Rebeccas Schüler. Tira Beige

Читать онлайн.
Название Rebeccas Schüler
Автор произведения Tira Beige
Жанр Языкознание
Серия Rebeccas Schüler
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752924428



Скачать книгу

sich sei­ne Hose aus und setz­te sich aufs Bett. »Was ist los, Bec­cy? Ich brau­che mei­ne Ruhe.« So wie er den Satz aus­ge­spro­chen hat­te, ließ er sich mit dem Ge­sicht vor­an auf das Bett fal­len.

      Re­bec­ca trat in das Zim­mer ein. »Paul?«

      »Hm«, mur­mel­te er.

      »Ich möch­te mit dir spre­chen.«

      »Hm.«

      »Es geht um un­se­re Be­zie­hung.«

      »Hm.«

      Re­bec­ca setz­te sich auf die Bett­kan­te.

      Er sah sie nicht an. Auf den Bauch ge­rollt, dreh­te er das Ge­sicht von ihr ab. »Paul?«

      »Hm.«

      Die­ses »Wort« be­ton­te er im­mer in der­sel­ben gleich­gül­ti­gen Art und Wei­se. »Du willst dei­ne Ruhe ha­ben, oder?«, frag­te Re­bec­ca ge­nervt, als sie er­kann­te, dass sie heu­te Abend kein Glück ha­ben wür­de, ihn zu ei­ner erns­ten Aus­spra­che zu be­we­gen.

      »Hm«, war das Letz­te, was sie hör­te, be­vor sie das Schlaf­zim­mer ver­ließ und sich re­si­gniert in die Kü­che zu­rück­zog, wo sie das Abend­brot für sich vor­be­rei­te­te.

      Be­reits seit über ei­ner hal­b­en Stun­de saß Re­bec­ca mit ge­krümm­ter Hal­tung al­lein am Kü­chen­tisch, kau­te lust­los auf ei­ner Schei­be Brot mit Wurst her­um und schüt­te­te den bei­nah kal­ten Tee in sich hin­ein. Ob­wohl das Ra­dio vor sich hin du­del­te, hör­te sie we­der der Mo­de­ra­to­rin zu, noch ach­te­te sie auf die Lie­der.

      Ohne kla­ren Ge­dan­ken starr­te Re­bec­ca aus dem Kü­chen­fens­ter in die Dun­kel­heit hin­aus und über­leg­te, wie es nur so weit kom­men konn­te, dass sich ihre Be­zie­hung wie ein bau­chi­ges Wein­glas ohne In­halt an­fühl­te und war­um ihr in den ver­gan­ge­nen Jah­ren nicht klar ge­wor­den war, wie weit sie sich von ih­rem Part­ner ent­fernt hat­te. Ihr wur­de im­mer schmerz­li­cher be­wusst, dass sie die Be­zie­hung un­mög­lich wür­de ret­ten kön­nen, wenn sie nicht schleu­nigst über ihr Ver­hält­nis zu­ein­an­der spra­chen.

      Re­bec­ca war noch im­mer in Ge­dan­ken ver­sun­ken, als Paul in der Kü­che er­schien. »Du sitzt im­mer noch hier?«, mur­mel­te er. Sei­ne Au­gen wa­ren leicht zu­ge­knif­fen. Of­fen­bar muss­te er sich erst an das grel­le Licht der Kü­chen­lam­pe ge­wöh­nen.

      Ohne ihm auf sei­ne ge­stell­te Fra­ge zu ant­wor­ten, be­gann Re­bec­ca ge­reizt: »Kön­nen wir jetzt mit­ein­an­der spre­chen oder gibst du wie­der nur ein ›Hm‹ von dir?«

      Er schau­te sie fra­gend an, in­dem er sei­ne Au­gen­brau­en nach oben zog. »Wor­über sol­len wir denn spre­chen?«, woll­te er wis­sen.

      »Über un­se­re Be­zie­hung«, sag­te sie et­was lau­ter wer­dend.

      Paul be­gab sich zum Kühl­schrank, um sich sei­ne abend­li­chen Schei­ben Käse und Wurst her­aus­zu­ho­len. Dann er­griff er das Brot und schnitt sich ge­mäch­lich mit dem Bro­t­ho­bel drei Schei­ben ab. Noch im­mer nicht ant­wor­tend, be­sorg­te er sich als Nächs­tes ein Mes­ser aus ei­ner Kü­chen­schub­la­de.

      Mit den Uten­si­li­en be­waff­net, setz­te er sich hin. »Was gibt es denn zu be­re­den? Ist doch al­les gut.« Re­bec­ca fiel bei­nah die ei­ge­ne Wurst­stul­le aus der Hand.

      »Ist doch al­les gut?«, äff­te sie Paul nach und lach­te ge­quält auf, weil sie nicht fas­sen konn­te, wel­che Auf­fas­sung er von ei­ner funk­tio­nie­ren­den Be­zie­hung be­saß. »Paul, ich habe das Ge­fühl, dass ir­gend­was in un­se­rer Be­zie­hung mäch­tig schief läuft. Wir le­ben wie zwei alte Men­schen ne­ben­ein­an­der her, als ob wir uns nichts mehr zu sa­gen hät­ten.«

      Paul ver­strich be­tont lang­sam die But­ter auf sei­ner Brot­schei­be. »Ist doch schön, dass wir uns so gut ken­nen«, gab er zu­rück. Sein ver­fick­ter Ernst?

      »Ver­ra­te mir doch bit­te, wann wir das letz­te Mal ernst­haft über uns als Paar ge­spro­chen ha­ben oder wann du dich zu­letzt für mei­ne Ar­beit oder mein Be­fin­den in­ter­es­siert hast.«

      Paul über­leg­te schein­bar krampf­haft, wie er dem Ge­spräch aus dem Weg ge­hen konn­te. Nach ei­ner Pau­se gab er aus­wei­chend zu­rück: »Re­bec­ca. Wie war es heu­te in der Schu­le?«

      »Lenk’ jetzt nicht ab!«, ent­sprang es ihr sicht­lich ge­nervt.

      Un­er­war­tet hef­tig knall­te Paul mit der Hand­flä­che auf den Tisch, be­vor er hys­te­risch er­wi­der­te: »Man, du tust ja so, als wäre es eine Qual, mit mir zu­sam­men zu sein. An­de­re Paa­re ha­ben auch Rou­ti­ne. Meinst du, die re­den dar­über?«

      Er woll­te es nicht ver­ste­hen! »Be­ant­wor­te doch ein­fach mei­ne Fra­ge!«, be­harr­te Re­bec­ca laut­stark, um nicht über sei­nen Wor­ten ein­zu­kni­cken.

      »Da gibt es nichts zu be­ant­wor­ten. Wir ha­ben nun mal viel zu tun: Du mit dei­ner Schu­le, ich mit dem Haus und der Ar­beit. Ist doch lo­gisch, dass wir nicht mehr so viel un­ter­neh­men wie frü­her. Wo ist ei­gent­lich dein ver­damm­tes Pro­blem?«

      Es gab so vie­le Din­ge, die Re­bec­ca Paul an den Kopf knal­len woll­te. Aber sie schaff­te es nicht, et­was zu er­wi­dern. Konn­te nicht stand­haft blei­ben, sich nicht ge­gen ihn be­haup­ten. Statt­des­sen griff sie zur Tee­tas­se und ver­zog sich ins Wohn­zim­mer. Schon auf der Trep­pe ar­bei­te­ten sich Trä­nen in ih­ren Au­gen hoch, weil sie es wie­der nicht auf die Rei­he be­kom­men hat­te, ein ernst­haf­tes Ge­spräch mit ih­rem Freund zu füh­ren. Wenn das die nächs­ten Jah­re so wei­ter­ging, das ahn­te Re­bec­ca un­heil­voll, dann wür­de aus ih­nen wirk­lich ein stum­mes Pär­chen wer­den, das ne­ben­ein­an­der­her leb­te.

      In­ner­lich wuss­te sie, was sie an Paul hat­te, auch wenn sie es nicht zei­gen konn­te oder wenn die po­si­ti­ven Er­in­ne­run­gen ge­ra­de bloß im Fo­to­al­bum ver­steckt leb­ten. Aber es gab sie. Re­bec­ca woll­te of­fen und ehr­lich mit ihm re­den, weil sie ihn nicht ver­lie­ren woll­te.

      Von da­her lie­fen di­cke run­de Trä­nen ihre Wan­gen hin­ab, als Paul nach ei­ner Vier­tel­stun­de das Wohn­zim­mer be­trat. Statt auf ihre Ge­füh­le ein­zu­ge­hen – und er sah, dass sie ge­weint hat­te – griff er nach der Fern­be­die­nung und schal­te­te den Fern­se­her an. Stumm und den Blick starr auf den Bild­schirm ge­hef­tet, saß er auf der Couch.

      Re­bec­ca hat­te die an­de­re Hälf­te des So­fas ein­ge­nom­men und starr­te eben­falls in den Fern­se­her, ohne mit­zu­be­kom­men, was ge­zeigt wur­de. Sie stell­te die Tee­tas­se auf den Couch­tisch ab. Pauls Ge­sichts­mus­keln wa­ren an­ge­spannt, sein Blick steif nach vorn ge­rich­tet. Den gan­zen rest­li­chen Abend schwie­gen sie sich an.

      Wie sehr er Re­bec­ca mit sei­ner Wort­lo­sig­keit ver­letz­te, merk­te er nicht. Mit ei­nem lei­sen »Gute Nacht«, aber ohne den täg­li­chen Kuss von ih­rem Freund, ging sie be­reits halb zehn ins Bett.

      Wie ge­rä­dert stand Re­bec­ca am Mor­gen auf. In der Nacht war sie mehr­fach auf­ge­wacht. Sie hat­te dar­über nach­ge­dacht, ob es nicht bes­ser wäre, sich nach über sie­ben Jah­ren Be­zie­hung von ih­rem Freund zu tren­nen, kam aber zu der Er­kennt­nis, dass eine Frau wie sie, die eine so gro­ße Angst vor dem Ver­lust ei­nes ge­lieb­ten Men­schen hat­te, nicht ein­fach dem Part­ner sa­gen konn­te, dass es vor­bei war. Dazu ge­hör­te Mut, und den hat­te