Eine schwierige Familie. Elisa Scheer

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Название Eine schwierige Familie
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737583329



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Besitzverhältnisse mit.

      „Und Sie sind - ?“, wandte er sich dann an Sophie.

      „Sophie Rauch. Meine jüngere Schwester Fritzi – Friederike – studiert bei Herrn von Raben. Wir haben ihn zufällig im Biergarten getroffen und Herr Doktor von Raben hat sich erboten, uns einige ältere Ausgaben von Kriminalromanen und Literatur des 18. Jahrhunderts zu zeigen.“ Sie wandte sich an ihren Nachbarn. „Es war doch 18. Jahrhundert?“

      Raben nickte wieder. „Vor allem Empfindsamkeit.“

      „Ja“, fuhr Sophie dann fort, „und deshalb haben wir ihn hierher begleitet. Fritzi hat die Kirschbäume bewundert, unser Gastgeber hat ihr angeboten, den reichen Segen für die Leisenberger Tafel abzuernten, weil ihn hier eh keiner verbraucht – und dann haben wir Fritzi kreischen gehört, Ludwig von Raben gefunden und den Notarzt gerufen. Der wiederum fand die Todesursache unklar und hat Sie verständigen lassen.“

      „Präzise zusammengefasst“, lobte Reuchlin etwas mechanisch. „Sie sind auch Literaturwissenschaftlerin?“

      „Gotteswillen! Ich bin Betriebswirtin, ich arbeite als Unternehmensberaterin und Effizienzcoach bei Restorff Consulting.“

      Frau Kramer fluchte leise vor sich hin, anscheinend übertrug das Tablet die Handschrift nicht immer in sinnvollen Text. Sophie grinste kurz – so ging´s ihr auch immer, aber praktisch waren die Dinger doch…

      Eigentlich ein merkwürdiger Zufall – einmal brachte Raben jemanden mit nach Hause, und prompt fand er seinen toten Bruder. Wäre er alleine gewesen, wäre vielleicht alles viel schwieriger geworden…

      „Was hat Ihr Bruder denn so gemacht?“, fuhr Reuchlin mit dem Gespräch fort.

      Raben zuckte die Achseln. „Langsam glaube ich, ich habe ihn gar nicht so gut gekannt. Eigentlich hat er studiert.“

      „Mit -“ Reuchlin schaute in seine Unterlagen und zog ein ungläubiges Gesicht „- mit fünfunddreißig? Die Uni müsste ihn doch schon dreimal rausgeworfen haben?“

      „Natürlich. Er hat mehrfach das Fach gewechselt. Erst war´s Geschichte und Politik, dann hat er daran das Interesse verloren – oder die ernsthafte Arbeit gescheut – und auf Volkswirtschaft umgesattelt. Als ein Examen drohte, hat er beschlossen, Kommunikation sei die Wurzel von allem, und ist auf Kommunikationswissenschaften umgestiegen. Dort kann er eigentlich auch nicht mehr zugange gewesen sein, das ist ja auch schon länger her… aber ich habe schon beim zweiten Wechsel – naja – geschimpft, also hat er mir den nächsten gar nicht mehr mitgeteilt. Sie müssten mal in seinem Zimmer schauen. Das ist genau einen Stock über diesem hier, vielleicht liegen dort Immatrikulationsbescheinigungen oder so etwas herum.“

      Frau Kramer signalisierte durch einen Grunzlaut, dass sie das alles fertig notiert hatte.

      „Hatte er einen Job nebenbei? Drogen gibt´s ja nicht geschenkt…“

      Raben sah gequält drein und Sophie erinnerte sich, dass sie ihn das auch schon gefragt hatte. „Ich wüsste nicht… Schauen Sie, ich bin auch nicht so oft da, ich habe an der Uni doch eine ganze Menge zu tun, und da ich diese ganze Truppe hier durchfüttern muss, muss ich mich karrieremäßig ranhalten. Da kriege ich manches nicht so mit.“

      „Ganz ehrlich“, sagte Reuchlin, „Ihr Bruder war nun weiß Gott erwachsen genug, dass er keinen Babysitter mehr brauchte, also mussten Sie ihn doch nicht rund um die Uhr betreuen. Wer lebt denn noch hier?“

      „Meine Schwestern Cornelia und Paula. Cornelia arbeitet bei Kratzbaum und hat selbst etliche Katzen.“

      „Ach herrje“, murmelte Frau Kramer.

      „Sind Sie allergisch?“, erkundigte sich Sophie.

      „Leider. Aber hier hab ich noch gar keine Katze gesehen…“

      „In dieses Zimmer dürfen sie auch nicht. Das habe ich meiner Schwester verboten, und daran hält sie sich merkwürdigerweise sogar. Ja, und Paula ist Mathematikerin bei einer Versicherung, der Union.“

      „Die könnte sich dann doch eigentlich mal was Eigenes suchen, oder? Wie alt ist sie denn?“, erkundigte sich Reuchlin, was Sophie eigentlich etwas frech fand – das ging ihn ja wohl gar nichts an, auch wenn er im Prinzip durchaus Recht hatte.

      „Paula ist achtundzwanzig und Cornelia einunddreißig. Meine Schwester Teresa ist verheiratet, dreiunddreißig, hat eine vierzehnjährige Tochter und wohnt drüben in Henting.“ Dies in einem Ton, als wollte er sagen Sind Sie jetzt mal zufrieden?

      „Vielen Dank. Sind Ihre Schwestern wohl im Haus?“

      „Keine Ahnung. Wir waren noch nicht lange da, als wir Ludwig gefunden haben.“ Rabens Blick irrte zur Fenstertür, durch die jetzt Fritzi hereinkam.

      „Meine kleine Schwester Friederike“, stellte Sophie vor.

      „Ach ja – Sie studieren bei Dr. von Raben?“

      „Ja, ganz genau. Er macht ein tolles Seminar über das Drama vom Sturm und Drang bis zur Klassik. Herr Doktor, die würden ihren Bruder jetzt – also, der Sarg ist da… möchten Sie ihn noch einmal sehen?“

      Reuchlin wedelte erlaubend mit der Hand, und Fritzi begleitete Raben nach draußen. Ob sie wohl doch ein bisschen in ihn verknallt war?, überlegte Sophie, die den beiden nachsah.

      „Wie finden Sie denn diese Familie?“, riss Reuchlin sie aus ihren Gedanken.

      „Ganz ehrlich? Ein bisschen merkwürdig – aber ich weiß fast nichts. Von einer Paula hatte er noch gar nichts erzählt, bis er Ihnen eben diese Übersicht geliefert hat. Ich glaube, er ist mit dieser Losergemeinschaft leicht überfordert, aber – wie gesagt – mir fehlt es ziemlich an Fakten, also überbewerten sie meine Eindrücke bitte nicht.“

      „Losergemeinschaft?“

      „Na, ich bitte Sie! Die Jüngste ist achtundzwanzig – Fritzi ist zweiundzwanzig und würde sich in Grund und Boden schämen, ohne Not noch bei unseren Eltern oder mir zu hausen. Die finden anscheinend alle nicht den Absprung. Obwohl, diese Jüngste hat ja wohl wenigstens einen anständigen Beruf… und aufräumen tut hier auch keiner. Sorry, ich will nicht gehässig klingen, und das alles geht mich auch überhaupt nichts an – ich meine, ich kenne den Mann praktisch gar nicht!“

      Das stimmte zwar, aber ihr war schon selbst klar, dass sie aus der Nummer so schnell nicht mehr rauskommen würde. Und so, wie Reuchlin dreinsah, dachte er das gleiche.

      Raben kam zurück und wischte sich über einen Augenwinkel. Sofort packte sie wieder das Mitleid – aber Fritzi tätschelte ihm ja schon die Hand, also musste sie das nicht mehr übernehmen.

      „Könnten Sie mal nachsehen, ob eine Ihrer Schwestern im Haus ist?“, störte Reuchlin die Trauerarbeit.

      „J-ja. Vielleicht gehen wir einfach ins Wohnzimmer – aber erschrecken Sie nicht, es sieht ziemlich – naja.“

      Fritzi schloss die Fenstertür und zog die Gardine ordentlich vor, dann verließen sie das Arbeitszimmer und Raben dachte sogar daran, die Tür abzuschließen. „Dies ist mein ureigenes Zimmer“, erklärte er Reuchlin. „Ich möchte hier weder Katzen noch meine Geschwister haben.“

      Er steckte den Schlüsselbund ein und ging voraus ins Wohnzimmer, wo sich Reuchlin leicht schockiert umsah, was Sophie gut nachvollziehen konnte.

      Es juckte sie ja selbst in den Fingern, hier mal aufzuräumen – aber das konnte sie nicht machen. Immerhin war das ein fremdes Haus!

      Raben sah sich etwas unentschlossen um und fegte dann die Reste einer Tageszeitung, einige Zeitschriften und ein Sofakissen voller Katzenhaare von einem Sofa, das er daraufhin Reuchlin und Kramer anbot. Frau Kramer saß noch kaum, als sie schon heftig zu niesen begann.

      Raben entschuldigte sich sofort und öffnete die Fenstertür weit. „Oder haben Sie auch Heuschnupfen?“

      Sophie und Fritzi hatten den Schotter auf einem anderen der ältlichen Sofas beiseitegeschoben und