. Nur den einen Vorbehalt machte er, daß das Landeseinkommen zur Verpflegung und Erhaltung seiner Armee angewendet würde; er stellte hierüber ohne Verzug eine sehr bestimmte Forderung auf. Auf Grund einer ihm zu Händen gekommenen Berechnung der allgemeinen Landesprästanda setzte er im Februar 1741 sein Postulat auf dritthalb Millionen Taler des Jahres fest, so daß alle Monate für die Bedürfnisse seiner Armee ungefähr 190 000 Taler aufzubringen sein würden; diese Summe solle das Generalsteueramt nach den verschiedenen Fürstentümern, Standesherrschaften, Städten und Gemeinheiten auflegen und ihre Einbringung besorgen.

      Hätte der Conventus hierauf eingehen können oder wollen, so möchte vielleicht die ständische Verfassung, wenn auch in modifizierter Form, bestehen geblieben sein; allein die Unterhandlung mit ihm war vergeblich. Die Mitglieder machten die mannigfaltigsten Ausstellungen. Der preußische Bevollmächtigte antwortete, er sehe die Billigkeit eines großen Teiles der vorgebrachten Einwendungen ein, er wolle nur fragen, wieviel denn eigentlich das Land Schlesien dem obersten Herzog zu zahlen schuldig sei. Der Conventus erklärte hierauf: das Land sei dem Herzog gar nichts zu geben schuldig, alles sei von jeher nach freiem Gutdünken bewilligt worden, sie seien imstande, die bündigsten Reversalien darüber nachzuweisen.

      Der Gegensatz der provinzialständischen Verfassung mit der monarchischen Gewalt trat hier in seiner ganzen Schroffheit hervor. Diese erklärte eine bestimmte Leistung für unbedingt notwendig, jene weigerte sich ebenso unbedingt dieselbe zu übernehmen. Nachdem man sieben Monate lang gehadert, war an kein Abkommen mehr zu denken, die eine oder die andre mußte weichen. Der monarchischen Gewalt, die in ihrem Aufsteigen begriffen war, kam zustatten, daß die provinzialständische Verfassung eben in bezug auf das Steuerwesen unendlich viel zu wünschen übrig ließ. Einmal: von den sehr ansehnlichen Auflagen der Provinz kam der Regierung kaum der vierte Teil zugute: alles andre ward durch Besoldungen, Diäten, Zinsen, und welche andre Posten in den Gegenrechnungen erschienen, aufgezehrt. Sodann: in der Leistung dieser Auflagen bestand eine schreiende Ungleichheit. Bei einer alten Schätzung vom Jahre 1527 hatten die Stände ihr Einkommen nicht allein nach den liegenden Gründen, sondern nach dem gerade obwaltenden Vermögenszustand angegeben, und diese Vermögensansage diente nun zur Norm bei allen Auflagen. Noch im Anfang des 18. Jahrhunderts hatte man einige Steuern, deren Aufbringung unbequem gewesen wäre, durch eine Reluition abgekauft und diese dann ebenfalls in Form jener Schätzung aufgebracht. Auch in den einzelnen Kreisen waren die Mindermächtigen offenbar überbürdet; es wird ein Beispiel angeführt, wo die Herrschaft die Auflage so verteilt habe, daß sie, statt etwas beizutragen, vielmehr einen ansehnlichen Gewinn davon innebehielt.

      Die Stände, wie sie nun einmal im Laufe der Zeit sich gebildet, waren das Land. Sie bewilligten der Regierung nicht was diese bedurfte, sondern was diese darzubieten gut schien, in Wetteifer mit den übrigen Provinzen, so wenig als möglich zu zahlen, und doch wieder unaufhörlich durch persönliche Rücksichten auf den Hof bestimmt. Der Auflagen waren so mancherlei, daß man kaum mehr wußte, was man zu geben hatte; ob sie dem Landesaufkommen zuträglich seien oder nicht, ward wenig beachtet.