Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Mitten in dem Ruin der politischen und kirchlich-politischen Autoritäten stellte sich Cromwell als Beschützer der sozialen Zustände, des Eigentums, des bürgerlichen Rechts, der niederen Geistlichkeit auf. In diesem Sinne ergriff er die höchste Gewalt und seine Stellung selbst bewirkte, das dies mit Beistimmung eines ansehnlichen Teils der Bevölkerung geschehen konnte. Die Rechtsgelehrten und Geistlichen hatten sich durch die destruktiven Beschlüsse der independentischen Versammlung295 in ihrem Dasein bedroht gesehen; sie waren glücklich, als sie die Auflösung derselben vernahmen. Cromwell erschien als ihr Erretter; für sie hatte sein Titel Protektor vollkommen den Sinn, der in dem Worte liegt.
Vornehmlich mußte er die Institutionen, die mit den alten Zuständen verbunden waren, niederhalten. Von der Organisation der Aristokratie oder dem Bistum konnte so wenig die Rede sein wie von dem Königtum selbst. Am wenigsten meinte er den Katholizismus dulden zu dürfen. In dem politischen und religiösen Gegensatz gegen alle diese Elemente sah Cromwell den Zweck seines Daseins; er erblickte darin die Wohlfahrt des Landes, die Förderung der Religion und der Moral, aber auch zugleich seine eigene Rechtfertigung, wenn er nun, um seine Sache durchzuführen, dazu schritt, auch die Widersacher aus dem Schoß der eignen Partei zu bekämpfen. Er hielt für notwendig, alle Kräfte des Landes seinem Willen dienstbar zu machen. So hat er sich eine Gewalt gegründet, die kein Beispiel und keinen ihr entsprechenden Namen hat. Es ist gewiß, die großen Worte, von denen sein Mund überströmte, waren zugleich die Hebel seiner Macht, und nicht gegen diese ließ er sie gelten; aber ebenso gewiß ist: die oberste Gewalt war nicht sein Ziel an und für sich; sie sollte ihm dienen, die Ideen von religiöser Freiheit im protestantischen Sinne, bürgerlicher Ordnung und nationaler Unabhängigkeit, die seine Seele erfüllten, zu realisieren. Diese Ideen sah er nicht in subjektiver Genugtuung, sondern in ihrer objektiven Notwendigkeit.
Eine Kraft von tiefem Antrieb, ureigner Bewegung, breiter Mächtigkeit, langsam und feurig, beständig und treulos, zerstörend und konservativ, die den ungebahnten Weg immer geradeaus vor sich hintreibt; alles muß vor ihr weichen, was ihr widerstrebt, oder es muß zugrunde gehen. Fragt man, was er ausgerichtet hat, was nach ihm blieb, so liegt das nicht in einzelnen Formen des Staates und der Verfassung. Es erhellt nicht einmal mit Bestimmtheit, ob er auf eine Fortpflanzung der Macht, die er selber besaß, Bedacht genommen hat. Weder sein Haus der Lords noch seine Commons waren von Bestand, weder die Armee, die er gegründet, noch die separatistischen Versuche, von denen er ausging. Die Zeiten haben das alles wieder weggetrieben. Dennoch hat er eine Wirksamkeit von folgenreichstem Inhalt ausgeübt.
Wir sahen, wie der große Konflikt aus den historischen und natürlichen Gegensätzen der drei britannischen Länder entsprang, welche Rolle die republikanische Organisation bei der Unterwerfung der beiden andern Teile des britannischen Gemeinwesens unter England gespielt hat. Aber es waren doch die Siege Cromwells, die das möglich machten. Was dem letzten Protektor vor ihm, Somerset,296 vorgeschwebt hatte, die Vereinigung der drei Reiche in und durch den Protestantismus, das hat er glänzend durchgefochten. Seine Erhebung ging von einem vorzugsweise englischen Gedanken aus, der sich zugleich dem Eindringen der Schotten und der irischen Selbständigkeit entgegensetzte; er verschaffte ihm Raum mit den Waffen und hat dann zuerst die irischen und schottischen Deputierten, wenn auch unregelmäßig, in das englische Parlament eingeführt. Kaum läßt sich annehmen, daß eine parlamentarische Regierung der drei Reiche damals möglich gewesen wäre. Wie die Ereignisse gegangen waren, drängten sie nach einer monarchisch-militärischen Gewalt. Cromwell hat das Verdienst, eine Reihe von Jahren hindurch die britannischen Reiche von einem Gesichtspunkt aus regiert, ihre Kräfte zu gemeinschaftlichen Unternehmungen vereinigt zu haben. Das letzte Wort der Geschichte war das nicht, die Dinge sollten sich noch auf eine ganz andre Weise ausbilden. Aber vielleicht müssen die großen Gestaltungen durch die unbedingte Autorität eines einzelnen Willens präformiert werden, um später ein freies Leben in ihrem Schoße zu entwickeln.
Für die allgemeine Geschichte von Europa ist nun aber nichts wichtiger, als daß Cromwell die Kräfte von England gegen die spanische Monarchie richtete. Es war sein eigenster Gedanke, die Republik hätte es schwerlich getan. Wir untersuchen nicht den politischen Wert der Handlung, gegen den sich vieles einwenden läßt, wir begreifen nur ihre Wirkung. Diese lag darin, daß die Gestalt der europäischen Welt, die aus dem dynastischen Emporkommen des Hauses Burgund-Österreich hervorgegangen war und seit beinahe zwei Jahrhunderten vorgewaltet hatte, zurücktreten und eine neue Bahn sich machen mußte; den Engländern, namentlich ihrer Seemacht, fiel dabei vom ersten Augenblick an eine große Rolle zu. Cromwell hat die englische Marine nicht geschaffen, die Tendenzen ihrer Führer waren ihm vielmehr entgegengesetzt, aber er hat ihr ihre vornehmste Richtung gegeben. Wir sahen, wie gewaltig sie sich in alle Welt aufnahm. Vornehmlich hatten die ozeanischen und mittelländischen Küsten297 von Europa das Gewicht der englischen Waffen empfunden; zuweilen ist von Besitzergreifungen an der italienischen, selbst an der deutschen Küste die Rede gewesen; an der niederländischen war eine solche gelungen298 und sollte erweitert werden: man sagte, der Schlüssel des Kontinents hange an dem Gürtel Cromwells. Widerstrebend, aber gezwungen folgte Holland damals dem Impuls, den es von England erhielt;299 um seiner eignen Erhaltung willen nahm ihn Portugal an. England konnte ruhig die Verwicklungen erwarten, die sich später auf dem Kontinent zutragen mochten.
Wenn nun der protestantische Gedanke die innere Einheit von England begründete, und zwar in unerwarteter Freiheit von sektierischem Beigeschmack, so war es die Idee des Protestantismus und seiner Aufrechterhaltung, was zur Begründung des Systems der Macht den Anstoß gab und in demselben mächtig zutage kam. Durch die Einwirkung Frankreichs war der Protestantismus vor seiner Vernichtung gerettet, aber zugleich in Unterordnung gehalten worden.300 Dagegen nahm er durch Cromwell unter den Mächten der Welt eine selbständige Haltung ein, ohne alle weitere Vermittlungen. Die Abweichung von der alten Doktrin und Verfassung der abendländischen Kirche gewann eine ebenso große Stellung, wie die besaßen, welche daran festhielten, und selbst noch eine größere, zukunftreichere.
Zurückberufung Karls II. 4, 278-297. Charakter Karls II. 5, 373 f.
35. Seekrieg zwischen England und Holland 1665 bis 1667
Englische Geschichte V, Werke Bd. 18 S. 5-32.
Nach dem Zusammenstoß mit Cromwell hatten sich Seemacht und Handel von Holland auf das mächtigste wieder aufgenommen. Man geriet in Erstaunen, wenn man einen Blick auf ihre Reeden und Hafenstädte warf, wie sich in Vließingen der westindische, in Amsterdam der ostindische Handel Europas beinahe zentralisierte, der schottisch-englische Handel Dordrecht und Rotterdam, der Heringfang Enkhuyzen, der Schiffbau Saardam belebte. Die Ostindische Kompagnie bildete