Название | Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band |
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Автор произведения | Walther Kabel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075831101 |
Gerade vor dem Standbild Albrechts des Bären traf Irma mit Herbert Morano zusammen.
Der Schauspieler mit seinem stark hervorgekehrten Selbstbewußtsein auf seine klassische Schönheit – er hatte tatsächlich den Kopf eines Antonius! – war der jungen Lehrerin recht unsympathisch. Sie suchte daher auch schnell an dem schönen Herbert vorbeizukommen. Doch der war aufdringlich genug, sie ohne weiteres anzusprechen und zu fragen, ob er sie nicht begleiten dürfe.
»Ich habe Besorgungen zu erledigen, Herr Mießtaler,« sagte Irma mit einer Unnahbarkeit, von der auch Egon Larisch manche Broker erhalten hatte. Dann neigte sie sehr hoheitsvoll den Kopf und ging weiter.
Man konnte dem Komödianten nun keinen ärgeren Schmerz bereiten, als daß man ihn mit seinem etwas mißtönenden Vatersnamen anredete. – Mießtaler …! Herr Mießtaler …! – Herbert war wütend. Diese eingebildete Pute, in so abfallend zu lassen …! Seine Mutter hatte ganz recht, die Hölsch jagte höherem nach …! Mochte sie …! Es gab noch mehr Weiber auf der Welt …«
Aber in Herberts Seele blieb doch ein trübes Gefühl von Enttäuschung zurück. Er war in die reizende Mieterin seiner Mutter in einer Weise verliebt, wie er dies bisher in seinem an galanten Abenteuern schon recht reichen Leben noch nicht durchgemacht hatte. Er fühlte, die Sache saß diesmal tiefer … Und gerade deswegen keimte jetzt etwas wie ein leiser Haß gegen Irma in ihm auf. –
Als Irma gegen fünf nachmittags nach Hause kam, fand sie in ihrem Briefkasten ein Schreiben vor, dessen Umschlag sie sofort an die anonymen Mitteilungen erinnerte.
Am Fenster stehend betrachtete sie die aufgeklebte Marke mit mißtrauischen Blicken. Der Brief war nach dem Stempel gestern zwischen sieben und acht Uhr abends auf dem Postamt 16 aufgegeben worden – scheinbar! Sie stellte jedoch fest, daß auch diese Marke nur nachträglich auf den Umschlag geklebt worden war, genau wie die der drei anderen Briefe.
Als sie das Schreiben dann gerade mit einem Federmesser öffnen wollte, klopfte es.
Es war die Kanzleirätin. Sie war verlegen und unsicher, redete erst allerhand belanglose Dinge und schien nicht den Mut zu haben, offen mit dem herauszurücken, was sie in Wahrheit bedrückte.
Irma entging das nicht. Um die Mießtaler schneller wieder loszuwerden, denn der Brief brannte ihr auf der Seele, fragte sie schließlich geradezu:
»Liebe Frau Rat, sie scheinen irgend ein Anliegen zu haben. Bitte, sprechen Sie doch ganz offen.«
Und nun kam endlich die Geschichte von Herberts neuem Engagement und von den dreihundert Mark, die unbedingt beschafft werden mußten.
»Liebes Fräulein Hölsch, könnten Sie mir vielleicht das Geld leihen?« fügte die Mießtaler weinerlich hinzu. »Mein Gott, ich habe ja niemanden, an den ich mich wenden kann, niemanden! – soll Herbert jetzt nur deswegen das Engagements verlustig gehen, weil … weil … Das wäre doch schrecklich …«
Irma fragte ganz erstaunt: »Ich – dreihundert Mark?!« Dann fiel ihr plötzlich die Erbschaft ein. Aber dieses Geld konnte sie doch niemals so schnell flüssig machen …! Daher fuhr sie fort:
»Wo sollte ich eine solche Summe wohl hernehmen?! Wirklich – ich bin zur Zeit zu meinem großen Bedauern nicht in der Lage, Ihnen zu helfen.«
Aber die Mießtaler ließ nicht nach mit Bitten.
»Vielleicht besitzen Sie ein … Sparkassenbuch,« sagte sie mit einem scheuen, lauernden Blick auf Irmas Gesicht. »Ich würde Ihnen gern jede Sicherheit geben. Sie erzählten mir doch gestern, daß Ihre Großmutter gestorben sei. Vielleicht …«
Die Blicke der beiden Frauen begegneten sich. In denen Irmas lag es wie überlegener Spott. Die gute Mießtaler hatte sich soeben verraten …! Sparkassenbuch und die versteckte Anspielung auf die Erbschaft. – Es genügte! Und auch dies mußte Egon Larisch möglichst bald erfahren!
»Ich kann Ihnen nur nochmals wiederholen, Frau Kanzleirat,« sagte sie jetzt ziemlich ablehnend, »daß es mir tatsächlich nicht möglich ist, Ihnen mit dieser Summe zu dienen, wenigstens nicht sofort. In einigen Wochen vielleicht. Aber jetzt …« Sie zuckte die Achseln und begann den Brief aufzuschneiden.
Die Mießtaler verstand und empfahl sich nach einigen Redensarten, hinter denen sie nur schlecht ihre ärgerliche Enttäuschung verbarg.
Irmas Gedanken waren schon wieder ausschließlich bei dem Schreiben mit der nicht hingehörigen Briefmarke.
Sie zog den Briefbogen aus dem Umschlag. Sie hatte richtig vermutet. Wieder … die ›treue Hand‹ …
Irma Hölsch!
Sie sind undankbar! Statt auf unsere gutgemeinten Warnungen und Ratschläge zu hören, haben Sie sich einem Fremden anvertraut, dem Schriftsteller Egon Larisch, einem Manne, der seiner ganzen Vergangenheit nach sich kaum zum Beschützer einer jungen Dame eignet. Wissen Sie, daß Larisch vor drei Jahren eines Eheskandals wegen nach München übersiedelte, weil ihm eben das Berliner Pflaster zu heiß geworden war?! Wissen Sie, daß er jetzt nur eines jungen Mädchens wegen zurückgekehrt ist, die bestimmte Rechte auf ihn hat …?! Egon Larisch hat noch mit jedem bisher, der ihm näher trat, ein falsches Spiel getrieben. –
Wir haben für all dies Beweise! Erkundigen Sie sich mal nach einer Baronin Luzie von Szestöni, jetzigen Frau Kommerzienrat Miegler. –
Irma Hölsch, wir warnen Sie nochmals! Es werden böse, aufregende Tage für Sie kommen, in denen nur wir Ihnen wirklich helfen können. Bedenken Sie, daß bisher alles eingetroffen ist, was wir vorausgesagt haben. So wird es auch weiter sein! Sollten Sie daran festhalten, auch fernerhin unsere Briefe Egon Larisch vorzulegen, so werden wir Sie Ihrem Schicksal überlassen. Sehen Sie dann zu, wie Sie allein mit alledem fertig werden, was Ihnen bevorsteht. Sie unterschätzen uns und unsere Macht! Egon Larisch ist für uns nichts als eine Feder, die wir jederzeit beiseite blasen können. –
Zum Schluß: Vergessen Sie nicht die verschlossene Tür und den Tempel der Liebe auf dem Lammerthof!
die treue Hand
Irma sank in den Korbstuhl am Fenster. Und ihre Rechte, die den Brief hielt, hing schlaff nach unten.
Zum ersten Male, seit die seltsamen Briefe sie erreichten, kroch etwas wie dumpfe Angst ihr nach dem Herzen. Ganz mutlos, völlig verwirrt und ratlos war sie.
Woher nur wußte die ›treue Hand‹ von dem erst gestern beschlossenen Bündnis mit Egon Larisch? Woher nur in aller Welt?! Das war ja wirklich beinahe unheimlich, diese Allwissenheit! – Und dann das andere, was noch in diesem letzten Briefe stand, diese Andeutungen, so wohl über Egon Larisch als auch über ihre eigene allernächste Zukunft, über … ›allein fertigwerden mit dem, was Ihnen bevorsteht …‹
Sie überlas das Schreiben nochmals, ganz langsam, Wort für Wort. Und es wirkte nur noch stärker. Das dumpfe Furchtgefühl blieb. Und hinzu kam noch ein ganz leiser Schmerz im Herzen, Enttäuschung und dies wegen Egon Larisch, – wegen Frau Luzie Szestöni und des Mädchens, das gewisse Rechte auf ihn hatte …
Irma hatte den Schriftsteller gestern ehrlich bewundert. Er hatte ihr imponiert. Sie hatte gefühlt, daß er ein Mann war, der nicht so leicht in eine Alltagsschablone paßte. Einem Menschen wie ihm, so zielbewußt, so sicher im Urteil, dabei doch so bescheiden, so zwanglos vornehm im ganzen Auftreten und so ganz Mann, war sie bisher nicht begegnet. Sie war gewiß nicht romantischer veranlagt als alle jungen Mädchen in ihrem Alter, vielleicht sogar etwas prosaischer, nüchterner, und trotzdem erschien er ihr wie ein Held aus einem fesselnden Roman.
Ja – das war er wohl auch. Nun mußte dieser Roman nach dem, was in diesem neuen Briefe der ›treuen Hand‹ zu lesen war, von menschlichen Leidenschaften durchglüht sein, die die Seele Egon Larischs böse versengt hatten …
Luzie Szestöni – Frau Miegler …! – Wer mochte das wohl sein? Und