Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Die Versammlung wurde inne, daß sie nicht mehr das entscheidende Wort zu sprechen hatte. Alles beruhte auf dem Verhältnis, in das sie sich zu der einen oder der andern setzen würde. In unmittelbaren Kontakt geriet sie mit den Ereignissen in Berlin, die eine Seite hatten, durch die sie ihr willkommen waren. Sie hatte zuletzt nichts dagegen, daß eine auf dem königlichen Willen einseitig beruhende Verfassung oktroyiert449 und angenommen wurde, denn diese war doch erfüllt von den Ideen der Zeit und stellte ein konstitutionelles Regiment in Aussicht; die in Frankfurt vorwaltende, mehr konservative Partei bekam dadurch neuen Rückhalt. Dagegen schnitt die Erklärung von Kremsier450 jede Hoffnung ab, die Frankfurter Beschlüsse in Österreich zur Geltung zu bringen. Die Entfernung der Österreicher aus dem Reichsministerium, die dann folgte, erweiterte die Trennung, so daß die umgebildete Zentralgewalt den schon angeregten Gedanken, zwischen Österreich und den übrigen deutschen Staaten zu unterscheiden und ersteres bei den ferneren Beratungen nicht mehr zu berücksichtigen, mit Entschiedenheit ergriff. Der Gedanke eines weitern Bunds, zu dem Österreich gehören, und neben ihm eines engern, von dem es ausgeschlossen sein sollte, wurde gefaßt und von der Mehrheit der Versammlung unter mancherlei Schwankungen doch zuletzt genehmigt.
Da war es nun von doppelter Bedeutung, daß eine verwandte Ansicht in Preußen sich Bahn brach, und zwar wie im Staate so auch bei König Friedrich Wilhelm IV. An sich durch die Erinnerungen an den letzten großen Krieg und durch den gemeinschaftlichen Gegensatz gegen die Revolution an Österreich gefesselt, gab doch der König der Überzeugung Raum, daß eine Regeneration von Deutschland, wie auch er sie billigte, in Verbindung mit Österreich unmöglich sein würde. Bei aller Rücksicht, mit der die Zirkularnote abgefaßt war, enthält sie doch eine Abwendung von der österreichischen Idee zu der deutschen. Wenn nun dergestalt Berlin und Frankfurt sich in einem und demselben Gedanken begegneten, so waren sie doch darum bei weitem nicht einverstanden. Der König wollte vor allem das Recht des Fürstentums, als dessen Sachwalter er sich ansah, und sein eignes anerkannt wissen, die Versammlung in Frankfurt dagegen die Verfassung zustande bringen, mit der sie schon so lange beschäftigt war. Deren Konsequenzen schlossen Österreich aus. Von geistvollen mitbeteiligten Männern ist zwar bedauert worden, daß man nicht auch ferner solche Beschlüsse faßte, denen Österreich beitreten konnte, aber das lag außerhalb der Folgerichtigkeit der Tatsachen.
Für Österreich erschien es sogar unter den damaligen Umständen als eine Notwendigkeit, auf die Vereinigung seiner deutschen Landschaften mit Deutschland Verzicht zu leisten, um dieselben für seine eigne innre Konsolidation und Macht ungeirrt verwenden zu können. In Österreich wollte man das nicht Wort haben; man glaubte noch mit der eignen Rekonstruktion eine vorwaltende Macht in Deutschland verbinden zu können. Es gab eine mächtige Stimme in Europa, die dem widersprach: in England meinte man ein entschiednes Übergewicht Österreichs auf dem Kontinent nicht dulden zu können und von dem fortwährenden Konflikt in Deutschland die widerwärtigsten Folgen fürchten zu müssen. Denn wie leicht, daß Frankreich sich einmal wieder erhebe und in Süddeutschland Meister werde; selbst ein russisch-französisches Supremat lasse sich besorgen. Als das wünschenswerteste betrachtete man auch dort, daß sich Österreich für sich selbst rekonstruiere mit Einschluß seiner deutschen Provinzen, das übrige Deutschland aber sich um Preußen zu einem engern Bunde vereinige. Wenn man zweifeln mußte, daß der König von Preußen mit der erforderlichen Entschiedenheit dazu die Hand bieten werde, so wurde durch den vertrauten Vermittler451zwischen den englischen Ministern und dem Reichsministerium diesem der Rat gegeben, sich nicht darum zu kümmern, sondern auf Grund der Machtvollkommenheit des Parlaments einen Beschluß über die Stellung herbeizuführen, welche Preußen in dem zu errichtenden Bundesstaate einzunehmen habe. Bei dem Gegensatz der Parteien und den steten Einwirkungen Österreichs auf dieselben hatte das die größten Schwierigkeiten, aber der Fortgang der innern österreichischen Angelegenheiten selbst, die Anfang März 1849 zu einer noch stärkern Erklärung über den zu bildenden unteilbaren unauflöslichen Gesamtstaat Österreich führten, überzeugte am Ende auch die wärmsten Anhänger dieser Macht, daß man das begonnene Verfassungswerk aufgeben müsse, wenn man sich nicht von ihr sondere. Auch sie richteten jetzt ihre Augen auf Preußen.
Es muß dieser Versammlung, die sich als den Ausdruck der Nationalsouveränität betrachtete, immer hoch angerechnet werden, daß sie in ihrem methodischen Gange an den Grundlagen eines geordneten Staatswesens festhielt, die Republik ausschloß, die monarchischen Gewalten anerkannte und der kräftigsten derselben, der preußischen, die Zentralgewalt anzuvertrauen die Absicht faßte. Die Gesichtspunkte, die hierfür in der Verhandlung entscheidend waren, erscheinen in einer Rede Soirons,452 worin ausgeführt wird, daß nur der mächtigste Fürst zum Oberhaupte tauge, weil nur er imstande sei das Widerstreben der an ihre Souveränität gewöhnten ehemaligen Reichsstände niederzuhalten. In den immer steigenden Zerwürfnissen der Versammlung erschien die einzige Rettung in der unverzüglichen Wahl des Königs von Preußen. Um diese zu bewirken, gingen die Altliberalen den Radikalen gegenüber noch einen Schritt weiter, als er ihrem System entsprach. Um der Mehrheit sicher zu sein, gaben sie ihren Gegnern das radikale Wahlgesetz nach, auf welchem diese bestanden, und fügten sich darin, dem künftigen Oberhaupte nur ein suspensives Veto zu bewilligen. Sie erschraken, aber gaben nochmals nach, als diese Beschränkung der höchsten Autorität auch auf Fragen der Verfassung ausgedehnt wurde, so daß deren Bestand nur eine sehr zweifelhafte Gewähr behielt. Um das Prinzip, die monarchische Gestaltung des Bundesstaats, zu behaupten, willigte man in eine an sich unwillkommene Beschränkung der obersten Gemalt in demselben, wenn diese dann nur dem mächtigsten Fürsten, dem König von Preußen, zufiel. Wohl wußte man, daß sich Friedrich Wilhelm diese Würde verbeten hatte; aber man hielt ihn für beugsam und rechnete auf seine Beistimmung im letzten Augenblick: hatte er sich doch nach langem Schwanken zuletzt entschlossen, im Widerspruch mit Österreich den engern Bund auch seinerseits anzubahnen.
Aufs neue wurde dergestalt dem preußischen Staate die Frage vorgelegt, inwiefern er nunmehr die Verbindung mit den deutschen Reformideen, wie sie sich im Parlament manifestierten, eingehen wolle oder nicht. Eine neue große Aussicht wurde ihm geboten, eben die, eine dominierende Stellung in Deutschland zu erlangen. Und mußte nicht auch dem Könige daran liegen, den Verwirrungen ein Ende zu machen, die Macht in die Hand zu nehmen? Ein starkes politisches Interesse sprach dafür, über die anstößigen Einzelheiten hätte sich später hinwegkommen lassen; die Überzeugung der meisten war, daß es dazu nur eines festen Willens bedürfe. An und für sich wäre nun auch König Friedrich Wilhelm IV. fähig und selbst geneigt gewesen, die höchste deutsche Würde anzunehmen. Es entsprach einem tiefen und berechtigten Ehrgeiz seines Herzens. Aus allem, was er dagegen sagt, leuchtet doch dieser Zug hervor: die Krone der Salier und Hohenstaufen an die Hohenzollern zu bringen, wäre ihm als der Gipfel persönlichen und dynastischen Glücks erschienen. In seiner Seele teilte er alle die Gefühle für Herstellung der deutschen Einheit, welche seine Zeitgenossen seit dem Jahre 1806 erfüllten. Aber auf der andern Seite zeigten sich doch die gewichtigsten Gegengründe. Einmal konnte sich der König des Gedankens nicht erwehren, der aus seiner historischen Anschauung entsprang, daß dem Hause Österreich die erste Stelle in Deutschland gebühre. Nicht als ob es nicht Fälle hätte geben können, in denen er die obere Leitung übernommen hätte; allein in diesem Augenblick, in welchem Österreich zu erneuter Macht gelangt war und die revolutionären Elemente siegreich bekämpfte, lag ein für ihn gültiger Anlaß dazu nicht vor. Alles, was er über sich gewinnen konnte, war jener Versuch, den engern Bund zustande zu bringen. Dies sollte jedoch mit möglichster Schonung Österreichs geschehen. Bei den Verhandlungen hierüber ist man dem Könige zuweilen schon zu weit gegangen;