Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Wallenstein sah es gern, wenn große Herren in seinen Dienst traten; aber auch Kaufmannssöhne, frühere Juwelenhändler, Emporkömmlinge selbst aus der dienenden Klasse waren ihm willkommen. Bei dem Gemisch der Nationen, Bekenntnisse, Stände war das unverbrüchlich militärische Gesetz ein doppelt unbedingtes Bedürfnis der Schlagfähigkeit. Die kleinsten Fehler, wie Eigenmächtigkeiten in der Kleidung, wurden bestraft, wie man sagte, um größere zu verhüten. Wenn man im Felde stand, ward etwas mehr nachgesehen, doch nichts, was die Unterordnung hätte gefährden können. »Ich will nicht hoffen,« sagte er auf einlaufende Klagen, »daß einer unsrer Offiziere sich so weit vergessen hat, unsre Ordonnanzen zu despektieren.« Die Ausschreitungen, an denen es freilich nicht fehlte, sollte kein Oberer ungeahndet lassen; Nachsicht hierbei fand Wallenstein sträflich und drohte mit Exekution an Leib und Leben zu ahnden. Plündernde sind auf der Stelle gehenkt worden. Von Schonung wußte er nichts, weder im Dienste noch vollends dem Feinde gegenüber. Den Antrag, den ihm einst König Gustav Adolf machte, nach dem Vorgang der niederländischen Kriege eine Übereinkunft zu schließen, daß bei einem Zusammentreffen mit sehr verschiedenen Streitkräften die schwächere Partei sich, ohne zu schlagen, ergeben dürfe, verwarf er mit den trotzigen Worten: »Sie mögen kombattieren oder krepieren«.
Das oberste aller Verdienste war bei ihm tapferes Verhalten; nur dadurch erwarb man sich persönliche Rücksicht. Wie Piccolomini die entschiedene Gunst des General hauptsächlich der Tapferkeit verdankte, die er an der Spitze seiner Reiterei in der Schlacht von Lützen bewiesen hatte, so erwarb sich der Kroatengeneral Isolani bei einem Angriff auf die Schweden bei Ansbach, der Graf Dohna bei der Eroberung von Chemnitz seine Freundschaft. Er hielt immer eine Anzahl goldener Ketten in Bereitschaft, um auf der Stelle belohnen zu können; er erhob selbst in den Adelstand; seine Kriegskasse war angewiesen, die Kosten für die Ausfertigung der Diplome zu tragen. In sehr außerordentlichen Fällen ersuchte er auch den Kaiser, einem Befehlshaber seine Zufriedenheit auszudrücken. – Man darf behaupten, daß er dem militärischen Prinzip an und für sich, selbst ohne Rücksicht auf den Zweck des Krieges, im Sinne der anderthalb Jahrhunderte, die dann folgten, Bahn gemacht habe, sowie er ihm durch die Einrichtung der Kontributionen eine regelmäßige Grundlage schaffte. Er war ein geborener Kriegsfürst.
Solange als er gesund war, liebte Wallenstein mit den Obersten zu speisen, denn nichts verbinde die Gemüter mehr als ein heiteres Gelag. Aber bei aller guten Kameradschaft hielt er den Anspruch der unbedingten Unterordnung fest. Wenn er im Feldlager einherging, wollte er nicht gegrüßt sein; wenn er sich dann in sein Quartier zurückzog, so hielt er darüber, daß niemand in der Nähe desselben mit Pferden und Hunden erscheinen, mit klirrenden Sporen einherschreiten durfte. Außerhalb des Feldlagers liebte er eine Pracht zu entwickeln, mit der kein Fürst wetteifern konnte. Was hatte er sich in Prag für einen prächtigen Palast erbaut, mit Säulenhallen, geräumigen, hellen, kunstgeschmückten Sälen, dunklen, kühlen Grotten. In seinem Marstall fraßen dreihundert ausgesuchte Pferde aus marmornen Krippen; wenn er ausfuhr, geschah es mit einer langen Reihe zum Teil sechsspänniger Karossen. Vogelhäuser, fast im orientalischen Stil, sorgfältig erhaltene Fischteiche fand man in seinen Gärten. Vom Schlosse in Sagan erzählt man, er habe es zum achten Wunder der Welt machen wollen. Er hat zugegeben, daß man ihn als Triumphator malte, seinen Wagen von vier prächtigen Sonnenrossen gezogen.
Er war kein Freund von Zeremonien; wie oft unterbrach er lange, von Äußerungen der Untertänigkeit angeschwellte Anreden deutscher Gesandten; er spottete der tiefen Reverenzen, wie sie damals am römischen Hofe gang und gäbe wurden. Aber er liebte von Anfang an den Pomp einer prächtigen Umgebung. Seine Pagen, die er gern aus den vornehmsten Geschlechtern nahm, erschienen in blauem Samt, mit Rot und Gold auf das prächtigste angetan; ebenso war seine Dienerschaft glänzend ausgestattet; seine Leibwache bestand aus ausgesuchten Leuten von hoher und schöner Gestalt. Er wollte, besonders seit er Herzog von Mecklenburg geworden war, durch die Äußerlichkeit eines fürstlichen Hofhaltes imponieren. Er lebte mäßig, aber seine Tafel sollte auf das trefflichste bedient sein; niemand bezahlte reichlicher.
Er hatte sich in Italien die Sitte und Art der gebildeten Welt angeeignet. Unter anderm weiß man, wie sehr er die Damen des Hofes zu Berlin, als er einst daselbst erschien,217 einzunehmen wußte; von den Anmaßungen, die einige seiner Obersten vor sich hertrugen, war bei ihm nicht die Rede. Aber wehe dem, der ihn in Zorn versetzte. Wie in seiner Jugend, so im Alter war er dann seiner selbst nicht mächtig; er war wie mit Wut erfüllt und schlug um sich; man ließ ihn toben, bis es vorüber war. Er kannte diesen Zustand wohl und suchte die Anlässe, die ihn hervorriefen, zu vermeiden. Er liebte die Aufregung des Gesprächs, in welchem sich leidenschaftliche Aufwallungen eines leichterregten Selbstgefühls Luft machten; die fernsten Aussichten erschienen als gefaßte Entwürfe, die momentanen Ausfälle als wohlbedachte Feindseligkeiten. Von denen, die ihn kannten, wurden sie als das was sie waren, mit dem Worte Boutaden bezeichnet; in die Ferne getragen machten sie vielen Eindruck.
Jedermann, der in seine Nähe kam, litt von seiner Launenhaftigkeit, seinem zurückstoßenden Wesen, seinem gewaltsamen, rücksichtslosen Gebahren. Sein Ruf schwankte zwischen zwei Extremen, daß er das wildeste Untier sei, welches Böhmen hervorgebracht habe, oder der größte Kriegskapitän, dessen gleichen die Welt noch nicht gesehen.
Sein Antlitz erscheint, wie es die bestbeglaubigten Bilder darstellen, zugleich männlich und klug; man könnte nicht sagen groß und imposant. Er war mager, von blasser ins Gelbe fallender Gesichtsfarbe, von kleinen, hellen, schlauen Augen. Auf seiner hohen Stirn bemerkte man die Signatur der Gedanken, nicht der Sorgen: starke Linien, keine Runzeln. Früh ward er alt; schon in den vierziger Lebensjahren erbleichte sein Haar. Fast immer litt er am Podagra; in den letzten Jahren konnte er nur mit Mühe an seinem spanischen Rohre einherschreiten; bei jedem Schritt sah er um sich. Aber in ihm lebte ein feuriger Impuls zu unaufhörlicher Bewegung, Unternehmung, Erwerbung, durch seinen Gesundheitszustand nicht allein nicht erstickt, sondern eher angereizt, der ehrgeizige Trieb sich nach allen Seiten geltend zu machen, seine Macht und die Bedeutung seines Hauses zu gründen, die alten Feinde zu seinen Füßen zu sehen.
Es gab nichts was ihm so sehr im Wege stand, als der geistliche Einfluß und die Prätensionen des hohen Klerus. Wie Wallenstein die Soldaten liebte, so haßte er die verweltlichten Priester. Er hatte nichts dagegen, wenn etwa mit einem Klostergeistlichen, der in der Armee mitzog, nach Kriegsgebrauch verfahren wurde: »denn wäre er in seinem Kloster geblieben, so würde es ihm nicht geschehen sein.« Von Vergabungen zugunsten der Geistlichen wollte er gar nichts hören, denn dadurch entziehe man nur den Soldaten das, was ihnen zukomme. Er scherzte wohl über das Wohlleben der großen Kirchenmänner: wie glücklich seien sie, daß sie die Kabbala gefunden, Fleisch und Geist, die sonst einander bestreiten, zu vereinigen. Höchst verächtlich waren ihm die Beamten, die sich zum Dienst derselben hergaben; Männer wie Slavata und Martiniz erklärte er von allen Kreaturen die es gäbe, zweibeinigen und vierbeinigen, für die bösesten. Jesuiten wollte er in seinem Feldlager nicht dulden; dagegen gestattete er den Protestanten, von denen es voll war, ohne Skrupel freie Religionsübung und die Predigt; man hörte ihn sagen, Gewissensfreiheit sei das Privilegium der Deutschen.
Seine Bizarrerien, die vielmehr dazu dienten, bei der Menge Eindruck zu machen, und die astrologischen Berechnungen der Geschicke für sich selbst und seine Freunde hinderten ihn nicht, Umstände und Dinge, wie sie vorlagen, zu erkennen. Das Phantastische war in ihm mit praktischer Geschicklichkeit gepaart. Er war verschwenderisch und unbesonnen, aber doch auch ökonomisch und umsichtig. In seiner Politik verfolgte er hochfliegende egoistische Pläne; aber zugleich hegte er Absichten, die zu einem bestimmten erreichbaren Ziele zusammenwirkten. Welch ein großartiges Unternehmen, den verderblichen Krieg in Deutschland zu beendigen, den Religionsfrieden in voller Wirksamkeit wiederherzustellen, die Integrität des Reiches zu erhalten! Damit