Szenenwechsel. Elisa Scheer

Читать онлайн.
Название Szenenwechsel
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562959



Скачать книгу

      Aufräumen zum Beispiel!

      Sie stapelte den herumliegenden Kram etwas unentschlossen auf, aber davon wurde es leider kaum besser. Es gab eben einfach zu wenig Platz…

      Nein, so hatte das Ganze wenig Sinn. Vielleicht würde Tante Martha ihr ja ein paar Mäuse hinterlassen und sie könnte sich ein neues Regal - Unsinn. Wo sollte sie das denn noch hinstellen? Die Wohnung war einfach zu klein

      Wenn sie ordentlich sparte, könnte sie sich in fünf Jahren vielleicht wirklich eine Wohnung… in einer nicht allzu anspruchvollen Gegend, Selling vielleicht… noch unter fünfunddreißig eine Wohnung gekauft? Dafür lohnte es sich doch, hier noch ein bisschen auszuhalten.

      Aber aufräumen musste sie doch noch. Und sich etwas einfallen lassen, um wenigstens die LowFat-Pfunde wieder loszuwerden.

      Zu trinken war auch nichts mehr im Haus. Kein Diet Coke… Und zum Einkaufen hatte sie jetzt wirklich keine Zeit.

      Kurz entschlossen füllte sie eine der herumstehenden leeren Flaschen mit kaltem Leitungswasser und trank gleich die halbe Flasche leer. Gar nicht schlecht. Wenn sie auf Wasser umstiege… zwei Flaschen pro Tag… mindestens einen Euro fünfzig – im Jahr bestimmt 500 Euro. Immerhin doch! Und die lästige Flaschenschlepperei hätte sich auch erledigt.

      Außerdem hatte sie irgendwo gelesen, dass Süßstoffe dick machen sollten. Zucker aber auch – also sollte sie am besten nur noch Wasser trinken. Und da das Leisenberger Leitungswasser völlig in Ordnung war: billig, bequem und gesund…

      Schon mal eine gute Idee.

      Aber dabei konnte es nicht bleiben. Das Regal sah einfach furchtbar aus. In einem solchem Saustall konnte man doch nicht arbeiten!

      Hilde setzte sich auf das ungemachte Bett und betrachtete das Regal sinnend. Brauchte sie all diesen Krempel denn wirklich noch? Vielleicht sollte sie das Ganze mal gründlich aufräumen, so wie es diese ganzen Entrümpelungsratgeber empfahlen?

      Ächzend erhob sie sich und schaute auf die Uhr: Fünf - kein Grund, die Aktion auf morgen zu verschieben!

      Im Regal befanden sich gefühlt ungefähr dreihundert Bücher, mehrere Stapel von Unterlagen, zehn Ordner (die anderen standen auf dem Boden überall herum), ein Stifteköcher, ein Drucker, eine Mehrfachsteckdose, an der Laptopkabel und Drucker hingen, das Modem, ein Stapel Zeitschriften, ihr Handyladegerät, der überdimensionierte Locher, ein Haufen leere Klarsichthüllen, die sich sofort auf den Boden ergossen und mühsam wieder eingesammelt werden mussten, ihr Schlampermäppchen, ein Stapel ungeöffneter Briefe und ein neckisches rosa Adressbuch.

      Hilde packte alles auf den Schreibtisch, holte einen Klappeinkaufskorb für das Altpapier, drehte das Radio auf und setzte sich.

      Überflüssige Kopien, alberne Krimis, ganze Mengen von noch alberneren Diätzeitschriften – alles wanderte in den Korb; die Briefe wurden geöffnet – Bankkrempel, Krankenkasse, Autoversicherung, Werbung, Bettelbriefe – und teils entsorgt, teils in den richtigen Ordner geheftet.

      Schon besser. Hilde streckte sich und betrachtet zufrieden die Altpapierkiste. Ihr Blick verfinsterte sich, als sie das Chaos auf dem Schreibtisch registrierte. Verdammter Kleinkram!

      Aber im Schrank musste doch noch - genau! Hinter einem Stapel unbefriedigend gebügelter und gefalteter T-Shirts fand sich eine runde, schwarz-weiß karierte Pappschachtel, die bis auf eine leere und längst ausgeduftete Parfumflasche und ein affiges Stofftaschentuch mit gelblichen Liegekanten leer war. Hilde kippte diesen Inhalt in den Müll, klopfte den Staub aus der Schachtel und fegte allen brauchbaren Kleinkram hinein, bis zum Handyladegerät. Damit war der Schreibtisch bis auf den noch abzuheftenden Kram eigentlich leer.

      Eigentlich.

      Also, ran an die Ordner! Schon der erste, Geographie 7, enthielt eine Menge doppeltes und unnützes Zeug. Hilde sortierte aus, heftete wichtigere Unterlagen ein, platzierte Extemporalien und Notenlisten hinten (hatte sie tatsächlich schon sechsmal eine Siebte gehabt?) und warf eine Menge Papier in den Korb.

      Schon fast halb acht. Heute wurde sie mit dem Kram nicht mehr fertig, das war mal klar. Aber vielleicht wenigstens noch zwei von den aktuellen Ordnern? Mathe 10 und Mathe 12. Wenigstens die beiden. Und vorher mal das Regal durchputzen!

      Das Durchputzen ging schnell – den Lappen konnte sie hinterher allerdings wegwerfen. So viel Staub? Wann hatte sie das Regal zum letzten Mal ausgewischt? Musste Jahre her sein.

      Die beiden aktuellen Ordner machten aber direkt Spaß – da konnte man so richtig Altpapier entsorgen. Wieso hatte sie denn von jeder Schulaufgabe zehn Kopien aufgehoben? Die Kopiervorlage in der Hülle reichte doch wohl?

      Sobald alles ordentlich verräumt war und die drei fertigen Ordner schön im Regal standen, nahm Hilde sich die überall herumliegenden Bücher vor. Okay, ein Regalbrett für Schulbücher, zwei für alle anderen. Sie sortierte sie in drei Stapel – brauchbar, naja und „Weg damit“ und stopfte dann die mindestens hundert Bücher, die als „Weg damit“ aufgelaufen waren, in zwei große Tragetaschen. Morgen Nachmittag in die Lesefabrik, vielleicht waren das noch mal fünfzig Euro? Die Bücher sahen ja ganz anständig aus, dass sie Mist waren, merkte man ihnen von außen schließlich nicht an.

      Die mittelmiesen Bücher sortierte sie ordentlich in die beiden obersten Regalfächer und schob sie ganz nach hinten, dann kamen die anständigen Bücher davor.

      Sah gar nicht schlecht aus.

      Darunter (richtig in Griffhöhe) die Schulbücher, wieder darunter die Mäppchen für die einzelnen Klassen, daneben der Drucker, der Laptop und ein paar DVDs mit Mathe- und Geographie-Software. Ein Fach war noch frei. Hilde schob die Kiste mit dem Kleinkram dort hinein und stellte den Ordner mit dem Privatkrempel daneben.

      Die unaufgeräumten Ordner kamen vorläufig auch in dieses und das allerunterste Fach – und damit sah das Zimmer eigentlich ganz gut aus.

      Bis auf das ungemachte Bett und das Bewusstsein, dass der Schrank im Flur überquoll und der Kram in der Kochnische auch mal eine Durchforstung vertragen konnte.

      Aber zunächst mussten die unnützen Bücher weg! Hilde fuhr mit den Tüten (und einer weiteren mit allen leeren Colaflaschen) nach unten in die Tiefgarage und packte alles in ihren Kofferraum. Morgen nach der Schule war das Zeug dann weg.

      Oben sah es tatsächlich schon viel besser aus – obwohl der Schreibtisch noch nicht leer war und sie genau wusste, dass nur drei Ordner anständig aufgeräumt waren. Viertel nach neun… einer ging noch. Vielleicht Mathe 9? Oder Geographie 11?

      Sie zog sich aus, vermied den Blick in den Spiegel (den Schwabbel musste sie nicht täglich sehen), streifte das lässige Riesennachthemd über, schminkte sich ab, putzte sich die Zähne und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Mathe 9 und Geographie 11 gingen beide gut voran, so gut, dass sie sich um kurz nach zehn noch tatendurstig nach einem weiteren umsah und schließlich auch noch Mathe 6 entrümpelte. Danach musste sie ohnehin aufhören, denn der Altpapierkorb quoll schon über und im Nachthemd konnte sie ihn ja schlecht ausleeren gehen.

      Tief befriedigt schüttelte sie ihre Bettdecke auf und schlüpfte darunter. Wenn sie noch ein paar Tage so weiter machte, hätte sie in der Wohnung wieder den Überblick. Bei einer so kleinen Wohnung war das schließlich notwendig!

      DO, 17.04.2008

      Besonders weit war sie immer noch nicht gekommen, stellte Hilde fest, als sie am Donnerstag aus der Schule kam. Gut, sie hatte gestern noch zwei Ordner geschafft, aber das Ex war wichtiger gewesen und die endlose Sitzung gestern… Wie üblich war kaum etwas dabei herausgekommen, und als sie darauf gedrungen hatte, das Wenige auch umzusetzen, hatten mal wieder die Bedenkenträger gesiegt.

       Das haben wir immer schon so gemacht.

       Das haben wir noch nie so gemacht.

       Da könnte ja jeder kommen.

      Diese Schule ging langsam vor die Hunde, obwohl sich Dr. Eisler wirklich ins Zeug legte. Und manche Mitarbeiter, wie