Eine schwierige Familie. Elisa Scheer

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Название Eine schwierige Familie
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737583329



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kriegt sein Geld ja auch nicht, wenn er ihn umbringt. Und erschlagen wurde Ihr Bruder schließlich nicht.“

      „Mei… ich weiß es auch nicht.“

      Andi Reuchlin gab Liz ein Zeichen, die bedankte sich artig und verabschiedete sich.

      „Totalausfall“ murrte sie draußen. „Außer, dass die alle tierisch neidisch aufeinander sind, hab ich nichts erfahren. Jetzt die andere Schwester?“

      „Versuchen wir´s. Diese Versicherung ist in der MiniCity. Wahrscheinlich regt sich Paula Raben bloß furchtbar auf, dass wir sie vor der Firma blamieren, und weiß auch nichts, aber nachfragen sollten wir schon noch mal.“

      Die Union hatte ihre Eingangshalle interessant gestaltet, mit moderner Kunst und Hinweisen auf Vortragsreihen; Reuchlin und Zimmerl sahen sich um, während die Dame am Empfang eruierte, in welcher Abteilung Paula Raben arbeitete.

      „Auf jeden Fall nicht in einem Team“, murmelte Andi und merkte sich einen Vortrag vor, der ihn interessierte, „die Frau ist völlig empathiefrei. Der reinste Nerd.“

      „Eher Autistin“, vermutete Liz, „wenn deine Beschreibung zutrifft. Ich bin schon gespannt.“

      „Hören Sie? Frau von Raben arbeitet in der Analyse – das ist im dritten Stock, Zimmer 304. Dort hinten ist der Aufzug.“

      Andi und Liz bedankten sich und fuhren nach oben.

      „Dreinullvier“, murmelte Liz, „hier!“

      Andi stieß die Tür auf. „Frau von Raben?“

      Hinter einer Reihe PCs spähte Paula von Raben hervor. „Ja – ach du Schande, was wollen Sie denn hier?“

      „Wir haben noch Fragen. Das können Sie sich doch wohl denken! Können wir uns hier irgendwo in Ruhe unterhalten?“

      Sie sah Andi unentschlossen an. „Na, im Moment ist niemand hier… schießen Sie los. Ich möchte nicht, dass meine Kollegen das mitkriegen.“

      „Wieso? Sie können doch nichts für Ihre Familie?“, erkundigte sich Liz freundlich-besorgt. Andi überlegte, ob er sich ärgern sollte, dass er immer der böse Cop sein musste – aber eigentlich hatte er damit angefangen, weil er die Raben angeraunzt hatte.

      „Na, peinlich sind die schon, ein Junkie, eine Catlady, diese Bruchbude…“

      „Wenn Ihnen das so peinlich ist, könnten Sie doch ausziehen? Sie verdienen hier doch bestimmt genug, um sich die Miete einer vernünftigen Wohnung leisten zu können?“

      „Klar könnte ich – aber ich habe doch das Recht, dort zu wohnen!“ Sie seufzte. „Die anderen leider auch…“

      „Na, einer ist ja jetzt schon weg“, tröstete Liz mit falscher Munterkeit.

      „Ja, stimmt… halt, nein, soll das heißen, Sie denken, dass ich -?“

      „Weiß man´s?“

      „Ich war doch gar nicht da! Ich war in der Arbeit, da können Sie jeden hier fragen!“

      Andi sah sich interessiert um. „Jeden? Wen?“

      „Sonst sind hier noch zwei Kollegen. Auch Statistiker.“

      „Aber wenn die öfter mal nicht da sind, ist dieses Alibi auch nicht so besonders“, kritisierte Andi.

      „Gestern waren die aber da.“

      „Wenn schon“, kommentierte Liz, „Ihr Bruder wurde ja nicht erschlagen. Sollte zum Beispiel sein Stoff etwas Unbekömmliches enthalten haben, sind Alibis völlig wertlos. Das kann ja dann sonstwann passiert sein.“

      „Etwas Unbekömmliches?“

      „Zum Beispiel irgendein Gift in seinen Drogen?“

      „In diesen rosa Pillen? Da kann man Gift reintun? Wie denn?“

      „Oder in sein Gras. Oder vielleicht hat er irgendwo noch ein bisschen Koks gehabt, da kann man leicht was reinmischen. Wir kriegen das schon raus, keine Sorge.“

      „Von mir aus. Ich war´s jedenfalls nicht.“

      „Aber ein Motiv hätten Sie durchaus. Also behalten wir Sie im Auge. Was hat Ludwig Ihnen eigentlich geklaut?“

      „Mir? Bloß die zwei Bilderrahmen. Aber Ludwig ist – war – wirklich ein Trottel – die sind doch gar nichts wert. Höchstens versilbert. Ihre Kollegin gestern hatte Recht, zum Dieb hat´s bei ihm auch nicht gereicht. Wie kann ich Ihnen denn noch weiterhelfen? Ich müsste da nämlich weitermachen, das ist eine Terminsache…“

      „Ich glaube, das war´s vorläufig. Vielen Dank.“

      Draußen fand Andi: „Wenn man sie alleine hat, hat sie zwar auch keinen besonderen Charme, aber so schlimm wie gestern war sie jetzt nicht.“

      „Stimmt“, meinte Liz, „aber ein Motiv hätte sie. Ich glaube, sie wäre ihre lästigen Geschwister gerne los. Und jetzt? Den Bruder?“

      „Ja. Danach schauen wir mal, ob Toxikologie und Obduktion schon etwas ergeben haben, und dann nehmen wir uns diese Hütte am Prinzenpark vor.“

      Tatsächlich hatte Raben in der germanistischen Fakultät ein eigenes Büro, das allerdings offenbar aus den Beständen der Caritas möbliert worden war. Er begrüßte seine Besucher etwas müde, verabschiedete einen Studenten, der Probleme mit seiner Seminararbeit zu haben schien, und bot Andi und Liz die ältlichen Sessel an.

      Liz sah sich um. Vergleichsweise ordentlich und sauber, wenn auch schäbig. Der Siff zu Hause war also wohl nicht auf ihn zurückzuführen.

      „Haben Sie denn schon irgendetwas herausgefunden?“, wollte Raben sofort wissen.

      „So weit sind wir leider noch nicht. Noch sammeln wir Fakten… und gestern sind wir ja leider nicht allzu weit gekommen.“

      Raben ließ den Kopf hängen. „Oh ja, ich weiß. Meine Schwestern… wir sind eine schreckliche Familie, ich muss mich auch noch bei Friederike Rauch und ihrer Schwester entschuldigen - die waren eindeutig befremdet, von den zänkischen Schwestern, dem unordentlichen Haus und den schrecklichen Katzen.“ Er seufzte.

      „Och“, meinte Liz, „ich habe gehört, Haus und Grund sind nicht gerade winzig – da müssten sich acht Katzen doch einigermaßen verteilen? Um nicht zu sagen, im Gelände verlieren?“

      „Theoretisch, aber meine Schwester Cornelia hält sie gerne im Haus, um sich als große Tierfreundin geben zu können.“ Er grinste etwas bitter. „So kann sie jedem, der keine Tiere durchfüttert oder der Gott behüte Fleisch isst, ein schlechtes Gewissen einreden. Ihre Hauptbeschäftigung. Soll ich Ihnen etwas verraten?“

      Andi und Liz nickten eifrig.

      „Ich würde das ganze Anwesen am liebsten verkaufen, nur will es zum einen keiner haben, weil es so völlig abgelegen ist, und zum anderen würden meine Geschwister nicht zustimmen.“

      „Hängen die denn so am Haus?“

      „Glaube ich nicht, aber schauen Sie, wo sollte Conny zum Beispiel hin? Mit den acht Untieren? Der vermietet doch keiner eine Wohnung! Ludwig, immer leicht im Tran, ohne festes Einkommen – und ein Fünftel vom Erlös dieses Grundstücks hätte ihm bestimmt nicht zu einer anständigen Eigentumswohnung verholfen, abzahlen ohne Gehalt wäre auch nicht drin gewesen… Höchstens Paula hätte sich von ihrem Anteil eine Wohnung irgendwo kaufen können, wo man nicht völlig in the middle of nowhere sitzt. Nein, die Bruchbude und meine Geschwister sind mein Schicksal, da muss ich jetzt wohl durch.“

      Liz legte den Kopf schief. „Aber dann hätten Sie ja direkt ein Motiv?“

      „Was?“

      „Nun, Ludwig ist tot. Dann haben Sie bloß noch ein Sorgenkind an der Backe – Cornelia mit den acht Katzen.“

      „So gesehen haben Sie wohl Recht – aber ich war´s nicht. Ich habe mich an mein Kreuz schon so