Luna's Töchter. Claudia Trapka

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Название Luna's Töchter
Автор произведения Claudia Trapka
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847621065



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Wie sollte man da misstrauisch bleiben?

      Am Samstag fuhren wir aus der Stadt heraus. Ein Nachbar hatte mir ein Fahrrad für Jo geliehen, und ich hatte mir meines aus dem Keller geholt. So radelten wir direkt zum nahe gelegenen Wald. Jo führte mich. Ich hatte den Eindruck, dass er aus einem bestimmten Grund mit mir in diesen Wald wollte.

      Als wir den Wald betraten, kam er mir irgendwie bekannt vor. Der Wald sah freundlich und friedlich aus. Ich genoss den Duft des Waldes sehr. Andere Menschen hörten die Vögel nur zwitschern, ich hörte, wie sie ihre Lieder sangen und miteinander sprachen. Ein Habicht zog über den Wipfeln seine Kreise. Kleintiere raschelten im Unterholz um uns herum. Ein Specht morste seiner Liebsten.

      Jo und ich gingen eine Weile nebeneinander her. Er schwieg sowieso, und ich sah keine Veranlassung, die Stille zwischen uns zu stören. Es war ein herrlicher sonniger Tag. Die Krokusse steckten schon ihre Köpfe aus der Erde. Ich fühlte mich richtig gut und genoss die ersten Zeichen des Frühlings.

      Irgendwann entdeckte ich einen kleinen Spielplatz. Und obwohl ich inzwischen Mitte dreißig war, zog mich dieser Platz magisch an.

      „Jo, komm lass uns schaukeln gehen.“

      Ich rannte los und hoffte, dass er mir folgen würde. An der Schaukel angekommen drehte ich mich um, zu meiner großen Überraschung kam Jo tatsächlich lächelnd hinterher. Er ging gemächlich, aber eindeutig fröhlich. Vielleicht war er auch ein wenig belustigt. Aber das war mir egal. Er kam hinterher und das war alles, was für mich in diesem Moment zählte.

      Ich dachte immer, Männer verlieren mit der Zeit diese kindliche Ader, aber Jo machte mit.

      Wie die Kinder tollten wir auf dem Spielplatz, spielten Fangen, erkletterten ein Gerüst und schaukelten um die Wette. Beim Wippen ließ er mich oben zappeln. Ich fühlte mich so wohl, wie schon lange nicht mehr. Jos warmes fröhliches Lachen gab mir das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen. Und wenn er jetzt auch noch mit mir gesprochen hätte, wäre die Situation perfekt gewesen.

      Immer wieder kam mir zwischendurch der Gedanke, ich wäre schon einmal an diesem Ort gewesen. Aber mir war nicht bewusst, dass ich schon einmal diesen Wald betreten hätte.

      Am Abend fuhren wir beide müde nach Hause.

      Kurz vor meinem Haus fiel mir ein, dass ich noch gar nichts eingekauft hatte.

      „Jo, wir müssen essen gehen, ich habe vergessen einzukaufen!“

      Doch Jo schüttelte den Kopf.

      „Aber Jo, wir haben keine Lebensmittel mehr da.“

      Wieder schüttelte er den Kopf. Dann zeigte er mit dem Zeigefinger auf sich und trug unsichtbare Taschen.

      „Du warst einkaufen? Wovon denn? Hast Du etwas Geld? Dann musst Du das von mir doch wiederbekommen.“

      Jo zog einen Zettel aus seinem Mantel. Diesen nahm er zwischen zwei Finger und tat so, als würde er ihn in der Mitte durchschneiden. Dabei setzte er, wie so oft, seinen fragenden Hundeblick auf. Ich mochte gerade diesen Blick besonders gern.

      „Ok. Wir teilen,“ stimmte ich ihm zu.

      Es war mir ein Rätsel. Wie konnte Jo einkaufen gehen? Ich musste unbedingt die Bäume fragen.

      „Wie bist Du wieder in die Wohnung gekommen. Du hattest doch gar keinen Schlüssel?“

      Jo setzte eine Unschuldsmine auf und zuckte mit den Schultern. Wieder einmal war ich verwirrt. Wie konnte Jo meine Wohnung verlassen und sie wieder betreten? Ohne Schlüssel? Einbruchsspuren gab es nicht. Ich grübelte lange darüber nach, kam aber zu keinem Ergebnis.

      Dabei lag es auf der Hand. Ich hatte diesen Aspekt nur einfach übersehen. Das erklärten mir die Bäume. Jo hatte einfach ein Fenster offen gelassen und eine Krähe gebeten, in die Wohnung zu fliegen und ihm zu öffnen. Er wusste sich zu helfen.

      Nach dem Abendessen machten wir es uns im Wohnzimmer etwas gemütlich. Die Nachrichten dudelten so nebenbei, doch wir hörten eigentlich nicht hin. Irgendwie brachte man ohnehin nur Schreckensberichte. Zwischendurch schaute ich Jo an und bemerkte, wie er mich beobachtete. Was ging nur in ihm vor? Mein Drachenbäumchen, der schon eher ein stattlicher Zimmerbaum war, erklärte mir, während Jo im Bad war, ein bisschen etwas von dem, was mir die ganze Zeit Kopfzerbrechen bereitete.

      „Wir haben zwischenzeitlich mit den Krähen sprechen können. Im Wald, in dem Ihr heute wart gibt es eine steinerne Stätte, die Ihr unbedingt finden müsst. Sie ist wahrscheinlich überwuchert.“

      Als Jo aus dem Bad kam, schaute ich erst meinen Baum und dann Jo fragend an. Ich sagte ihm, was ich gerade erfahren hatte. Doch Jo schien diese Aufgabe auch noch nicht so genau zu kennen. Er schien also nur gewusst zu haben, dass er mit mir in den Wald musste.

      Mein Baum erklärte weiter: „Diese Stätte ist nur der erste Schritt. Dort fehlen Schlüssel. Ihr müsst diese Schlüssel finden. Dummerweise scheinen diese weltweit verstreut zu sein. Denn zum Zeitpunkt der Verteilung wusste niemand, dass es sich bei den Gegenständen um Schlüssel handelte.“

      Ich hörte gespannt zu und fand nach wenigen Minuten die Sprache wieder. „Was sind das für Schlüssel, wie finden wir sie und was sollen wir dann tun?“

      Doch mein Bäumchen schüttelte sich etwas. „Mehr wollte die Krähe, die Jo hier wieder hineingelassen hat, nicht verraten. Wir müssen also warten, bis Ihr zwei die Stätte gefunden habt.“

      Das klang aufregend, und am liebsten hätte ich mich sofort wieder auf die Suche gemacht. Aber es war spät und ich wusste, im Dunkeln würden wir nichts finden. Jo hibbelte auf seinem Platz hin und her. Ihm ging es also ähnlich.

      „Sollen wir morgen noch mal in den Wald fahren?“, wollte ich von ihm wissen.

      Er nickte.

      „Ist das die Aufgabe, dass Du wieder sprechen darfst?“

      Er zuckte mit den Schultern.

      „Würden mir die Krähen das beantworten? Weißt Du, wir könnten viel effektiver arbeiten, wenn wir uns richtig absprechen könnten.“

      Er nickte.

      Am Sonntag war ich früher wach als sonst, und auch Jo schien kaum geschlafen zu haben. Unsere Aufgabe zog uns offenbar magisch in den Wald. Ich hatte mir meine ältesten Klamotten angezogen, um im Wald wirklich auch durch Dickicht laufen zu können, ohne mir meine Kleidung zu versauen. Mit meinen zerschlissenen braunen Jeans und meinem khaki farbenen T-Shirt kam ich mir vor, wie in Tarnfarben gekleidet.

      Der Auftrag

      Dann geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte, eine Krähe kam in meine Küche geflogen und setzte sich mitten auf den Frühstückstisch.

      „Guten Morgen“, fistelte sie.

      Ich funkelte sie etwas böse an: „Guten Morgen, schön das Ihr jetzt auch wieder mit mir redet, aber mitten auf dem Frühstückstisch finde ich Dich etwas unpassend.“

      Erschrocken hüpfte die Krähe an den Rand des Tisches und fragte entschuldigend: „So besser?“

      Ich lachte, ich konnte den Tieren einfach nicht böse sein. „Ja, viel besser. Also, was hast Du uns zu sagen? Möchtest Du etwas Brötchen?“

      Die Krähe lehnte dankend ab. Dann erzählte sie uns, während wir frühstückten, was wir finden sollten:

      „Vor vielen hundert Jahren gab es hier in dieser Gegend ein Königreich, welches mit Güte, Liebe und Respekt den Lebewesen gegenüber regiert wurde. Der damalige König hatte dafür gesorgt, dass seine Nachkommen in seinem Sinne weiter regieren würden. Er hatte fünfzehn Töchter, eine schöner und intelligenter als die Andere. Der Überlieferung zu Folge sollen alle Töchter, Töchter der Mondgöttin Luna gewesen sein.

      Luna war nicht nur die Mondgöttin, sie war auch eine sehr schlaue