Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel

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Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075831101



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der Entwicklung begriffen, daß ich über den Zweck der drei Briefe nur ziemlich unsichere Vermutungen aufstellen kann. Wir müssen abwarten, was weiter geschieht. Ich nehme an, es werden Ihnen noch mehr Briefe zugehen. Mittlerweile kann ich dann vielleicht schon einiges in die Wege geleitet haben, um dieser merkwürdigen ›treuen Hand‹ hinter ihre Schliche zu kommen. Wie schon vorhin betonte, harmlos ist die Geschichte nicht! Dazu sind die Briefe zu schlau abgefaßt, dazu steigert sich ihr Inhalt zu raffiniert!«

      Irma schaute den Schriftsteller dankbar an.

      »Sie wollen sich also wirklich die Mühe machen, Herr Larisch, dieser Angelegenheit ihre gewiß kostbare Zeit zu opfern?« meinte sie zögernd. »Das kann ich ja kaum zulassen. Meine Freundin Hedwig Melcher sagte mir ja schon, wie stark Sie durch Ihrem Beruf in Anspruch genommen sind.« Absichtlich hatte sie diesen letzten Satz hinzugefügt. Sie war auch in ihrer Art ein wenig schlau, die hübsche, junge Lehrerin, und sie hätte eben zu gern gewußt, wie der Name der Freundin auf Egon Larisch wirken würde.

      Und diese Wirkung blieb nicht aus. Über des Schriftstellers scharfgeschnittenes, durchgeistigtes und doch so energisches Gesicht lief ein Schatten hin.

      »So, hat sie mit Ihnen darüber gesprochen?« fragte er gedehnt. »Fräulein Hedwig ist als Jugendbekannte von mir wohl etwas zu besorgt um mein Wohl.« Dann fügte er sofort hinzu, als ob er auf dieses Thema Hedwig Melcher nicht weiter eingehen wollte: »Wenn Sie mir gestatten, mich Ihrer Sache, eben der ›treuen Hand‹, anzunehmen, würden Sie mir sogar einen großen Gefallen tun. Ich brauche derartige Anregungen. Man kann nicht dauernd am Schreibtisch sitzen.«

      »Oh, wie gern tue ich’s, Herr Larisch, und wie dankbar bin ich Ihnen!« meinte sie mit Wärme und reichte ihm die Hand. »Nennen Sie mich bitte beim Namen. Wir sind doch jetzt Verbündete. Und da klingt das ›gnädige‹ Fräulein doch viel zu förmlich.«

      Er nickte ihr heiter zu.

      »Nun wird’s ja wohl auch mittags bei Frau Mikla etwas interessanter werden,« scherzte er.

      Irma wurde rot – und er fuhr fort: »Sie tun ganz recht daran, Fräulein Hölsch, möglichst zurückhaltend zu sein. Junge Damen wie Sie können nicht vorsichtig genug sein, besonders hier in dem Sündenbabel Berlin.«

      Das war die erste versteckte Schmeichelei, die er ihr sagte.

      Sofort kam er aber wieder auf das andere zu sprechen.

      »Sie müssen mich jetzt bitte dauernd über alles auf dem Laufenden halten, was Ihnen irgendwie begegnet, selbst über Dinge, die Ihrer Ansicht nach kaum mit den anonymen Briefen in Zusammenhang stehen können. Achten Sie auch scharf auf Ihre Umgebung. Denken Sie stets daran, daß die ›treue Hand‹ Zwecke verfolgt, die fraglos ganz besonderer Art sind.«

      »Ich werde nichts verabsäumen, Herr Larisch. – Ah – da fällt mir ein, daß heute sich in meinem Zimmer etwas ereignet hat, worüber ich zuerst sehr erregt war.« Und sie erzählte ihm nun ganz eingehend von dem Monteur, den niemand bestellt hatte, von dem aufgebrochenen Schränkchen, von der ebenfalls gewaltsam geöffneten Kassette und schließlich auch von dem Blutfleck auf dem amtlichen Schreiben aus Sziemanowo und von dem verbundenen Finger der Frau Kanzleirat Mießtaler, ihrer Wirtin.

      Egon Larisch hatte dann noch allerlei über diesen Diebstahl zu fragen, dem er offenbar eine besondere Bedeutung beimaß. Nachher machte er Irma einen Vorschlag, der etwas eigentümlich war, auf den sie aber schließlich auch noch einging.

      4. Kapitel

       Eifersucht

       Inhaltsverzeichnis

      Frau Mießtalers schrille Stimme drang von der Küche her trotz der geschlossenen Tür deutlich bis in den Flur. Dort stand in lauschender Stellung Herr Gustav Heberlein, der das kleine, einfenstrige Zimmer neben dem der jungen Lehrerin bewohnte.

      »Du bleibst ein Liederjahn, der seine arme Mutter nur aussaugt!« kreischte die Kanzleirätin in der Küche. »Wo soll ich wohl all das Geld hernehmen, daß du leichtsinnig vertust – – wo – wo?! Mit neunhundert Mark Witwenpension kann man verhungern! Schufte ich nicht schon den ganzen Tag, beschränke ich mich nicht auf das kleine Loch da hinten und vermiete die anderen Räume …?! Was soll ich wohl anfangen, um noch mehr Geld aufzubringen …! Wenn du etwas Vernünftiges gelernt hättest und nicht ausgerechnet Schauspieler geworden wärest, dann könnten wir sorgenfreier leben! – Schauspieler – Schauspieler, – Schmierenkomödiant, – nichts weiter! Und das ist die richtige Sorte; da hast du dir erst dieses Bummeldasein angewöhnt …! – – Nein, ich habe kein Geld! Und ich glaube dir auch nicht, daß du es brauchst, um deine Anzüge auszulösen, die du angeblich mit in ein neues Engagement nehmen willst. Zeige mir doch erst den Kontrakt …!«

      Ein höhnisches Auflachen folgte.

      Dann eine ebenso laute, aber recht angenehm klingende Stimme:

      »Bitte – hier ist der Kontrakt …: Direktion des Wandertheaters in Posen, hundertachtzig Mark Gage und …«

      Die Stimme wurde leiser. –

      Nach einer Weile wieder die Kanzleirätin, offenbar schon ganz besänftigt:

      »Mein Gott, Herbert, – ich habe wirklich kein Geld. Ich kann dir die dreihundert Mark auch unmöglich irgendwoher beschaffen. Du weißt, daß ich unsere Möbel schon als Sicherheit verpfändet habe für das Darlehen, damit du die Theaterschule durchmachen konntest. – Wirklich, Herbertchen, – ich bin ganz ratlos.«

      »Dann kann ich das Engagement auch nicht antreten. Am 15. dieses Monats soll ich schon in Posen sein und an den Proben …«

      Das weitere verstand der Lauscher wieder nicht.

      Dann abermals das schrille Organ der Mießtaler …:

      »Da fällt mir eben ein, daß …«

      »Was denn, – so spricht doch!«

      »Nein, nein. Laß nur! Vielleicht kann ich doch das Geld besorgen – vielleicht.«

      »Woher? – Rede doch! Es ist ja scheußlich, jedes Wort wie mit der Zange aus dir herausholen zu müssen.«

      »Frage nicht, Herbertchen. Deine Mutter wird schon sehen, was sich tun läßt.«

      Die anfängliche Erbitterung der Frau Kanzleirat war schon wieder von der alten Affenliebe für ihr einziges Kind verdrängt worden. Im Grunde ihres widerspruchsvollen Herzens war sie ja doch stolz auf ihren hübschen Jungen.

      »Was du tun willst, tue bald!« deklarierte er mit Pathos

      Da schrillte draußen anhalten die Flurglocke.

      Der Herr Versicherungsart Gustav Heberlein verschwand blitzschnell in seinem Zimmer. –

      »Guten Abend,« sagte der späte Besucher zu der Kanzleirätin mit sehr höflicher Verbeugung. »Entschuldigen Sie, daß ich noch störe. Ich komme jedoch im Auftrage des Fräulein Irma Hölsch – – wegen dem Diebstahl,« fügte er ganz leise hinzu. »Hier hat Fräulein Hölsch mir einen Brief für Sie mitgegeben, wehrte Frau Rat, – als Legitimation.«

      Frau Mießtaler las. Ihr Mißtrauen schwand. Aber nicht ihre Angst. – So hatte ihre Mieterin sich also wirklich an die Polizei gewandt …! In dem Briefe stand ja: ›der Überbringer dieses wird die Sache untersuchen. Bitte geben Sie ihm doch Auskunft, so gut Sie können, liebe Frau Rat. Ich selbst habe eine Abhaltung und komme wohl erst spät nach Hause. – Gruß – Irma Hölsch.‹

      Zögernd sagte sie jetzt: »Bitte – dort ist das Zimmer.«

      In der Küchentür stand Herbert Morano. So nannte der junge Mießtaler sich als Schauspieler, – denn … Mießtaler, der Name war auf einem Theaterzettel schlechterdings unmöglich.

      Die Rätin knipste die Flurlampe an, und die beiden Männer musterten sich prüfend.

      »Wer ist der Herr, Mutter?« fragte Herbert etwas