Eine schwierige Familie. Elisa Scheer

Читать онлайн.
Название Eine schwierige Familie
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737583329



Скачать книгу

      „Na, den haben wir ja der KTU geschenkt“, begütigte Andi.

      „Das wollte ich dich eh fragen – wozu? Die DNA von Ludwig können wir doch auch aus der Leiche gewinnen?“

      „Schon – aber vielleicht finden wir noch andere DNA – es könnte doch sein, dass Ludwig mal ein paar Kifferkumpel eingeladen hat. Die wiederum könnten uns möglicherweise weiterhelfen.“

      „Danke“, sagte Katrin artig und wandte sich wieder ihrem Rechner zu.

      Andi sah auf die Uhr. „Halb neun. Das Katzenweib könnte vor Ort sein, die arbeitet doch so gut wie nichts. Die kalte Paula finden wir bei der Versicherung und der Bruder müsste ja wohl ein Büro bei den Germanisten haben. Ein Privatdozent ist schließlich nichts ganz so Popliges. Und diese Junkies nehmen wir uns als Letztes vor, die schlafen bestimmt länger. Also, Liz, machen wir uns auf den Weg!“

      *

      Im Rabenhaus machte überhaupt niemand auf.

      „Vielleicht steckt die Gute ja im Kratzbaum“, überlegte Andi ohne viel Überzeugungskraft und klingelte noch einmal, dieses Mal länger. Man hörte in der Ferne ein blechernes Glöckchen anschlagen.

      „Alles sehr neuzeitlich“, kommentierte Liz und sah an der grauen Fassade nach oben. „Fenster sind offen, dann muss doch jemand da sein?“

      „Glaubst du, die machen die Fenster zu, wenn sie weggehen? Die haben doch nicht mal gemerkt, dass der Junkie Ludwig sie beklaut hat!“

      „Ach, so reich?“

      „Nö, so unordentlich“, äffte Andi sie nach. „Ob sie reich sind, weiß ich gar nicht. Das soll Patrick ja mal rauskriegen.“

      Er klingelte noch einmal, aber dieses Mal ließ er den Finger auf dem Knopf, bis das Glöckchen im Inneren vor lauter Dauerklingeln kollabierte.

      „Jetzt hast es hing‘macht“, feixte Liz.

      „So volkstümlich? Die sollen froh sein, wenn ich hier nicht mehr kaputtmache. Ach -!“

      Aus dem Fenster ganz oben schaute ein zerzauster Kopf heraus. „Was soll denn der Lärm mitten in der Nacht?“

      „Kripo!“, rief Andi nach oben. „Machen Sie auf, Frau von Raben!“

      „Was, jetzt?“

      „Ja, jetzt!“

      Mit einem Grunzlaut verschwand der Kopf vom Fenster. Es dauerte etwas, dann hörte man es drinnen trampeln und die Tür wurde schließlich geöffnet. Eine rote, eine schwarze und eine graubraun getigerte Katze schossen an Andi und Liz vorbei nach draußen.

      „Süß“, sagte Liz und erntete eine Grimasse, die wohl ein Lächeln darstellen sollte.

      „Liz Zimmerl“, stellte sie sich der Grimasse vor. „Meinen Kollegen Reuchlin kennen Sie ja schon von gestern. Herzliches Beileid auch von mir.“

      Conny Raben schnaufte und drehte sich um, um ins Wohnzimmer zu trotten.

      „Könnte mal einen frischen Schlafanzug rauskramen“, murmelte Liz knapp außer Hörweite, als sie ihr folgten. „Das Ding müffelt bis hierher.“

      „Ich dachte, du wolltest den guten Cop geben?“, tuschelte Andi zurück.

      „Nur wenn sie mich auch hören kann.“ Liz fixierte das pummelige Hinterteil in angeschmuddeltem grauem Baumwollstoff mit Abneigung und sah sich, sobald sie das Wohnzimmer betreten hatte, kritisch um. Dann musterte sie Conny Raben streng, was auf diese leider gar keinen Eindruck machte.

      „Wir haben noch einige Fragen“, begann sie dann und zog das Dienst-Tablet heraus.

      „Ach was.“ Conny zog ein verknautschtes Sofakissen zu sich heran, legte es auf ihren Schoß und begann, mit den verfilzten Troddeln zu spielen. „Was denn noch? Ludwig war drogensüchtig und hat geklaut, aber wir hatten uns längst mit ihm abgefunden, also wozu hätten wir ihm was tun sollen?“

      „Hatte Ihr Bruder eine Freundin?“

      „Ludwig? Glaub ich nicht. So ein Zauberschatz war er nun wirklich nicht. Mitgebracht hat er jedenfalls nie jemanden. Oder wir haben es nicht gemerkt. Hier ist ziemlich viel Platz.“

      „Das scheint mir auch so“, kommentierte Liz höflich. „Haben Sie denn einen Freund?“

      „Das ist ja wohl meine Sache!“

      „Wenn es um einen Mord geht, interessieren wir uns für alles – notgedrungen. Also?“

      „Nö. Wann denn auch? Ich muss schließlich arbeiten, um die Katzen zu ernähren. Sonst fühlt sich hier ja keiner verantwortlich!“

      „Ach ja – im Kratzbaum, nicht? Vollzeit?“

      „Was – wieso? Naja, nicht ganz.“

      „Nun, dann bliebe Ihnen doch sicher noch Zeit, mit den Katzen zu spielen und eventuell einen Freund zu haben – hat Ihre Schwester eine Beziehung?“

      „Die - ?“ Im Ton abgrundtiefer Verachtung. „Sicher nicht!“

      „Sie mögen Ihre Schwester nicht besonders?“ Liz gelang es, Teilnahme in ihre Stimme zu legen. Dafür konnte Reuchlin, der rund um das Zimmer wanderte und nach Indizien – wofür auch immer – suchte, sie nur bewundern.

      „Paula kann man nicht mögen. Die ist eiskalt. Kennt nur ihren Vorteil. Wehe, einer kriegt was, dann will sie sofort mindestens das Gleiche, wenn nicht das Doppelte. Die verdient total klotzig, aber sie wohnt immer noch hier, weil sie es uns nicht gönnt, dass wir hier umsonst wohnen. Immerhin ist das doch unser Elternhaus!“

      Liz nickte und notierte sich das, dann sah sie wieder voller Interesse auf. „Ihre Eltern leben nicht mehr?“

      „Nein. Seit zehn Jahren. Seitdem ist Benedikt hier für alles zuständig.“

      „Für alles? Ich meine, erziehen muss er Sie alle ja nun schon länger nicht mehr, oder?“

      „Trotzdem. Naja, er kümmert sich ums Haus, warum auch nicht? Ich hab mit den Katzen genug zu tun, sonst kümmert sich ja keiner.“

      „Ach, die Katzen gehören sozusagen zur ganzen Familie?“ Liz schaute betont harmlos drein.

      „Quatsch, nur zu mir natürlich. Ich liebe meine Katzen, die sind meine wahre Familie. Jede hat ihren ganz eigenen Charakter. Viel eigenständiger als Menschen – und sie leben auch schön friedlich zusammen. Nicht so aggressiv wie blöde Zweibeiner…“

      Durch die offene Flurtür trat der dicke graue Kater ein, vom Garten kam ein weißer mit getigerten Flecken und einem eingerissenen Ohr. Sie musterten sich kurz, gingen in Lauerstellung und sprangen dann aufeinander los. Unter wüstem Gekreische rauften sie, bis der weiße Kater murrend davonhinkte.

      „Ja, wie Sie sagen“, kommentierte Liz. „Der Graue ist wohl der Chef hier?“

      „Sam? Ja, Nick ist selbst schuld, wenn er das nicht akzeptieren kann. Unter Katzen gibt es ganz klare Strukturen.“

      Der Frau war nicht beizukommen, die würde es noch als kätzische Überlegenheit verkaufen, wenn sich zwei gegenseitig umbrachten!

      „Also muss sich Ihr Bruder um alles kümmern“, griff Andi das Gespräch wieder auf, weil Liz offenbar wegen der Katzen etwas den Faden verloren hatte.

      „Aber dieses Haus hier gehört doch Ihnen gemeinsam?“, übernahm Liz wieder.

      „Ja doch, warum? Wäre ja auch noch schöner, wenn nicht – schließlich ist es unser Elternhaus!“

      „Ich meine nur – warum muss sich Ihr Bruder dann um alles alleine kümmern?“

      „Warum nicht? Ich mach hier doch nichts, solange Paula, die faule Kuh, sich um nichts kümmert! Seh ich gar nicht ein.“

      Andi seufzte – hatten sie sie jetzt wieder auf dieses