Название | Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band |
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Автор произведения | Walther Kabel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075831101 |
Und weiter grübelte sie darüber nach, was nun zwischen ihr und Egon Larisch werden sollte. War es nicht doch vielleicht klüger, ihn wieder auszuschalten aus ihrem Leben, ihn keinen weiteren Einfluß auf ihr Tun zu gestatten …?! So wünschte es ja die ›treue Hand‹, die es doch offenbar nur gut mit ihr meinte, mochte auch dabei manches von ungeklärten Unredlichkeiten – die Briefmarken zum Beispiel – sein.
Wieder dachte Irma an Hedwig Melcher.
Richtig – der Kaufmann unten im Melcherschen Hause hatte ja Telephon …! Da konnte sie Hedwig leicht herbestellen … – –
Hedwig Melcher saß zu derselben Zeit im Wohnzimmer auf dem Sofa neben der großen Vogelhecke, einige Schritte entfernt in einem Schaukelstuhl Egon Larisch.
Hedwigs Wangen glühten und in ihren Augen war ein besonderer Glanz – wie immer, wenn sie mit ihm allein war, mit ihm … Aber dieses Glück, ihn gelegentlich ganz nah für sich zu haben, genoß sie nicht oft, obwohl sie dem Zufall nach Kräften nachhalf. Und zog sie wirklich einmal dieses große Los, denn für sie bedeutete dies ja mehr als aller Mammon der Welt, so wurde alles – alles so ganz anders, als sie sich im nächtlichen Stunden, fiebernd in den Kissen liegend, in ihrer Phantasie ausgemalt hatte, dann blieb, wenn das harmlose Tete–a–tete zu Ende, nichts zurück als eine trostlose Enttäuschung … und die Hoffnung, daß das nächste Mal sicherlich so verlaufen würde, wie sie es wünschte, dies herbeisehnte …
Egon Larisch hatte Fritz besuchen wollen, ihn aber nicht angetroffen, eben nur Hedwig.
Er war recht schweigsam heute. Zu Beginn ein paar Bemerkungen über das Wetter. Dann folgte Stille, eine recht beklemmende Stille.
Auch Hedwig fühlte sich heute in seiner Gegenwart noch unfreier als sonst. Sie hatte den ganzen Tag über mit ihrem Gewissen gerungen, diese Stimmen zum Schweigen bringen wollen, die ihr zuriefen: ›Judas Ischariot – Verräterin!‹
Der Brief von gestern Abend war ja morgens in den Kasten gewandert – morgens um dreiviertel acht auf dem Wege zur Schule …
Larisch rauchte gedankenverloren seine Zigarre, die Hedwig ihm aus des Bruders Vorrat angeboten hatte. In der Vogelhecke zwitscherten, pfiffen und sangen die gelben, grünen, scheckigen Bewohner so recht frühlingsgemäß; und die langschwänzigen Zwergpapageien schnäbelten sich oder drückten sich eng aneinander, um ihrem Namen Inseparables, die Unzertrennlichen, ja Ehre zu machen.
»Woran denken Sie eigentlich?« fragte Hedwig endlich leise und schaute ihn mit Augen an, in denen das Verlangen endloser Jahre der Sehnsucht brannte.
»An den Tempel der Liebe und die Kiste, die in aller Stille bei Nacht verschwinden soll,« sagte er zerstreut. »Fritz hat Ihnen doch wohl von den Briefen erzählt, – oder wahrscheinlich sogar Fräulein Hölsch selbst. Zwischen Ihnen beiden gibt es doch wohl kaum Geheimnisse.«
Hedwig war schmerzlich zusammengeduckt. Wie ein Guß eisigen Wassers wirkte dieser Name auf ihre fast krankhaft angespannten Nerven. – Natürlich – natürlich Irma …! – Sie ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Um ihren welken Mund, dessen Lippen nur jetzt wieder glühten und schmachteten, gruben sich zwei messerscharfe Falten ein.
Sie erwiderte nichts, starrte zu Boden, dachte: ›Er beschäftigt sich nur noch mit ihr, mit den Briefen …! Aber das wird anders werden …!‹ Und am liebsten hätte sie in höhnischem Triumph aufgelacht. Die vorwurfsvollen Stimmen in ihrem Innern schwiegen ganz, waren erstickt – wohl für immer.
Er schaute sie prüfend an. Ein Ausdruck von mitleidiger Nachsicht lief wie ein Schatten über sein Gesicht hin.
Hedwig sah ein, daß sie irgendetwas erwidern mußte.
»Die Briefe sind doch nur ein schlechter Witz eines Mannes, der sich an Irma rächen will, vielleicht dafür, daß sie ihn enttäuscht hat,« meinte sie laut, und der Ton war schneidend und gehässig wie der einer Todfeindin.
Er stand auf, legte den Zigarrenrest in den Aschbecher und sagte, indem er Hedwig die Hand hinstreckte:
»Auf Wiedersehen. Ich muß fort. Ich habe jetzt wieder eine Arbeit, die all meine Gedanken gefangen nimmt.«
»Welche?« fragte sie schnell, ihn unterbrechend.
»Ein Roman ist’s den das Leben geschrieben hat, – wenigstens die ersten Kapitel. Die Fortsetzung möchte ich selbst schreiben.«
Sie verstand ihn.
»Also der Briefe wegen?!« Sie lachte kurz auf.
Er nickte ernst. »Auf Wiedersehen, Fräulein Hete.«
Seine Hand umspannte fieberheiße Finger. Dann fiel die Tür hinter ihm zu.
Hedwig stand und starrte auf die sich schnäbelnden Inseparables. Und keuchend drängte es sich über ihre Lippen …: »Ich hasse sie – ich hasse sie!«
Gleich darauf kam der Laufjunge des Kaufmannes aus dem Erdgeschoß und richtete Hedwig die Bestellung aus, sie möchte gleich zu Irma kommen. – –
Irma zeigte der Freundin den neuen Brief der ›treuen Hand‹.
»Wozu rätst du mir? – Ich habe ja niemanden, den ich fragen könnte. Und allein möchte ich eine Entscheidung nicht treffen. Soll ich Larisch aus dem Spiel lassen? Und wenn – was für einen Grund gebe ich ihm an, daß ich allein meine Sache fernerhin ausfechten will …?«
Hedwig lehnte am Schreibtisch. Sie tat, als studiere sie noch immer den Brief. Aber ihre Augen lasen nicht, ihre Gedanken waren anderswo … Ein unterdrückter Jubel loderte in ihrer Seele. Diese Gelegenheit mußte ausgenutzt werden. Hier hieß es schlau sein, berechnend …
»Ja, du hast wohl niemanden, den du des Briefes wegen um Rat fragen könntest,« meinte sie langsam, indem sie über den Briefbogen hinweg ins Leere schaute. »Aber gerade ich, – ob ich unparteiisch genug bin, hier zu raten?! Larisch ist meines Bruders bester Freund, – und auch wohl so etwas der meinige.«
»Wohl richtig. Aber ich stehe dir näher, nicht wahr?«
»Gewiß, gewiß. – Nun denn, – meine ehrliche Ansicht, bemühe Larisch nicht weiter! Einmal, weil dir doch offenbar daraus Nachteile erwachsen können, daß die ›treue Hand‹ dich fallen läßt, dann aber auch, – – hm ja – weil – weil es für den Ruf eines jungen hübschen Mädchens nicht ungefährlich ist, mit Larisch vertrauter zu sein.«
Eine Weile Schweigen.
Drüben in der Kneipe spielte das Grammophon – ein merkwürdiger Zufall – den Gassenhauer: ›Du bist zu schön, um treu zu sein …‹
Dann fragte Irma:
»Weißt du etwas über diese Baronin Szestöni?«
Hedwig nickte nur.
»Erzähle es mir,« meinte Irma, indem sie im Zimmer auf und ab zu gehen begann. »Ich will mir selbst über des Schriftstellers Charakter klar werden,« fügte sie hinzu.
»Gut. Aber ich kann dir nur mitteilen, was man sich damals von dieser Geschichte zuflüsterte – vor fünf Jahren. Laut redete niemand davon, denn Egon Larisch ist ein zu guter Pistolenschütze. Er hat auch schon mal wegen Zweikampfes auf Festung gesessen. –
Luzie von Szestöni kam mit ihrem kranken Gatten hier nach Berlin, aus Budapest. Der Baron Szestöni wollte sich eine Niere operieren lassen. Seine Frau lernt Larisch kennen, er verliebt sich in sie, sie vielleicht auch in ihn, beide sind dauernd zusammen, der Baron erfährt davon, steht heimlich eines Abends von seinem Krankenlager in der Klinik auf, fährt im Auto nach der Wohnung seiner Gattin, um das Paar zu überraschen, trifft die beiden aber nicht an, erkältet sich bei dieser Eifersuchtstragödie