Eine schwierige Familie. Elisa Scheer

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Название Eine schwierige Familie
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737583329



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wohnen immer noch hier.“

      „Echt? Wie alt sind die denn?“

      Raben betete die Zahlen wieder her, und Fritzi wunderte sich lautstark: „Was! Aber die sind doch längst erwachsen? Find ich strange…“

      „Fritzi!“, mahnte Sophie leise.

      Raben grinste etwas bitter. „Warum? Sie hat ja Recht. Die drei sind strange – Sie werden sie bestimmt gleich kennenlernen.“ Er schnupperte prüfend. „Und eine von ihnen bestimmt auch riechen…“

      Sophie zog unwillkürlich auch die Luft ein. „Katzen, oder?“

      „Viele! Conny ist die reinste Catlady.“

      „Aber Katzen sind doch total süß!“, verwahrte sich Fritzi sofort. „Ui, da ist ja eine!“

      Sie bückte sich, um die kleine schwarze Katze mit dem weißen Näschen und den weißen Pfoten zu streicheln, aber die fauchte, galoppierte davon und verschwand in den Tiefen des Hauses.

      „Die sind wohl alle nicht sehr anschmiegsam“, warnte Raben, wenn auch etwas spät. Fritzi erhob sich enttäuscht. „Schade. Ich mag Katzen. Ich hätte auch gern eine, aber in der WG haben zwei Leute eine Allergie. Sophie, magst du nicht -?“

      Sophie verdrehte die Augen. „Das arme Tier! Ich bin so wenig zu Hause – das müssten dann ja mindestens zwei sein, und das ist mir dann doch zu viel.“

      „Kann ich verstehen“, fand Raben. „Aber Conny hat nicht zwei – im Moment sind es sieben, glaube ich. Oder acht?“

      „Hui“, machte Sophie, die sich für das Thema nur in begrenztem Maße interessierte und Katzen auch nur mäßig faszinierend fand. Sie hatte überhaupt ein gestörtes Verhältnis zur Natur, überlegte sie kurz – keine Tiere, keine Pflanzen, keine Wanderungen…

      „Kommen Sie doch weiter“, bat Raben da, und sie folgte ihm mit Fritzi in ein riesiges Wohnzimmer, in dem es noch stärker nach Katzen roch. Kein Wunder, zwischen den abgewohnten, aber bequem aussehenden Sofas standen doch tatsächlich mehrere Katzenklos herum, die man, fand Sophie, vielleicht einmal reinigen sollte. Auf einigen niedrigen Tischen, die im Stil (soweit überhaupt sichtbar) alle nicht zusammenpassten, lagen Spielmäuse, Stoffpüppchen, Zeitschriften, Papiere, viele ziemlich überreife Äpfel, eine Fernbedienung, ein Fernsehprogramm und mehrere DVD- und CD-Hüllen. Außerdem sah und roch man einen überquellenden Aschenbecher und mehrere halbleere Kaffeebecher.

      Raben drehte sich um und ertappte Sophie bei einem unwillkürlichen Naserümpfen. Er seufzte entschuldigend. „Ich weiß – alle benutzen dieses Zimmer, und keiner räumt hier jemals etwas auf. Ich habe auch nicht immer Zeit dazu. Bitte, kommen Sie weiter, wir gehen in mein Arbeitszimmer. Da sieht es wenigstens so aus, wie ich es mir vorstelle. Leider praktisch nur da.“

      Vom Wohnzimmer führte ein Gang weiter, und dort holte er seinen Schlüsselbund heraus und schloss eine Tür mit mehreren Schlössern auf. Er lächelte Sophie und Fritzi etwas trübsinnig an. „Meine Geschwister finden es gemein, dass sie hier nicht reindürfen. Sie würden gerne meinen Rechner benutzen und meine Bücher verkaufen, um Katzenfutter oder Schlimmeres zu finanzieren.“

      „Schlimmeres?“ Fritzi machte große Augen.

      „Ludwig ist ein Junkie“, war die knappe Antwort, dann stieß Raben die Tür auf und bat seine Gäste herein.

      Dieses Zimmer gefiel Sophie deutlich besser: Kamin, zwei bequeme Sofas, ein Lesesessel mit uralter Stehlampe, ein riesiger unordentlicher Schreibtisch (wäre es unhöflich, Herrn von Raben ein Büchlein zu Schreibtisch- und Dokumente-Management zukommen zu lassen? Leider ja, überlegte Sophie) und an zwei Wänden Regale voller alter, ganz alter und neuer Bücher und Broschüren. Ein Schränkchen gab es auch, aus dem Raben nun drei Gläser und eine Flasche holte.

      „Ein kleiner Sherry?“

      Fritzi nahm an, Sophie lehnte ab. „Ich muss ja noch fahren…“

      „Aber ein kleines Gläschen?“

      Sophie lächelte – wie sie hoffte, etwas stählern. Wie lächelte man eigentlich stählern?

      „Danke. Ich bin eine große Befürworterin von null Komma null Promille.“

      „Auch im Biergarten?“

      „Klar. Wasser – und wenn ich so tun muss als ob, dann Apfelschorle, aber das süße Gschlamps mag ich eigentlich nicht besonders. Aber trinken Sie und Fritzi ruhig, ich fahre Fritzi nachher sowieso heim.“

      Fritzi war ans Fenster getreten und schaute hinaus. „Toller Garten… sind das Apfelbäume?“

      „Und Kirschen. Mögen Sie sich welche pflücken? Wir haben wahre Massen, und niemand hat Lust, sie einzukochen.“

      „Wir könnten sie alle pflücken und der Tafel bringen“, schlug Fritzi tatendurstig vor.

      „Gute Idee“, fand Sophie. „Lass vielleicht der Familie noch ein paar übrig, ja?“

      „Haben Sie sowas wie einen Korb?“ Fritzi war nicht zu bremsen.

      „Ich hole einen!“

      Sophie lächelte in sich hinein: Die Küche wollte er ihnen wohl nicht mehr vorführen – wie mochte die wohl erst aussehen? Das Haus war ein Saustall erster Güte; eigentlich schade drum, man hätte etwas daraus machen können: große Räume, hohe Decken, sogar ein bisschen Stuck, abgewetzte Holzböden. Eigentlich ein schönes Ambiente, ohne den Siff und den Mief. Armer Kerl – aber warum hatte er auch seine Geschwister nicht im Griff?

      Raben kam mit zwei Weidenkörben zurück, in die er Küchenpapier gelegt hatte. „Friederike, sind die so recht?“

      Fritzi bedankte sich leicht verlegen und zog mit den Körben durch die Fenstertür ab, die Raben einladend geöffnet hatte. Er bat Sophie, sich zu setzen, und setzte sich ihr gegenüber. „Möchten Sie wirklich nichts trinken?“

      „Nein, danke. Ich bin wunschlos glücklich.“

      „Nicht einmal ein Wasser?“

      „Im Moment nicht, danke.“ Der Kerl war penetrant!

      „Ist es, weil es hier so unordentlich ist?“

      „Es ist, weil ich Moment keinen Durst habe“, antwortete Sophie leicht gereizt. „Das ist ein schönes Zimmer.“

      „Finden Sie?“

      „Sonst hätte ich es nicht gesagt. Gute Proportionen – und genau so, wie man sich eine Gelehrtenstube vorstellt.“ Sie lächelte. „Ich könnte mir vorstellen, dass Fritzi von so etwas träumt – ein solches Arbeitszimmer, eine Professur, in Bibliotheken herumstöbern, unentdeckte Schätze heben, so etwas wie vergessene Romane, zu Unrecht verachtete Autoren… davon schwärmt sie mir oft vor.“

      „Ja, Friederike ist die geborene Germanistin“, stimmte Raben zu. „Ihnen liegt so etwas nicht so sehr?“

      „Sie sollten mal mein Arbeitszimmer sehen“, grinste Sophie breit.

      „Das würde ich gerne“, war die prompte Antwort und Sophie war leicht verblüfft. Baggerte der sie hier etwa an? Sie war die ältere Schwester seiner vielversprechenden Studentin, mehr nicht – also was sollte das jetzt? Sie hatte schon den Mund geöffnet, um das Gespräch wieder auf eine sachlichere Ebene zurückzuführen, als von draußen Gekreisch ertönte.

      Sie sprang auf. „Fritzi! Da ist was passiert!“

      Von Raben gefolgt, rannte sie nach draußen, froh, dass sie keine High Heels trug, denn der ungepflegte Rasen war voller Maulwurfshügel und langrankiger Unkrautnester.

      „Fritzi, was ist los? Hast du dir den Fuß verknackst?“

      „Wäre bei diesen Scheißmaulwürfen kein Wunder“, ertönte es hinter ihr.

      „N-nein…“ Fritzi war ganz bleich und zitterte. Sie stand unter einem Kirschbaum, neben sich die Körbe, einer schon fast halb gefüllt,