Luna's Töchter. Claudia Trapka

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Название Luna's Töchter
Автор произведения Claudia Trapka
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847621065



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als ob Jo wusste, bei wem ich mich bedankte, verbeugte er sich vor dem nächsten Baum.

      Erstaunt bemerkte ich diese Geste, wagte jedoch nicht, ihn in diesem Moment darauf anzusprechen.

      Er hakte sich bei mir ein. Gemeinsam schlenderten wir zu mir nach Hause. Kurz bevor ich aufschloss, begegneten sich noch einmal unsere Blicke.

      „Ja, Du darfst bei mir bleiben. Mal sehn auf wen oder was ich mich hier einlasse.“

      Er strahlte und gab mir einen Kuss auf die Wange.

      Lachend erwiderte ich: „Noch mal machst Du das erst, wenn Du rasiert bist, klar?“

      Jo salutierte grinsend.

      Meine Wohnung war nicht groß, aber ich war stolz, was ich aus ihr gemacht hatte. In meinem Flur hatte ich eine kleine Garderobe aus Naturholz. Rundherum hingen Bilder der Natur.

      Als Jo seinen Mantel ausgezogen hatte, bewunderte er jedes eingehend. Es wirkte etwas, als erkenne er jedes Winkelchen auf den Bildern wieder. Seine Augen strahlten. Während Jo meine Wohnung betrachtete, schaute ich ihn mir gründlich an. Nein, er wirkte wirklich nicht wie ein Stadtstreicher. Sein Körper wirkte trotz der zerschlissenen Kleider durchtrainiert und athletisch. Seine Hände waren gepflegt. Er konnte einfach kein gewöhnlicher Stadtstreicher sein.

      Ich organisierte ein Paar Hausschuhe für ihn. Nach einem weiteren Blick auf ihn, gestand ich mir schweren Herzens ein, dass er ausgesprochen gut aussah. Wenn so ein Mann meine Hilfe brauchte, dann musste er einfach etwas sehr schlimmes erlebt haben, um so zu leben, wie er jetzt lebte. Anders konnte ich mir das nicht erklären. Solche Männer verabredeten sich in der Regel nicht mit mir. Ich wurde von solchen Männern eher übersehen. Allein, dass er mich für seine Hilfe auserkoren hatte, machte ihn zu etwas Besonderem und interessant.

      Ich hatte Parkett legen lassen. Dadurch fühlte ich mich irgendwie naturverbundener. Eigentlich träumte ich von einem kleinen Blockhaus mit einem kleinen verwinkelten Garten. Mehr würde ich mir eh nie leisten können. Dachte ich damals.

      „So, Jo, ich zeig’ Dir erst mal, wo was ist, und wo Du schlafen kannst. – Auf zur Schlossführung.“

      Jo blickte neugierig in alle Räume. Mein Wohnzimmer war im Landhausstil eingerichtet, die Möbel hatte ich mir mühsam zusammengespart. Hier hatte ich mich zur Ergänzung für einen Drachenbaum und einen Benjamini entschieden. Beide Zimmerpflanzen mochte ich besonders gern. Mein Schlafzimmer war eher modern und praktisch gehalten. Hier hatte ich mich für ein Bett aus Metall entschieden. Dies wurde ergänzt durch einen silberfarbenen Kleiderschrank und einige Bilder moderner Künstler an der Wand. Ein Künstler hatte mir eine Metalllampe in Form eines Baumes verkauft. Mir gefiel der Kontrast zu all den anderen Räumen.

      Ich erhielt immer wieder ein Lächeln oder ein Nicken als Reaktion.

      „Hier ist das Bad, da kannst Du gleich Duschen oder Baden, wenn Du magst.“

      Mein Bad war klein, hatte aber alles, was man eben brauchte. Es war von der Hausverwaltung komplett in weiß gehalten. Mit ein paar Tropenpflanzen und Muscheln hatte ich die sterile Atmosphäre aufgelockert. Aus einem kleinen Kiefernholzschrank nahm ich Handtücher und legte sie auf ein kleines Schränkchen neben der Wanne.

      „Die kannst Du benutzen. Ich glaube, ich habe in der Schublade sogar noch etwas Rasierzeug. Schau einfach nach. Das hat dann sicher mal jemand vergessen und ich wollte es nicht einfach entsorgen.“

      Dann verließen wir das Bad und betraten mein Arbeitszimmer.

      Es war wirklich sehr klein. Aber ein Gästebett bekam ich in diesem Raum unter. Ansonsten befand sich in dem Raum nur ein Schreibtisch mit meinem Laptop, ein Aktenschrank und ein bequemer alter Chefsessel.

      „Während Du im Bad bist, richte ich Dir hier ein Bett her, OK?“

      Jo nickte.

      Ich hatte den Eindruck, er würde gern etwas sagen, aber er durfte ja nicht. Ich verstand nur einfach nicht warum.

      Nachdem auch ich ein Bad genommen hatte, kam ich, Haare rubbelnd, ins Wohnzimmer und blieb wie angewurzelt stehen.

      Da stand Jo doch am geöffneten Fenster und hatte eine Krähe auf seiner Hand sitzen!

      Man stelle sich vor: Der Mann, der mit mir nicht sprechen konnte, stand am Fenster, hatte eine Krähe auf der Hand und schien sich mit ihr angeregt zu unterhalten.

      Dazu muss gesagt werden, dass es ein Ammenmärchen ist, dass Krähen falsch und hinterhältig sind. Aber weil sie nicht gerade die hübschesten Tiere sind, neigt man schnell dazu, dieses Märchen zu glauben.

      Mir ging es in dieser Situation ähnlich. Die Bäume hatten mein Misstrauen etwas beruhigt, nun flammte es wieder auf. Bestärkt wurde mein Gefühl auch noch, als die Krähe davonflog, als sie mich bemerkte.

      Abrupt hatte das Gespräch geendet, aber ich hatte noch deutlich die Stimmen unterscheiden können. Die Krähe hatte eine für Krähen übliche leicht krächzende Fistelstimme, und Jo? Seine Stimme klang weich und warm. Sie war nicht zu tief. Er hatte eine männlich herzliche Stimme. Wenn er singen würde, würde ich ihn für einen Tenor halten. Die Stimme ließ mich dahin schmelzen. Doch durch diese Geheimniskrämerei riss ich mich vor Stolz zusammen und gab diesem Gefühl nicht nach.

      Leider hatte ich von dem Gespräch nichts mitbekommen, vielleicht hätte mich das milde gestimmt. So aber war ich wieder voller Misstrauen. Das spürten auch meine Zimmerpflanzen. Sie versuchten mich zu beruhigen.

      „Er darf mit Dir noch nicht sprechen, Du warst zu früh aus dem Bad zurück. Sonst hätten wir vielleicht gehört, warum nicht.“

      Ich zischte leicht erregt so etwas wie: „Ach, jetzt bin ich Schuld.“

      Jo hatte es trotzdem gehört. Er drehte sich um und schaute mich verlegen an. Dann legte er die Hände zusammen, als wolle er sich entschuldigen und verbeugte sich leicht vor mir und danach vor den Pflanzen.

      „Was war das eben?“ Wollte ich recht hitzig wissen, „mit mir darfst Du nicht sprechen, aber mit der Krähe führst Du tiefschürfende Gespräche!“

      Ich wollte nicht scharf klingen, aber ich tat es. Jo fiel vor mir auf die Knie und bettelte mit flehenden Augen.

      „Wir denken, er bittet Dich um Geduld mit ihm.“ Meine Pflanzen sprachen aus, was ich dachte.

      Etwas sanfter fragte ich, wie ich ihm so vertrauen solle und half ihm wieder auf.

      Sein Kniefall war mir doch etwas unangenehm.

      Die Bäume hatten gesagt, ich kann ihm trauen, und mich irritierte eine kleine Krähe! Trotzdem war ich enttäuscht, mit den Tieren durfte Jo offensichtlich reden.

      Ich konnte auch mit ihnen sprechen, warum flog die Krähe fort? Sie hätte die Situation doch aufklären können!

      Ich bemühte mich, meine Enttäuschung zu verbergen, deshalb lächelte ich und erwähnte: „Ich bin müde und muss morgen früh ins Büro. Ich gehe schlafen. Ich glaube, Du hast alles, was Du brauchst. Gute Nacht, Jo.“

      Ich verließ das Wohnzimmer und ging zu Bett. Doch ich konnte lange nicht einschlafen. Mir ging immer wieder der vergangene Tag durch den Kopf. Die Ereignisse verwirrten mich sehr. Und in meinem Arbeitszimmer lag ein gut aussehender, mir jedoch völlig unbekannter Mann.

      Die Bäume sagten, er ist OK. Aber … war er es wirklich? Die Sache mit der Krähe war schon merkwürdig. Warum sprach Jo mit ihr, durfte aber nicht mit mir sprechen? Durfte Jo überhaupt mit Menschen sprechen? Warum hatte die Krähe nicht einfach alles aufgeklärt? Mein Kopf schwirrte. Über meine Gedanken schlief ich irgendwann doch ein.

      In dieser Nacht war mein Schlaf ungewöhnlich unruhig. In einem Traum lief ich durch einen Wald mit vielen verschiedenen Bäumen. Da waren Eichen, Buchen, Ahorn, Fichten, Blautannen, Erlen und viele viele mehr. Jede Art wollte mir etwas sagen. Jedoch sprachen alle zur gleichen Zeit. Ich drehte mich im Kreis, war verwirrt, bat