Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel

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Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075831101



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ziemlich wirre Schilderung des Diebstahles.

      Dann meinte Herbert Morano: »Das hast du mir mitzuteilen vergessen, Mama?! – Fräulein Hölsch bestohlen …?! Unerhört! Und bei uns im Hause! Wie konntest du nur diesem angeblichen Monteur trauen?! Es ist deine Schuld, daß Fräulein Hölsch diesen Verlust der vierzig Mark zu beklagen hat, allein deine Schuld!«

      Er war so erregt, daß selbst der Unbefangenste merken mußte, ein wie großes Interesse er an der schönen jungen Mieterin nahm. – Dann wandte er sich an Irmas Beauftragten:

      »Sie sind Kriminalbeamter, mein Herr, nicht wahr?«

      »Nein – nur Angestellter eines Detektivbureaus, dem Fräulein Hölsch den Fall zur Untersuchung übertragen hat.«

      »Mein Gott, – wegen vierzig Mark!« warf die Rätin achselzuckend ein.

      »Es fehlen auch Papiere,« meinte der bescheidene Herr sehr ernst, obwohl es gar nicht der Wahrheit entsprach.

      Die Mießtaler zuckte zusammen.

      »Auch … Papiere …?!« stotterte sie. »Ja, aber davon hat Fräulein Hölsch mir doch gar nichts gesagt …!«

      »Darf ich mir jetzt den aufgebrochenen Schreibtisch ansehen?« fragte der Herr ausweichend. Er trug eine goldene Brille und hatte einen dicken, blonden Schnurrbart wie ein Wachtmeister, außerdem die reinen Posaunenengelbacken, was recht komisch wirkte. Seine Kleidung war beinahe elegant, wie Herbert Morano mit sachverständigem Blick feststellte.

      Dann verbeugte er sich wieder sehr tief erst vor der Rätin, gemessener vor dem Schauspieler:

      »Sie gestatten: Roderich Schinkel heiße ich.«

      Herbert stellte sich gleichfalls vor. Hierauf ging man zu dreien in Irmas Zimmer, wo Schinkel, immer mit Mutter und Sohn ganz unbefangen plaudernd, etwa eine halbe Stunde blieb.

      Nachdem er sich wieder mit vielen Bücklingen verabschiedet hatte, sagte der Schauspieler in der Küche zu seiner Mutter:

      »Der Kerl war ein Idiot und ein wichtigtuender Schwätzer.« Und nach einer Pause: »Fräulein Hölsch ist offenbar sehr mißtrauisch. Sie scheint zu fürchten, daß hier jemand in ihren Sachen herumschnüffelt. Daß sie eine solche Kassette besitzt, wußte ich noch gar nicht. Und jetzt hat sie sie in ihren Patentkoffer eingeschlossen. Der Schinkel bekam das Schloß erst gar nicht auf, obwohl Fräulein Hölsch ihm den richtigen Schlüssel mitgegeben hatte. Ein ungeschickter Peter!«

      Herbert hatte seine Mutter so merkwürdig forschend angesehen, als er von dem ›herumschnüffeln‹ sprach. Und die Rätin war recht rot und verlegen geworden, machte sich schnell am Herde zu schaffen und polterte mit den Blechkasserollen, als wolle sie des Sohnes Worte auslöschen.

      Herbert lächelte nachsichtig.

      »Du warst immer schon etwas neugierig, Mutter,« sagte er dann mit Betonung.

      Sie fuhr herum.

      »Was heißt das?! Willst du etwa andeuten, daß die Hölsch meinetwegen so – so mißtrauisch ist?«

      Er nickte. »Ja, Mutter! Neugier ist keine sehr empfehlenswerte Eigenschaft. Ich möchte so gern, daß Fräulein Irma nicht schlecht von dir denken. Du weißt, ich … ich …«

      »Hast du dir den Unsinn noch nicht aus dem Kopf geschlagen!« unterbrach sie ihn mit mildem Vorwurf. Sie war froh, daß das Gespräch eine andere Wendung nahm. »Die Hölsch und du …! Eine so eingebildete Person! Die hofft doch, mit ihrer Fratze mal mindestens nen Grafen zu angeln.«

      Die Rätin konnte es sehr oft nicht ganz verleugnen, daß sie aus Berlin, Norden, Ackerstraße, stammte und Verkäuferin in einer Bäckerei gewesen war, bevor sie den Feldwebel Mießtaler geheiratet hatte, der es dann später bis zum Rechnungssekretär dank seines Fleißes und guter Empfehlungen durch frühere militärische Vorgesetzte brachte.

      Herbert Morano erwiderte jetzt ziemlich scharf:

      »Mäßige dich etwas in deinen Ausdrücken.« Dann fielen ihm die dreihundert Mark ein und der fügte schnell hinzu: »Lassen wir die Geschichte ruhen, Mama. – Komm, wir wollen endlich Abendbrot essen. Es ist bereits zehn Uhr. Nachher können wir noch eine Partie Sechsundsechzig spielen. Ich gehe heute nicht mehr aus.« – –

      Roderich Schinkel stieg die Treppen langsam hinab, blieb dann unten im Hausflur in einer dunklen Ecke stehen, schaute sich vorsichtig um und löste den falschen Schnurrbart von der Oberlippe, steckte die Brille mit den grauen Gläsern in die Tasche und nahm aus den Backen zwei hohle Gummihalbkugeln heraus, so daß sein Gesicht nun wieder ganz dem des Schriftstellers Egon Larisch glich.

      Dann horchte er plötzlich auf. Von oben kam jemand sehr schnell die Treppe herabgelaufen.

      Larisch trat noch tiefer in die Ecke. Der, der es so eilig hatte, bemerkte ihn denn auch nicht und verließ das Haus.

      Der Schriftsteller schlich bis zur Außentür und schaute auf die Straße hinaus, indem er sich ganz nach seitwärts an die Wand klemmte, so daß nur sein halber Kopf über den Fensterrand hinwegragte.

      Der Eilige stand mitten auf dem Fahrdamm und blickte sich suchend um. Dann ging er mit langen Schritten nach links die Straße hinunter. – –

      Im Restaurant des ›Nordwest Hotel‹ saßen jetzt an dem kleinen Tischchen Irma Hölsch und Fritz Melcher. Den Sekretär hatte Larisch durch den Portier schnell holen lassen, dem er für den Freund ein paar aufklärende Zeilen mitgegeben hatte.

      Fritz Melcher sah nach der Uhr.

      »Halb elf, und Egon noch immer nicht zurück,« meinte er etwas ungeduldig. Ihm war es nicht recht behaglich hier in dem stark besuchten Lokal. Er merkte, daß man ihn und seine hübsche Tischgefährtin von allen Seiten mehr oder weniger aufdringlich musterte. In dieser Beziehung war er eben etwas rückständig, der blonde Herr Sekretär, so ein wenig Kleinstädter.

      Irma hatte sehr bald herausgefühlt, daß Fritz Melcher hier allein, ohne die Schwestern, genossen, kein liebenswürdiger Gesellschafter war. Er konnte seine Unsicherheit und Verlegenheit nur schlecht verbergen. Die Unterhaltung stockte alle Augenblicke. Und seine Taschenuhr hatte Fritz Melcher nun schon zum vierten Male gezogen – eigentlich sehr höflich, wenn man mit einer jungen Dame nur zu zweien war …!

      Zum Glück erschien jetzt endlich der Schriftsteller, nickte den beiden vertraulich zu, hängte Mantel und Hut weg und setzte sich.

      »Da wären wir wieder!« lächelte er vergnügt. »He – Kellner, – einen Halben Echten. – Na, die Geschichte war recht interessant bei der Frau Mießtaler, wirklich …« – –

      * * *

      In der Wohnstube bei Melchers brannte über die Mitteltische die leise summende Gaslampe.

      Thilde Melcher las die Abendzeitung. Die Buchhalterin hatte mit den beiden anderen Geschwistern nicht die geringste Ähnlichkeit. Sie war ganz in die Familie des Vaters geraten, wie man zu sagen pflegt, besaß dessen eckigen Körper und Kopf und auch dieselben Unschönheiten des Gesichts.

      Hedwig wanderte im Zimmer auf und ab, mit einer Miene, als müßte jeden Augenblick der in ihr angesammelte Ärger durch irgendetwas ausgelöst sich Luft machen.

      Thilde hatte sich schon ganz scheu zusammengeduckt. Sie ahnte diese Explosion voraus. Und es dauerte auch nicht lange, dann platzte die Bombe. Hedwig war am Tische stehen geblieben, trommelte mit den Fingern einen Sturmmarsch auf dem Rand der Obstschale und sagte nun mit einer Stimme, die ganz heiser klang:

      »Wirklich ein Benehmen von der Irma – unerhört – un – er – hört! Ein Stelldichein mit Larisch unter der Maske einer dringenden Besprechung – in einem öffentlichen Lokal …! In einem Restaurant …! Als Lehrerin – als Erzieherin der Jugend! – Das ist also bei dem gemeinsamen Mittagessen herausgekommen – in zehn Tagen – zehn – zehn! Sie versteht’s, die Irma …!«

      Die Buchhalterin schaute kopfschüttelnd zu der Schwester auf.

      »Sei doch nicht so ungerecht, Hedwig. Du weißt